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Aus dem Thread
Religions- und Kulturgeschichte / Die Zerstörung des Tempels

Aus dem Beitrag # 2
(10-04-2014, 01:33)Ulan schrieb: [ -> ]. . . Markus-Evangelium . . .

Dass der Tempel in der zweiten Haelfte des Evangeliums eine Hauptrolle spielt, wissen wahrscheinlich die meisten Leute. Am bekanntesten ist natuerlich die Ankuendigung der Tempel-Zerstoerung in Kapitel 13, wo direkt gesagt wird, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Die Tempelreinigung im Kapitel 11 ist wohl auch jedermann gelaeufig. Allerdings erkennt man nicht das ganze Ausmass der Aussage, wenn man nur oberflaechlich guckt.

Im Prinzip hat das hier mehrere Ebenen des Verstaendnisses, wie bei fast allem in Markus. Zunaechst ein Blick auf die Oberflaeche:

Markus 11:17 Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.

Bibelserver nennt hier nur Jesaja. Die zweite Haelfte des Verses ist aber eigentlich aus Jeremia (die Geschichte davor uebrigens aus Nehemia und mehr):

Jeremia 7:11 Haltet ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Räuberhöhle? Siehe, ich sehe es wohl, spricht der HERR.

Wenn also jemand das OT kennt, wird ihm eventuell Jeremia einfallen. Die Passage geht aber weiter:

Jeremia 7:12 Geht hin an meine Stätte zu Silo, wo früher mein Name gewohnt hat, und schaut, was ich dort getan habe wegen der Bosheit meines Volks Israel. 13 Weil ihr denn lauter solche Dinge treibt, spricht der HERR, und weil ich immer wieder zu euch redete und ihr nicht hören wolltet und ich euch rief und ihr nicht antworten wolltet, 14 so will ich mit dem Hause, das nach meinem Namen genannt ist, auf das ihr euch verlasst, und mit der Stätte, die ich euch und euren Vätern gegeben habe, ebenso tun, wie ich mit Silo getan habe, 15 und will euch von meinem Angesicht verstoßen, wie ich verstoßen habe alle eure Brüder, das ganze Geschlecht Ephraim.

Die Passage ist aus einer Ankuendigung der Zerstoerung des Tempels und der Verstossung von Israel.

Diese Methode, die wichtigen Nachrichten zu verstecken, die Markus durch das ganze Evangelium hindurch anwendet, nennt man Hypertextualitaet. Es gibt einen Hypertext, zu dem ein Hypotext gehoert, den man erst noch nachschauen muss. Markus geht dabei aber fast immer auf Nummer Sicher, dass man das auch ja nicht verpasst. So ist die Tempelreinigungsszene durch diese nette Passage mit der Verfluchung des Feigenbaums flankiert (davor und dahinter; Krause 1994).

Hosea 9 10 Ich fand Israel wie Trauben in der Wüste und sah eure Väter wie die ersten Feigen am Feigenbaum; aber hernach gingen sie zum Baal-Peor und gelobten sich dem schändlichen Abgott und wurden so zum Gräuel wie ihre Liebhaber...15 All ihre Bosheit geschieht zu Gilgal; dort werde ich ihnen Feind. So will ich sie um ihres bösen Tuns willen aus meinem Hause stoßen und ihnen keine Liebe mehr erweisen; denn alle ihre Oberen sind abtrünnig. 16 Ephraim ist geschlagen, seine Wurzel ist verdorrt, sodass sie keine Frucht mehr bringen können. Auch wenn sie gebären würden, will ich doch die ersehnte Frucht ihres Leibes töten.

Man beachte auch die Verknuepfung ueber Ephraim. Bei anderen Passagen, wie der mit den boesen Weingaertnern, muss man juedische muendliche Traditionen mit einbeziehen, um den Tempelbezug zu verstehen. Angeblich symbolisiert der Turm den Tempel und die Kelter den Altar (Heil 1997).

So weit hierzu. Das kann man natuerlich endlos weitertreiben.
( . . .)


". . . Hypertextualität in der Bibel . . . " ???

Das scheint interessant zu sein.