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Normale Version: Wurde die Welt in 6 "Tagen" erschaffen ? Wie alt ist die "Menschheit" ?
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Hallo Leute!
Seit Längerem beschäftigen mich diese Fragen.

Wurde die Welt in 6 Tagen erschaffen ?
Interessante Frage. Zwar ist das Konkurrenzmodell (die Urknall-Theorie; wonach Erde, Sonne, Mond und Sterne aus der eigenmächtigen und unbegründeten Explosion eines Punctes entstanden seien), eigentlich noch unglaubwürdiger und abenteuerlicher (ein Punct ist laut dem was sich großspurig "Wissenschaft" nennt, ja unendlich klein) - daher ist es vernünftig, wenn wir uns den althebräischen Schöpfungsbericht genau ansehen. Eine alte Sprache

Der Strong gibt für das bibelhebräische Wort יוֹם in 1 Mose eine lange Liste - divergierender - Übersetzungsvorschläge.
Das althebräische Wort יוֹם (ausgesprochen jom) stammt von einer uralten und nicht mehr gebräuchlichen Wurzel (unused root) mit der Bedeutung "heiß sein"
Da Tage - im Gegensatz zu den Nächten - heiß sind, bekam auch der Tag diesen Namen verpaßt.
Doch das althebräische Wort יוֹם kann aber ebenso bedeuten: age (im Sinne von Zeitalter) oder a space of time defined by an associated term (ein Zeitraum)

Die Welt wurde also nicht in 6 "Tagen" erschaffen, sondern in sechs (wahrscheinlich unterschiedlich langen) Zeiträumen (oder Etappen oder Stufen). Und das klingt nun schon sehr plausibel.
Dass Luther für seine einfältige Clientèle im Schöpfungsbericht das jedem Bauern bekannte Wort "Tage" hinschrieb, und dann auch die Katholiken in ihrer Ratlosigkeit dies übernahmen (die Katholiken hatten ja keinen Rabbi Loans der ihnen half; doch Loans konnte ja in der relativ kurzen Zeit in Linz dem Reuchlin beim Verstehen der althebräischen Sprache nur eher oberflächlich helfen), ist wirklich nicht die Schuld der oft unverstandenen bibelhebräischen Thora

Zum bibelhebräischen (althebräischen) Begriff יוֹם siehe im Strong unter: H3117

Die Katholiken hatten die bibelhebräischen Texte überhaupt nicht verstanden (sie waren im AT auf die griechischsprachige Septuaginta der hellenistischen Diasporajuden von Alexandria angewiesen, ein unbrauchbares Werk) - Luther und die anderen Protestanten versuchten zwar angestrengt, die bibelhebräischen Texte zu übersetzen, mussten aber bald erkennen, dass das wohl nicht einmal innerhalb von zwei Jahrzehnten möglich ist; die ungeduldigen Massen wollten aber nicht warten. So wurde eilig eine Mischung aus Wahrem und Falschem produziert. Lücken wurden durch Ratereien geschlossen . . .
Etliche biblische Schlüsselbegriffe wurden auf diese Weise völlig falsch übersetzt !


Wie alt ist die "Menschheit" ?
Laut jüdischem Kalender ist sie erst 5780 Jahre alt. Die zweibeinigen Lebewesen davor werden offenbar nicht als Menschen klassifiziert
Diese Verrenkungen, die "Richtigkeit" des Bibeltexts zu retten, haben schon etwas Erheiterndes. Ausser diesem Umdeuten von Tagen in Zeitalter - obwohl der Text eindeutig auch den Sabbat erklaert, was bedeutet, dass das nicht funktioniert - bleiben ja die ganzen anderen offensichtlichen Fehler in der Abfolge der Entstehungsschritte.

Und moderne Menschen gibt's halt schon seit zigtausenden von Jahren. Wir haben ja die Hoehlenmalereien von Lascaux (etwa 17.000 Jahre alt). Wenn's um eher baulich hervorstechende Orte geht, waere da Göbekli Tepe, dessen aelteste Schicht mit den monumentalen Pfeilern und Skulpturen zwischen 9600 und 8800 v.Chr. genutzt wurde. Was Skelette und Werkzeuge angeht, erweitert sich das dann in hunderttausende Jahre. Das checkt also alles nicht aus.

