Die Idee eines ursächlich-schöpferischen, also kausalen kosmischen Prinzips geht in Indien auf alte vedische Hymnen zurück, in denen Brahman als eine fundamentale Macht gedacht war, die alles Daseiende trägt und auch den Göttern Kraft zuführt. Diese Macht galt als eine den vedischen Texten selbst immanente Potenz und ermöglichte mittels der rituellen Praxis den Priestern Einflußnahme auf den göttlichen Willen. Die die vedischen Texte abschließenden Upanishaden sehen im Brahman dann das alleingültige Prinzip der Kosmogenese und konzentrieren ihre Darlegungen auf die Entfaltung einer monistischen Theorie, deren zentraler Pfeiler eben dieses Brahman ist. Hier kulminiert der frühindische Weg der Weltinterpretation, der zunächst die Phasen des Animismus, des Polytheismus und des Henotheismus entfaltete, in einer konsequent auf das universale Eine und Zeitlose ausgerichteten Mystik. Die substantielle Vielfalt der vedischen Hymnenwelt, die in zahllose große und kleine Naturgeister differenzierte magisch-mythische Welt der naiven Religiosität, aber auch die Vielfalt der alltäglichen Sinneswelt findet sich im upanishadischen Denken auf den Status einer Scheinrealität reduziert, die das Auge und den Geist des Menschen täuscht und die einzig reale, die absolute Seinsebene verdeckt, nämlich das unwandelbare Göttliche, an dessen Peripherie die vergänglichen Gestaltungen des Werdens und Vergehens gleichsam wie Schatten, ja wie noch Nichtigeres vorüberziehen.
Indem sie eine wichtige begriffliche Differenzierung vornehmen, gelingt den upanishadischen Theoretikern auf der Bewusstseinebene ein Brückenschlag zwischen dem Eigentlichen und dem Scheinhaften. Atman ist der Kern des menschlichen Subjekts, der einerseits in der Illusion lebt, ein individuelles, isoliertes, sterbliches Dasein umgeben von einem Universum des Vielfältigen und Separaten zu führen, andererseits aber, auf der Ebene des wahren Seins, mit Brahman identisch ist, also mit dem absoluten, göttlichen Welt-Selbst, dem ens realissimum, das, selbst zeitlos und ohne Anfang, im ewigen Kreislauf alle Elemente der Erscheinungswelt emaniert und wieder in sich aufnimmt. Dieses Brahman ist über das Trennende des Raumes und den Wandel der Zeit erhaben und durchdringt dennoch unterschiedslos alle vergänglichen Erscheinungsformen. Die Autoren der Upanishaden ziehen daraus eine verbindliche moralische Konsequenz: Ziel eines menschlichen Daseins muss es sein, der un-eigentlichen Tragikomödie der Erscheinungswelt zu entrinnen und die Einheit des Subjektkerns, des Atman, mit dem universalen Selbst, dem Brahman, zu erkennen und zu verwirklichen.
An manchen Stellen sprechen die Upanishaden diesem absoluten Selbst auch die Kraft eines ‘göttlichen Logos’ zu, einer formschöpferischen Ur-Potenz, welche sich in sinnlich wahrnehmbaren Gestaltungen des Universums aktualisiert. Insofern Brahman sich differenziert und entfaltet in die Erscheinungswelt - in die Dimension des Nichtseienden -, ist Brahman ‘Vac’, die Macht des Logos, der Schöpfer der Formenwelt. Schon der Prajapati-Mythos der vor-upanishadischen Veden hatte die Konzeption einer Göttin namens Vac gekannt, die nicht nur in sexueller Beziehung zu ihrem Gott/Schöpfer Prajapati stand, sondern auch als materialisierendes Medium seines schöpferischen Willens fungierte. Die Macht des Brahman-Logos produziert einen Formenkosmos, der völlig von seinem Schöpfer durchdrungen ist, dessen Geschöpfe ihn in sich tragen, mit ihm essentiell eins sind - Atman/Brahman. Diese logosinitiierten Formen, nichtseiende Emanationen des Formlosen, des Kausalen, markieren den Horizont der Begierden des verblendeten Subjekts, eben des Atman, der nicht weiß, dass er (oder sie) Brahman ist. Das Brahman unter dem Aspekt seiner dialektischen Identität mit Atman wird auch Paramatman, höchstes Selbst, genannt, im Unterschied zum Jivatman, dem an die Formen der Welt besinnungslos ausgelieferten Subjekt.
Die Upanishaden variieren die Lehre von Atman/Brahman gemäß den Einsichten und dem Differenzierungsvermögen der in ihnen zum Ausdruck gelangenden Philosophen. Der Grundtenor ist, wie gesagt, monistisch. Das kosmische Urprinzip ist als ein mikro- wie makrodimensional unbegrenztes, nicht-personales und absolutes Subjekt zu denken, das die Phänomene der Wahrnehmungswelt transzendiert, diesen aber zugleich als deren existentielle Grundlage und als Wesenskern immanent ist, sie als ihre wahre Substanz trägt. Die Kluft zwischen Atman, dem Kern des Subjekts, und Brahman, dem All-Selbst, ist nicht real, sondern illusionär. Das Illusionäre an sich ist diese Kluft. Wer diese Illusionen ablegt, hat Brahman erkannt und kann, wie Shandilya in der Chandogya-Upanishad, sagen: „Dieser mein Atman im Innern des Herzens ist größer als die Erde, größer als der Luftraum, größer als der Himmel, größer als die Welten.“ Uddalaka Aruni lehrt in der gleichen Upanishad, dass Vielheit nur der Umwandlungsprozess der einen göttlichen Substanz ist, dieser einzig realen Substanz als Urgrund auch des menschlichen Geistes, von der der Wissende weiß: "… nicht stirbt die lebende Seele. Diese feinste Substanz durchzieht das All, das ist das Wahre, das ist das Selbst, das bist du …“ (tat tvam asi). Yajnavalkaya, der auch als erster die Einheit von Atman und Brahman postulierte, definiert in der Brihadaranyaka-Upanishad das höchste Prinzip als ‘Erkenntnis’ und ineins alles andere: „Der Brahman ist dieser Atman; er ist Erkenntnis, Manas [Verstand], Stimme, Hauch, Auge, Ohr, Äther, Wind, Glut, Wasser, Erde, Zorn, Nichtzorn, Freude, Nichtfreude, Recht, Nichtrecht, er ist alles.“
Das vielfach in psychotechnischen Experimenten (Soma) erfahrene Brahman als Urgrund und Identität des Vielen kann per definitionem nur als absolut gedacht werden - dementsprechend hat dieses Eine der Upanishaden keine Anderes, zu dem es relativ stünde, wird somit weder transzendiert noch immanent begrenzt. Eine zeitlich erste Ursache für die Welt, einen den Beginn der Zeitlichkeit und der Dinge initiierenden Schöpfungsakt zu setzen wäre ein künstlicher und völlig willkürlicher Einschnitt in diese Nicht-Begrenztheit, kann also für eine monistisch ausgerichtete Philosophie nur noch als mythologisches Relikt gelten. Nicht nur das Brahman, auch die Welt in ihrer Irrealität hat keinen Anfang, denn sie ist das Werk des Brahman, und in diesem ist kein Bruch; kein Vorher und kein Nachher; kein Beginn und kein Ende; keine Kluft zwischen auch nur irgendetwas; nichts, das ist, was vorher nicht war und nachher nicht sein wird.