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Normale Version: Demiurg
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Mit dem Ausdruck δημιο υργός (von δήμιος = öffentlich, den Staat, das Volk betreffend und ἔργον = Werk) wurde im vorklassischen und klassischen ↗Griechisch jemand bezeichnet, der Nützliches für die Gemeinschaft leistet, etwas Nützliches herstellt, ein für die Gemeinschaft nützliches Gewerbe betreibt.

Der älteste Gebrauch des Begriffs ist bei ↗Homer zu finden. Und zwar zweimal in der ↗Odyssee im Versausgang (…, οἳ δημιοεργοὶ ἔασιν;). Zunächst in der Bedeutung "Männer des Gewerbes" (Hom. Od. 17,383), danach in der Bedeutung von: "jene, die sich tätig für das Volk zeigen" (Hom. Od. 19,135).

↗Äsop verwendet "…δημιουργήμασιν…" für von den Göttern geschaffene, nützliche Dinge1.

Bei ↗Herodot (7,31) steht δημιοεργοὶ für Betreiber eines für die Allgemeinheit nützlichen Gewerbes (im gegebenen Fall für Hersteller einer teigig-süßen Masse aus Weizenmehl und Sirup).

In demokratisch organisierten dorischen Stadtgemeinschaften trug der höchste Beamte den Amtstitel δᾱμιωργός (↗Thukydides 5,47).

↗Platon führt den Begriff Demiurg philosophiegeschichtlich für den Gestalter des Himmels (Plat. resp. 530a) und des gesamten ↗Kosmos' (Plat. Tim. 28a,c.29a.31a) ein, aber er verwendet ihn auch für ↗Daidalos als Künstler und Hersteller von nützlichen Dingen (Plat. resp. 529d,e).

Die Vertreter der ↗Gnosis haben die platonische Idee eines kosmischen Baumeisters für ihre Welterklärungsmodelle aufgegriffen und adaptiert.

Für ↗Markion, dessen religiösem System die letzte gnostische Konsequenz fehlt2, ist der Demiurg ein böser, für alles Unheil der Welt verantwortlicher Gott. Markion begründet das mit Jes 45,7. Der Demiurg ist kleinlich, launisch, eifersüchtig und bringt Zwietracht und Krieg in die Welt.

Da die Menschen von einem unvollkommenen Gott geschaffen wurden, ihnen der Geist von diesem eingeblasen wurde, können sie nur unvollkommen sein.

Die gnostischen Modelle weichen voneinander im Detail ab.

Der Markionschüler ↗Megethius nimmt eine Dreiteilung der göttlichen Mächte vor. Der Vater ↗Jesu ist der verborgene gute Gott. Der Demiurg als Gestalter der Welt ist bei ihm kein gütiger, aber ein gerechter Gott. Die dritte göttliche Macht ist das Böse, der ↗Teufel. Der gute Gott ist den ↗Christen, der gerechte den ↗Juden und der schlechte den ↗Heiden zugeteilt (Harnack 165).

↗Apelles, ein weiterer Markionschüler, kam - vermutlich in ↗Alexandria - mit gnostischen Systemen seiner Zeit in Berührung. Er adaptierte die Lehren seines Meisters, nahm eine Präexistenz der ↗Seelen an und brachte das Entstehen dieser mit dem verborgenen guten Gott in Verbindung. In den Seelen sei das göttliche Licht als göttlicher Funken verborgen, meinte er. Den göttlichen Funken aber, mit dem der Mensch Anteil am Lichtgott hat, der zugleich der Gott des ↗Evangeliums3 ist und sich bei der Taufe Jesu offenbart habe, hat der Demiurg mit Materie umkleidet. 

Die ↗Barbelo-Gnostiker (aber auch andere) bringen das weibliche Element ein. Dazu und zu den Systemen des ↗Basilides, des ↗Valentinus, der ↗Ophiten und anderer Gnostiker siehe dort.


1) In Äsop fab. 100. Zeus, Prometheus, Athena, Momos. Ausgabe: Sammlung Tusculum, zweisprachig. Deutsch in der Übersetzung von Rainer Nickel. 2004 Düsseldorf/Zürich. Verl. Artemis & Winkler.
2) Einen Anteil des Menschen am höchsten Gott, wie ihn die Gnosis kennt, kennt Markion nicht. Für Markion ist nicht nur der Körper des Menschen schlecht, sondern auch die Seele, denn auch sie stammt, meint er, vom Demiurgen. Wie ↗Paulus sieht auch Markion den Menschen in seiner Gesamtheit als verdorben an (vgl. Rudolph 341).
3) Dieses Evangelium ist für Markion und seine Schüler das ↗Lukasevangelium.


Literatur:
Adolf v. Harnack. Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott. 21924 Leipzig. Hindrichsche Buchhandlung.
Kurt Rudolph. Die Gnosis: Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion. 42005 Göttingen. Verl. Vandenhoeck & Ruprecht.



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