Man muss sich halt damit abfinden, dass der Schoepfungsbericht die erzaehlerische Verarbeitung der Vorstellungen der Zeit ist, in der der Text geschrieben wurde. Die Leute damals wussten es halt nicht besser. Was relativ gut zusammenfaellt mit dem biblischen Zeitraum ist die neolithische Revolution, also die Einfuehrung von Ackerbau und Viehzucht. Das fand ueber einen laengeren Zeitraum statt. Der aelteste gefundene Kornspeicher ist 11000 Jahre alt, aber das begann natuerlich schon tausende Jahre frueher. Etwas besser passt vielleicht noch die Entstehung der ersten Staedte. Die aelteste Stadtmauer Jerichos ist wohl etwa von 8300 v.Chr.

Albern wird's dann an diesem Punkt:
Sinai schrieb:Zwar ist das Konkurrenzmodell (die Urknall-Theorie; wonach Erde, Sonne, Mond und Sterne aus der eigenmächtigen und unbegründeten Explosion eines Punctes entstanden seien), eigentlich noch unglaubwürdiger und abenteuerlicher (ein Punct ist laut dem was sich großspurig "Wissenschaft" nennt, ja unendlich klein) - daher ist es vernünftig, wenn wir uns den althebräischen Schöpfungsbericht genau ansehen.

Mal abgesehen davon, dass die Aussage mal wieder sachlich falsch ist - Erde, Sonne, Mond und Sterne sind nicht im Urknall entstanden - was mal wieder deutlich macht, wie wenig Du ueber die Dinge, ueber die Du grossspurig (das Wort ist eher bei Deinen Texten angebracht) urteilst, verstanden hast - wird hier der Grund ersichtlich, warum Menschen Geschichten wie die Schoepfungsgeschichte erfinden. Nichts ist unertraeglicher, als irgendetwas nicht zu wissen. Anstatt zuzugeben, dass wir etwas schlicht nicht wissen - die Wissenschaft ist in dem Punkt naemlich vollkommen ehrlich - luegt man sich halt was vor und erfindet irgendwelche Gewissheiten, die es nicht gibt. Aber Selbstbetrug ist wohl Teil des Menschseins. Das stuetzt das fragile Ego.
(08-07-2020, 01:19)Sinai schrieb: [ -> ]Die Welt wurde also nicht in 6 "Tagen" erschaffen, sondern in sechs (wahrscheinlich unterschiedlich langen) Zeiträumen (oder Etappen oder Stufen).

...und die alle fließend in einander übergingen, oder gab es da auch zwischen drin jedes mal längere Schöpfungspausen.
In der Bibel steht, dass "der Herr" immer nur tagsüber gearbeitet hat.

"Und es wurde Abend und es wurde Morgen"


Erst lange nachdem Gott Früchte-tragende Bäume und Kraut- und Samen-tragende Pflanzen erschuf, erschuf  Gott Sonne Mond und Sterne, welche zunächst mal nur den Himmel bei Tag und bei Nacht regieren und später Adam und Eva auch als Kalender/Zeitmesser dienen sollten.

Weil aber Früchte-tragende Bäume und auch sonst alle Kraut- und Samen-tragenden Pflanzen Sonnenlicht für die Synthese ihrer Nahrung aus Kohlenstoff brauchen, haben wir jetzt ein arges Problem mit diese Auslegung der 6 Schöpfungstage in langen Zeiträumen. Auch die ziemlich niedrigen Temperaturen  dürften diese Bäume und Pflanzen nicht lange genug ausgehalten haben...

Und andersherum wird diese von der Lichtintensität und Lichtfarbe abhängige Photosynthese auch erst so Anfang des 19. Jh. das erste mal richtig erkannt und verstanden.

Das mit diesen "langen Schöpfungstagen" kann also irgendwie nicht ganz stimmen.

