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Normale Version: Paulus : noch offene Widerspruche & Wissenslücken
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Guten Tag,
sehr geehrte Forenfachleute,

... die TV-Doku über Paulus am Pfingstmontag hat mich nur bedingt überrascht. Allerdings fühle ich mich in dem EIndruck
bestätigt, dass PAULUS erfolgt in einem guten Management begründet liegt :

einige seiner Briefe wurden offenbar dubliziert und weiterverbreitet ohne PAULUS Anweisung. Einige bekannt Briefe werden
übrigens seinen Schülern zugeordnet, die die Praxis der Fern-Missionierung weiterverfolgt haben.

Was mich jedoch etwas stutzig macht ist der Umstand, dass man relativ wenig über die Todesumstände von PAULUS
weiß. Das man von einer Enthauptung spricht ist ein Rückschluß wegen seines Status als römischer Bürger. AUf der
anderen Seite war er aber auch Jude - so gesehen ein Multi-Kulti-Bürger mit "Doppel-Pass"

Das Paulus in Athen in einem Streitgespräch nicht richtig bestanden hat war jedoch vorgezeichnet. Die griechische Philosophie
ist ja eine Vorform des Humanismuses. Vor diesem Hintergrund treffen sich hier durchraus fundamental unterschiedliche
Weltanschauungen.

Ein Diskurs über den nicht viel überliefert wurde. Paulus hat wohl danach erkannt, dass er in der Provinz größeren Erfolg
haben würde als in ATHEN. Diese Annahme hat sich ja auch voll und ganz bestätigt.

In der betreffenden TV-Doku. war er jedoch in Fragen der reinen Bibellehre recht kompromislos. Daher habe ich den Eindruck er
hatte 2 Gesichter. Die tolerante Seite kam beim WERBEN um neue Christen zum Vorschein. In der Rechtsauslegung duldete
er aber keinen Widerspruch.
Es ist nicht gesichert, dass Paulus das römische Bürgerrecht besaß (Näheres siehe HIER). Was das Ende des Paulus betrifft, siehe HIER (klick!).
Ich denke man sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass Paulus offenkundig unplanmäßig
eine Reihe schreibeifriger Schüler hervorgebracht hatte. Inwiefern diese im Namen Ihres Meisters
irgendwann zu übertreiben übergegangen sind um das Lesepublikum besser an sich binden zu
können wissen wir ebenfalls nicht.

Die frohe Botschaft in Form von intensiver Korrespondenz ist Missionswerk aber auch Propaganda.
Durch die unerwartete Verbreitung des Christentums wurde Paulus sicherlich populär. Ob damit
eine gewisse Verklärung einhergeht weiß man nicht.

Ich vermute, dass er zumindest etwas geschickter war. Die Apostel waren auch Botschafter der
Apokalypse. Mit Angstmacherei kann man eigentlich keine Anhänger gewissen. Dafür haben wie
bereits gesagt einige Jünger dann auch mit Ihrem Leben bezahlen müssen.
(12-06-2017, 14:14)Kreutzberg schrieb: [ -> ]Die Apostel waren auch Botschafter der Apokalypse.  Mit Angstmacherei kann man eigentlich keine Anhänger gewinnen. 

Na da wär ich mir nicht so sicher!  Schaut euch den kometenhaften Aufstieg der Zeugen Jehovas an
(09-06-2017, 18:12)Bion schrieb: [ -> ]Es ist nicht gesichert, dass Paulus das römische Bürgerrecht besaß (Näheres siehe HIER).

Ein hervorragender Eintrag!  Gefällt mir sehr gut.  Gewissenhaft recherchiert und logisch stimmig
Es ist evident, daß damals vor 2000 Jahren die Verleihung des römischen Bürgerrechts an Juden  extrem selten war.

Aber selbst wenn es nur 3 Patriarchen (samt ihren Meschpochen) in der römischen Stadt Tarsus waren, beweist das keineswegs, daß Schaul / Paulus nicht  aus so einer Großfamilie stammte

Vielleicht war dieser auffällige Mann gerade so einer !
Würde ihm ähnlich schauen.  Denn er hatte auffällig wenig Respekt  vor dem Kahal
Dies könnte schon als Indiz für sein römisches Bürgerrecht gelten.
Ich habe einmal einen Zeitungsartikel gelesen bei dem behauptet wurde, dass Paulus auch regelmäßig mit wohlhabenden rönischen Bürgern verkehrt hat. Sollte das zutreffen, so hat der den Wert von nützlichen Connections durchaus erkannt. Ihm muss aber doch auch klar gewesen sein, dass er mit seiner Botschaft irgendwann im Konflikt mit dem römischen Recht kommen muss. Es ist aber wohl so, dass er kluger Weise die Götterwelt der Römer und Griechen nicht grds. in Frage gestellt hat sonst hätte er wesentlich mehr Probleme gehabt.

Wer nämlich den Ausschließlichkeitsanspruch im Kern seiner Lehre stellt provoziert natürlich. Dadurch wird man schnell zum Unruhestifter abgestempelt. Die Apostel dürften die andere Götterwelt sehr deutlich als Irrlehre gekennzeichnet haben. Das dürfte auch zu dem Ausmaß an gewaltsamen Tod einiger Jünger geführt haben.
(17-06-2017, 11:29)Kreutzberg schrieb: [ -> ]Ich habe einmal einen Zeitungsartikel gelesen bei dem behauptet wurde, dass Paulus auch regelmäßig mit wohlhabenden rönischen Bürgern verkehrt hat.

