(17-03-2014, 00:14)Ekkard schrieb: [ -> ] (16-03-2014, 11:52)dalberg schrieb: [ -> ]These: Ein mit der Realität zufriedener Mensch braucht keinen Glauben und keine Religion.
Schon diese These halte ich nicht für zutreffend. "Religion" ist kein Arrangement des Individuums mit seiner Welt, sondern ein Element seiner Beziehung zur Menschenwelt.
Ich glaube schon irgendwie verstanden zu haben, dass du Religion als "ein Element seiner Beziehung zur Menschenwelt" deutest und daher eine Transzendenz nicht als ein wesentliches Element von Religion ansiehst. Aber für die übliche Vorstellung von Religion bei allen Menschen, die ich kenne, ist das Vorhandensein eines höheren Wesens, in dessen Händen die Welt und damit auch das Leben des einzelnen Menschen liegt, ein unabdingbares Kennzeichen von religiösem Glauben und praktizierter Religion. Frömmigkeit ohne personalen Gottesbezug mag es geben, aber da ich nur kirchlich geformte Frömmigkeit kenne, ist mir eine solche Frömmigkeit nicht vertraut.
Mir ist aber vertraut, dass nicht durch religiöse Tradition geprägte Menschen ein erfülltes völlig "gottloses" Leben führen können. Voraussetzung ist lediglich, dass sie in ihrer Kindheit so etwas wie Urvertrauen und Grundsicherheit in ihrer Umwelt erfahren haben und sie auch in ihrem späteren Leben Aufgaben finden und damit auch gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung erleben. Diese Sinnerfüllung ihres Lebens genügt ihnen nach meiner Beobachtung. Fehlt es an dieser vor allem frühkindlich erfahrenen Geborgenheit und Sinnerfüllung oder werden Lebensängste durch die Umgebung "induziert" dann scheint mir die unstillbare Sehnsucht nach einem höheren Sinn, der sich wenn nicht hier dann doch wenigstens in einem Jenseits erfüllt, nachvollziehbar.
Natürlich löst die Frage nach dem Lebensende auch bei Menschen, die sich im Leben geborgen und geschätzt fühlen kreatürliche Ängste aus. Das aus diesen Ängsten ein heftiger Wunsch nach Weiterleben entsteht, ist einleuchtend und es ist wohl auf Grund dieses kreatürlichen Lebenstriebes zumindest phasenweise oder in der Nähe des Todes schwer, mit einem endlichen Leben zufrieden zu sein.
Mein Großvater war ein mit Leib und Seele königlich bayerischer Förster. Er hatte zwar liebende Eltern, aber einem "lieben Gott" war er nie begegnet. Und als er nach einem Leben, dass er und seine Umgebung als so erfüllt ansahen, wie eben ein normales Leben nur sein kann, an akutem Kehlkopfkrebs litt, beschloss er zu sterben und stellte die Aufnahme fester Nahrung ein. Als man eine Pastor herbeirief, lehnte er diesen Beistand ab, mit der Begründung, er habe die Tiere im Wald sterben sehen und das könne er ebenso wie diese auch ohne Pastor.
Dass Sterben kein Vergnügen ist, sah er als eine Realität, der man sich nicht entziehen kann. Er glaubte aber, dieses wie alle anderen Menschen und Lebewesen auch, "mit Anstand" bewältigen zu können, zumal es dazu auch für Gläubige ja auch keine Alternative gibt. Und seine Überzeugung, dass der nachfolgende Tod als Bruder des Schlafes kein Problem und keine Last sondern so etwas wie ein "ewige Ruhe" sei, lies ihn den Tod als durchaus genügendes "Ziel" sehen, das hinter dem Sterben zu erwarten stand.
Auch Religion als Hoffnung auf eine göttlich geleitete Welt und ein sinnerfüllten Weiterleben in einem Jenseits kann nicht sicherstellen, dass irdisches Leben von Menschen als ausreichend sinnvoll erlebt wird.
So hat auch einen Romano Guardini angesichts des Leides bis auf sein Sterbebett und in den Tod seine lebenslanges Fragen nach dem Sinn des Lebens ohne letzte befriedigende Antwort bewegt.
Mehr als diese unbeantwortete Frage kann aber auch einen Ungläubigen im Leben und auf dem Sterbebett nicht quälen. Vielleicht wird er sogar mit lebenslang eingeübter Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens, ohne Antwort auf diese Frage nach einem höheren Lebenssinn, leichter in den Tod als endgültiges Ende gehen als dies einem Gläubiger gelingt.