Ein weiteres Problem  wären dann auch noch diese über langen Zeiträume immer wieder erschaffenen und dann doch wieder ausgestorbenen  "Fehlschöpfungen" mit fürchterlichen Tatzen, Krallen, Hackebeil- und Fleischermesserzähnen..
Ein allmächtiger, allwissender, sich aller Begreiflichkeit entziehender intelligenter Planer und Designer würde doch  nicht immer wieder solche Fehlkonstuktionen erschaffen, um sie dann nach ein paar Millionen Jahren, aber  nach göttlichen Zeitmaßstäben schon  innerhalb wenigen Stunden, wieder brutal auszurotten...

Das passt einfach hinten und vorne nicht mehr zusammen.
Hallo 'Sinai',
der biblische Schöpfungsbericht ist doch gar kein Bericht, sondern eine mythische Erzählung - und damit ein Glaubensbekenntnis. Der (richtiger) Schöpfungsmythos denkt sich die Welt als etwas Geschaffenes. Dass irgendetwas aus sich selbst heraus entstanden sein könnte, ist Idee des 19. Jahrhunderts und von da an wissenschaftlich ergründet worden. Der so genannte "Urknall" hat mit dieser Idee zu tun aber nichts mit dem biblischen Bekenntnis zur "Gottesordnung".
Man kann gut nachvollziehen, dass alles in diesem Mythos Menschheitserfahrungen sind, die zur Zeit der Entstehung des ersten Buches Mose schon lange bekannt waren - und buchstäblich rein gar nichts mit unserer Welterkenntnis zu tun haben. Wir würden sagen: Die Gründe für die genannten Dinge werden nicht genannt - oder Gott überlassen (je nach gusto).

Deshalb stimmt auf der Sachebene einfach nichts mit unserer Welterkenntnis überein, außer dass es Menschen, Tiere, Land, Meer (unseren Planeten), Tag, Nacht, Sonne, Mond und Sterne gibt (Seiendes). Mit dem uns geläufigen Instrumentarium an präzisen sachlichen Vorstellungen ist uns sogar fremd, dass das Seiende Ausfluss der Handlungen eines Gottes sein soll.

Die Frage: "Wurde die Welt in 6 Tagen geschaffen?" ist mit dem antiken Wissen überhaupt nicht zu beantworten (Nichtwissen). Mit dem modernen Wissen lautet die Antwort schlicht: "Nein". Ich betone aber nochmals: Eigentlich ist das überhaupt nicht das Problem des Schöpfungsmythos! Dieser ist eine Zustandsbeschreibung der in der Antike bekannten Lebenswelt der Menschen, die auf Gott hin geordnet gedacht wurde.
(08-07-2020, 22:18)Ekkard schrieb: [ -> ]Hallo 'Sinai',

Die Frage: "Wurde die Welt in 6 Tagen geschaffen?" . . .


Hallo 'Ekkard',

ich hatte das Wort "Tage" aber in Anführungszeichen gesetzt. Die erste Frage meines Threads lautet: Wurde die Welt in 6 "Tagen" erschaffen ?

Damit wollte ich darauf anspielen, dass es wohl nicht buchstäbliche Tage (à 24 Stunden) waren, sondern 6 Zeiträume unbestimmter Dauer.
Darauf hatte ich in Beitrag # 1 hingewiesen

Die Thora schreibt ja gar nicht, dass die Welt in sechs Tagen erschaffen worden wäre

Hier liegt halt wieder eine Falschübersetzung vor.
Nun, Deine These, dass es eine Falschuebersetzung waere, ist doch vom Text selbst widerlegt.

Davut

(08-07-2020, 22:18)Ekkard schrieb: [ -> ]Deshalb stimmt auf der Sachebene einfach nichts mit unserer Welterkenntnis überein, außer dass es Menschen, Tiere, Land, Meer (unseren Planeten), Tag, Nacht, Sonne, Mond und Sterne gibt (Seiendes). Mit dem uns geläufigen Instrumentarium an präzisen sachlichen Vorstellungen ist uns sogar fremd, dass das Seiende Ausfluss der Handlungen eines Gottes sein soll.

Die Frage: "Wurde die Welt in 6 Tagen geschaffen?" ist mit dem antiken Wissen überhaupt nicht zu beantworten (Nichtwissen). Mit dem modernen Wissen lautet die Antwort schlicht: "Nein".  

Gleichwohl begegnen wir sogar hier auf diesem Forum kreationistischen und fundamentalistischen Bibelverstehern, die dem unausrottbaren 6-Tage-Schöpfungsglauben beharrlich frönen.