Bei solcherlei Behauptungen muss man sich immer klarmachen, dass es sich hierbei um in den Text der Paulus-Briefe und in die Apostelgeschichte hinein intepretierte Vorstellungen handelt. Vom Bibeltext unabhaengige Darstellungen zu Paulus gibt es keine. Apokryphe Texte wie die Paulusakten sind zu spaet um da erhellend zu wirken.
(17-06-2017, 11:29)Kreutzberg schrieb: [ -> ]Es ist aber wohl so, dass er kluger Weise die Götterwelt der Römer und Griechen nicht grds. in Frage gestellt hat sonst hätte er wesentlich mehr Probleme gehabt.


Lustig!  Er wurde doch umgebracht

"In den Ende des 2. Jh. entstandenen Paulusakten[22] heißt es, er sei in Rom unter Kaiser Nero durch das Schwert hingerichtet worden."
[22]   Acta Pauli 11,3 / Martyrium Pauli 3

Paulus von Tarsus – Wikipedia
Ich muss einräumen mich mit den historischen Einordnungen der Paulus-Briefe nie ernsthaft beschäftigt zu haben.
Daher bin ich hier sicherlich durchaus nicht ganz auf dem laufenden. Aber wer will denn schon ausschließen, dass
die Jünger des Paulus die Botschaft in seinem Namen weiterverbreitet haben und vom der Aura seiner Person pro-
fitiert haben.

Der Schriftwechsel von Paulus war außergewöhnlich umfangreich. Damit ist der Rückschluß das seine schreibenden
Anhänger unautorisiert Briefe versendet haben durchaus nicht unrealistisch, zumal die Botschaft seines Todes auch
eine Trotzreaktion ausgelöst haben könnte.
Dass nun gerade die Paulusakten irgendwelche Sonderstellung bezueglich der Kenntnis von historischen Vorgaengen haben, ist nicht anzunehmen. Sie wurden nie kanonisiert. Genau wie bei den Legenden zum Tod des Petrus wurden hier wohl Geschichten im Laufe der Zeit weiter ausgeschmueckt.

Und ja, bei den Paulusbriefen geht man heute im allgemeinen von einem Produkt einer Schule aus. Nur 7 der 13 Briefe werden im allgemeinen fuer authentisch gehalten. Es ist auch relativ unumstritten, dass die drei Pastoralbriefe nicht von Paulus sind. Bei den restlichen drei Briefen werden ueberwiegend Paulus-Schueler als Autoren angenommen.
Das ist aber schwer festzustellen, denn die Schüler von Paulus identifizieren sich sicherlich in vollem Umfange mit seiner Botschaft
Unterschiede in der Botschaft sind ja mit ein Hauptgrund dafuer, dass die spaeteren Briefe nicht mehr Paulus selbst zugeschrieben werden.
Worin sind denn die späteren Abweichungen konkret begründet. Ich habe diese noch nicht gelesen.
Der Paulus zu beginn war recht Bibelfest, die Liberalität in der Botschaft könnte als Ergebnis von
Anfeindungen sich herausgebildet haben, obwohl ein Prediger immer auf Missfallen stoßen kann.

Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es ab der Übernahme der Paulus-Schüler zu einer
weichen Anpassung der Kernbotschaft gekommen ist.
(21-06-2017, 16:54)Kreutzberg schrieb: [ -> ]Worin sind denn die späteren Abweichungen konkret begründet. Ich habe diese noch nicht gelesen.

Gute Frage.
Hier ein paar Hinweise von G. Theissen in "Das Neue Testament" (Beck; die Formatierung ist meine):

"1. Die Vorstellungen von der Gemeinde sind wenig paulinisch. Das Bild vom Leib Christi, in dem alle Glieder gleichberechtigt sind, fehlt. An seine Stelle tritt das Bild vom Haus, dem ein einziger pater familias vorsteht: der Bischof, der neben sich Diakone hat und gleichzeitig in ein Presbyterkollegium eingebettet ist.

2. An der Spitze der Gemeinde duerfen nur Maenner stehen. Denn Frauen sollen nicht lehren (1Tim 2,12) und ein Bischof soll "faehig zu lehren" sein (3,2).

3. Bei Paulus besass noch jeder Christ ein Charisma, in den Past hat nur der Bischof ein Charisma (2Tim 1,6).

4. Paulus hielt die Ehelosigkeit fuer eine der Ehe ueberlegene Lebensform. Die Past wollen die Frauen dagegen zur Ehe verpflichten und kaempfen gegen sexuelle Askese - wohl deshalb, weil sie Frauen zu viel Unabhaengigkeit gibt.

Auffaellig ist Folgendes: Gerade dort, wo die Past direkt in Gegensatz zu Aussagen der echten Paulusbriefe treten, laesst der Verfasser seinen Paulus in "Ich-Form" sprechen. Er weiss, dass er in diesen Punkten nicht durch einen neue Auslegung der pln Texte ueberzeugen kann, sondern nur durch einen (angeblichen) Widerruf des Paulus selbst."

A. Merz nennt das "fiktive Eigenreferenzen".

Ansonsten werden die Pastoralbriefe sowieso ins 2. Jahrhundert datiert, da sie sich mit Themen befassen, die im 1. Jahrhundert keine Rolle spielen (die bekaempften Haeresien sind die des 2. Jahrhunderts, der Aufbau der Gemeinden entspricht nicht der der apostolischen Zeit).
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