Verfolgt man z.B. in diesen Tagen die aktuelle Entwicklung um den fundamentalen Bremer Skandalpastor Latzel mit seinen obskuren Predigten, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Fest gefügt schart sich seine beachtliche Innenstadt-Gemeinde  auch in Zeiten staatsanwaltlicher Ermittlungen  um ihn.  Latzels YT-Kanal hat 20.000 Follower. Seine kirchenbehördlich vereinbarte Auszeit von 6 Wochen wird unter seinen Anhängern von Gebeten für dessen pastorale Zukunft begleitet: Zitat " Solche Kleriker brauchen wir". 

Warum das so erwähnenswert ist?  Weil dies kein unbedeutender Einzelfall ist. Der noch nicht einmal 100 Jahre alte kreationistische Bibelfetisichismus blüht, nicht nur in den USA. 

Diese  Wissenschaftsresistenz ist keine belanglose religiöse Randerscheinung, nicht mal auf diesem Forum, wie man sieht.

MfG
Hallo 'Davut',
es bleibt halt die Frage, welches Anliegen haben Menschen, die den alten Mythen glauben. Sachlich sind wir uns einig. Aber es interessieren mich auch die seelischen Gründe. Ich habe den Eindruck, dass der Glaube eine wichtige Komponente des "Zurechtkommens" in der Welt ist. Er liefert Gewissheit, wo sich reiner Sachverstand im Vorläufigen bewegt, beginnend bei den Mess- und Beobachtungsunsicherheiten bis hin zur Heisenbergschen Unschärfe-Relation. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese "Sachverhaltswelt", die im übrigen zwischen Mikro- und Makrokosmos unsere Vorstellungen bei weitem sprengt, für viele Menschen fremd, unheimlich und unbefriedigend ist.

Unser seelisches Gleichgewicht finden wir nicht in diesen Dimensionen, sondern in "Mittelerde", also in all dem, was auch der Schöpfungsmythos als von Gott gegeben umschreibt.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber für mich hat Bedeutung auch nur das Seiende von "Mittelerde". Mit den darüber hinaus gehenden Zuständen und Geschehnissen kann ich operieren. Ich weiß, dass diese Welten existieren. Ich weiß, dass und wie man sie vermessen kann. Aber mit der "Seele" beachte ich sie nicht. So ehrlich sollte man schon sein.

Es ist ja ganz nett, als Wissenschaftler tiefer in die Materie eindringen zu können, aber wie nehmen wir unsere Mitmenschen dahin mit? Mit wissenschaftlich präzisen Ausführungen jedenfalls nicht! Vielleicht durch das Mittel des Romans, der Erzählung - gewiss, aber ich persönlich bin kein guter Erzähler!
Zitat:es bleibt halt die Frage, welches Anliegen haben Menschen, die den alten Mythen glauben. Sachlich sind wir uns einig. Aber es interessieren mich auch die seelischen Gründe. Ich habe den Eindruck, dass der Glaube eine wichtige Komponente des "Zurechtkommens" in der Welt ist.

Eigentlich "funktioniert" das ganze ein bisschen anders. Auch das Seelische ist letztendlich auf ganz simple Wechselwirkungen zurückzuführen, die von der Natur/Evolution nach den Prinzipien der Selbstorganisation irgendwann mal erfunden worden sein müssen.

WIR bzw. unserer Gehirne generieren ständig und unablässig Versuchs-Ideen, mit welchen WIR uns in einer existenziell unberechenbaren Welt/Wirklichkeit voran tasten, um dann nach und nach all jene Ideen aus zu sortieren, die sich nicht bewährt haben.. {Erfahrung}

Auf Grund dessen, dass unsere  existenziell unberechenbare Wirklichkeit unüberschaubar vielschichtig ist und auf allen Ebenen Unmengen an Risiken in sich birgt die meist sehr schmerzhaft sind, kämen wir mit dieser Methode "alleine" nicht sehr weit.

Viel, viel weiter kommen WIR, wenn Wir die Gehirne anderer, uns nahestehenden Artgenossen zu Stadthaltern solcher, für uns selbst am plausibel scheinendsten Versuchsideen machen, um somit selber die  Risiken schmerzhafter Erfahrungen weitgehendst zu minimieren. Und weil das ganze auch andersherum so läuft, kommt auch keiner von UNS ganz "ungeschoren" davon.

Vielleicht hat sich ja der eine oder andere auch schon mal gefragt, woher eigentlich unser ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl kommt... :-D
Nun, dieses einfache Erfolgsprogramm läuft ja nicht auf UNSERER obersten Bewusstseinsebene, sondern etwas weiter hinten..

Wenn sich nun aber herausstellen sollte, dass sich unsere Versuchsidee bei anderen zufällig erfolgreich  war und also mit keinerlei schmerzhafte Erfahrungen verbunden, verdienen wir uns auch ein gebührendes Feedback. Eine gigantische Flut an GLÜCKSHORMONEN sind die Folge.. usw. usf. Gesichertes Erfahrungswissen für die ganze Menschheit ist das Ergebnis, WIR sind WICHTig und von fast göttlicher Bedeutung.

Wenn aber unsere Artgenossen mit unserer Versuchs-Idee keinen Erfolg  und nur unangehme Erfahrungen hatten, kann uns nur noch "ein Gott" und seine Gebote retten.

Deswegen ist es auch so wichtig, dass unsere Artgenossen an einen solchen Gott glauben. Oder: nur dieser Glaube kann uns am ehesten noch retten.

P.S. Es gibt eine Reihe von einander unabhängig durchgeführte Experimente welche belegen, dass "Gläubige" auch im Alltagsleben wesentlich öfter bewusst lügen, als Gottlose.
Ich hatte das ja schon in meiner ersten Antwort angemerkt. Man sieht ja bei Sinai immer wieder, wie er diese falsche Dichotomie aufstellt: die Bibel liefert Gewissheiten, die die Wissenschaft nicht liefert. Dass die Gewissheiten der Bibel (was jetzt Fragen wie zur Schoepfung angeht) nur scheinbare Gewissheiten sind und ihre Antworten (bzgl. Fakten zur Welt) irgendwo zwischen grob unvollstaendig und falsch ausfallen, wird dabei nicht erkannt oder bewusst ausgeblendet. Mit dem "es koennte so sein, aber gewisse Bausteine fehlen uns noch" der Wissenschaft koennen solche Glaeubige nichts anfangen. Sinai wird ja nicht muede, das immer wieder als Manko der Wissenschaft auszulegen, obwohl es eigentlich ihr Vorteil ist und sie uns schon weit tiefere Einblicke gewaehrt hat, als die Bibel es in dieser Beziehungen je vermocht hat. Um das zu erkennen, muss man natuerlich hinschauen, was er erst gar nicht tut. Die Angst, dass ihm die Gewissheiten entgleiten, ist da wahrscheinlich zu gross.

Und dann haben wir ja auch Leute wie Konform auf diesem Forum, der meint, dass, wenn auch nur ein einziger Buchstabe in der Bibel falsch waere, die Bibel damit widerlegt waere und auch ihr Versprechen der Erloesung ins Nichts zerschellen wuerde. Daher sein unermuedlicher Kreuzzug gegen die Wissenschaft, die falsch sein muss, wenn er erloest werden will (seine gedankliche Verknuepfung, nicht meine).
Gegen solche "Veranlagungen" ist kein Kraut gewachsen. Glauben hieße ja eigentlich, einfach mal zu schätzen dass es wahrscheinlich oder möglicherweise so sein könnte. In diesem Sinne sind wir ja zunächst mal alle ziemlich gläubig.

Davut

@Ekkard: Menschen haben früher an Mythen geglaubt (Dein #8). Und wie man sieht, tun sie das durch die Bibeltexte auch heute noch.  Mythen unterliegen insofern nicht wie Oscar Wildes  Bildnis des Dorian Gray einem verborgenen Alterungsprozess. Eugen Drewermann hat mehrere Märchen von früher psychologisch/ religiös gedeutet. In meinem religionshistorisch  nur bescheiden bestückten Bücherschrank  (früher interessierte mich diese Disziplin einfach nicht) hüte ich sein "Frau Holle, tiefenpschologisch gedeutet". Sehr bemerkenswert, ist antiquarisch, glaube ich, für wenige Euro zu haben. Es beantwortet viele Fragen dieses Threads.


"Wie nehmen wir unsere Mitmenschen dahin mit?" fragst Du zum Schluss. Gar nicht, nach meiner Erfahrung. Die Fronten zwischen "echten" Liberalen und Fundamentalisten sind unversöhnlich verhärtet. Beide meinen, diese Religion* nur  durch ihr jeweilige  Haltung  retten zu können -  und dabei  im Besitz der allein seligmachenden Gnade zu sein.

Man kann nur hoffen, dass sich dieses Problem der Wissenschaftsresistenz durch die demografische Entwicklung nach und nach  "auswächst".

MfG

*Entschuldigung, dass ich in der Abteilung "Judentum" die christlichen Religionen heranziehe.
Die Dimension des Glaubens ist etwas völlig anderes als die Dimension "Sachebene". Ich halte den "Hasen" hier für "begraben". Es sind die Gläubigen selbst, die sich auf das Glatteis einer Welterkenntnis aus einem "heiligen Buch" begeben, indem sie Behauptungen über die Sache "Welt" aufstellen, die angeblich dort geschrieben stehen. Allerdings stehen jene, die die Fahne der Wissenschaft hoch halten, dem in fast nichts nach! Es ist auch nicht gerade offensichtlich, wenn man den "heiligen Texten" lesend folgt.
Die beiden Ebenen (Sachebene und Glaubensebene) haben nichts miteinander zu tun. Aus rein sachlichen Kenntnissen und Überlegungen (ohne soziales Umfeld) folgen keine Verhaltensnormen. Und umgekehrt folgen aus Glaubensaussagen keine Weltbeschreibungen!

Wenn z. B. in der Bibel die Generationen seit Adam hergezählt werden, dann folgt daraus kein Weltalter. Das ist ein Fehlschluss. Es folgt nur, dass die Menschen in einer Generationenfolge leben und sich dessen bewusst werden sollen. Niemand ist allein auf der Welt und zumindest verantwortlich für jene, die vor uns waren und jene, die nach uns kommen. Genau dasselbe "folgt" aus dem Gebot, Vater und Mutter zu ehren. Alle diese mythologischen Schilderungen haben mit dem zu tun, wie Menschen miteinander leben sollen - jedenfalls nach den Vorstellungen der Bibelautoren und -Redaktoren.
(09-07-2020, 18:16)Ekkard schrieb: [ -> ]Wenn z. B. in der Bibel die Generationen seit Adam hergezählt werden, dann folgt daraus kein Weltalter. Das ist ein Fehlschluss. Es folgt nur, dass die Menschen in einer Generationenfolge leben und sich dessen bewusst werden sollen. Niemand ist allein auf der Welt und zumindest verantwortlich für jene, die vor uns waren und jene, die nach uns kommen. Genau dasselbe "folgt" aus dem Gebot, Vater und Mutter zu ehren. Alle diese mythologischen Schilderungen haben mit dem zu tun, wie Menschen miteinander leben sollen - jedenfalls nach den Vorstellungen der Bibelautoren und -Redaktoren.

Das ist, glaube ich, zu kurz gegriffen, was die Absicht der Bibelautoren und -Redaktoren angeht. Ansonsten haetten sich die Redaktoren der drei Staenge der Ueberlieferung der Tora nicht jeweils die Muehe gemacht, die Altersangaben der Personen im Bibeltext zu manipulieren, und zwar jeweils unterschiedlich. Der urspruengliche Toratext hatte wohl das Problem, dass danach Methusalem die Sintflut ueberlebt haette, was natuerlich nicht sein durfte, da ja - laut Bibel - niemand ausser Noahs Familie die Sintflut ueberlebte. Die Redaktoren des Textes fanden dafuer drei unterschiedliche Loesungen. Da der masoretische Text es dann noch hinbekommt, die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels nach seiner Umfunktionierung vor der Makkabaeer-Revolte exakt 4000 Jahre nach der Erschaffung der Welt stattfinden zu lassen, gibt das auch einen Hinweis darauf, wann der masoretische Text in der Hinsicht ueberarbeitet wurde. Natuerlich koennte man jetzt einwenden, dass die runde Zahl gerade das Symbolische hervorhebt - die 100 x 40 Jahre. Dass jeder Ueberlieferungsstrang hier editiert hat, zeigt aber auch die Bedeutung, die den Zahlen beigemessen wurde.

Auch die Beschaffenheit der Tora insgesamt laesst erkennen, dass da verschiedene Denkweisen am Werke waren. Der sogenannte Priestertext wollte die Vorgaengertexte wahrscheinlich ersetzen, da er eine durchgaengige Erzaehlung liefert und die Theologie entsprechend modernisierte. Irgendwelche Nachfolger mochten das wohl nicht und haben viele der Vorgaengertexte wieder stueckweise in den Fliesstext eingearbeitet, zusammen mit allen moeglichen anderen Erzaehlungen, und das hat dann zu dem Kuddelmuddel gefuehrt, das wir in der Tora vor uns haben. Da sieht man dann auch schoen, dass Bibelautoren und -Redaktoren jeweils von ganz anderen Motivationen getrieben waren.
(09-07-2020, 18:16)Ekkard schrieb: [ -> ]Die Dimension des Glaubens ist etwas völlig anderes als die Dimension "Sachebene". Ich halte den "Hasen" hier für "begraben". Es sind die Gläubigen selbst, die sich auf das Glatteis einer Welterkenntnis aus einem "heiligen Buch" begeben, indem sie Behauptungen über die Sache "Welt" aufstellen, die angeblich dort geschrieben stehen. Allerdings stehen jene, die die Fahne der Wissenschaft hoch halten, dem in fast nichts nach! Es ist auch nicht gerade offensichtlich, wenn man den "heiligen Texten" lesend folgt.
Die beiden Ebenen (Sachebene und Glaubensebene) haben nichts miteinander zu tun. Aus rein sachlichen Kenntnissen und Überlegungen (ohne soziales Umfeld) folgen keine Verhaltensnormen. Und umgekehrt folgen aus Glaubensaussagen keine Weltbeschreibungen!

"Mir will das alles nicht recht glauben sollen."

Weil wie schon  von @Ulan angesprochen, die Bibelschreiber die Texte (Überlieferungen) immer wieder den jeweiligen Eitelkeiten der sich damit identifizieren Wollenden  ihrer jeweiligen Zeit angepasst haben.

Aber mal ganz davon abgesehen, ist es auch eine erst völlig neuzeitliche Idee, dass Glaubens- und Sachebene nichts miteinander zu tun haben. Davon wusste man bis zur zweiten Hälfte des 20. Jh. noch fast überhaupt nichts. Sogar promovierte Akademiker unserer Zeit verstehen den Unterschied immer noch nicht ganz. Man schaue sich dazu einfach mal nur die ganzen hochspirituellen Deutungsversuche jener nicht ganz unbekannten Quantenphysiker an, die da einen Zusammenhang zwischen ihren Messergebnissen und und ihren kulturinduzierten Glaubensvorstellungen zu erkennen meinen. Selbst der ehrwürdige Max Planck hat sich nie viel Mühe gegeben, Sachebene und Glaubensvorstellungen strickt auseinander zuhalten. An den weltbesten Universitäten unterrichten heute noch Fachkoryphäen in Mathematik, Biologie, Philosophie und sogar in Chemie und Physik, welche von einer solchen Trennung  zwischen Glaubens- und Sachebene gar nichts halten. Über ausverkaufte Vorträge und öfters auch in Fernseh-Talkshows, predigen sie Intelligentdesign und schimpfen auf diese "militanten" Atheisten, die ihnen immer öfter ihre über jeden Zweifel erhaben göttliche Autorität streitig zu machen versuchen ...

Und nein.. die, die die Fahne der Wissenschaften hochhalten tun das nicht, weil sie die Welt damit besser zu machen hoffen, sondern weil inzwischen auch schon alle "einsamen Inseln" dicht besiedelt sind, oder als Naturschutzgebiete ausgewiesen wurden... Und von denen und solchen, die jetzt schon fleißig Reisig für die "Scheiterhaufen" sammeln, welche möglichst bald schon wieder brennen sollten, gibt es inzwischen schon so viele, dass man wirklich Angst haben muss.
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