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Frankreichs Laizität – ein gefährliches Modell

Diese Schlagzeile erschien vor einer Stunde im Standard
Dies ist auffällig, da der Standard eine "linksliberale" Zeitung ist.
"Der Standard (Eigenschreibweise: DER STANDARD) ist eine in Wien erscheinende österreichische Tageszeitung mit linksliberaler Ausrichtung.
Sie wurde 1988 von Oscar Bronner nach dem Vorbild der New York Times gegründet." Der Standard - Wikipedia

Offenbar haben die zahlreichen "Vorfälle" in Europa (Paris, Berlin, Wien) ein Umdenken eingeläutet

Davut

(12-11-2020, 11:23)Sinai schrieb: [ -> ].

Frankreichs Laizität – ein gefährliches Modell

Diese Schlagzeile erschien vor einer Stunde im Standard
Dies ist auffällig, da der Standard eine "linksliberale" Zeitung ist.

Offenbar haben die zahlreichen "Vorfälle" in Europa (Paris, Berlin, Wien) ein Umdenken eingeläutet

Was soll diese Irreführung? Es erschien keine "Schlagzeile", sondern einfach und schlicht ein Gast-Kommentar einer (dazu noch französischen) Journalistin im STANDARD. Kommentare sind keine Meinung der Zeitung, in  der sie veröffentlicht sind, egal ob diese  linksliberal oder sonstwie ausgerichtet ist. 

Welches Umdenken wird in dem Artikel "eingeläutet"?  Keines!

Joelle Stolz, so der Name der Autorin, setzt sich mit verschiedenen Laizismus-Modellen in Europa, Übersee und Neuseeland auseinander. Das hat übrigens schon Atatürk in den 20er Jahren in der muslimischen Türkei geschafft. Sie hat mit keinem Wort gefordert, den seit 1905 in Frankreich verfassungsrechtlich geltenden strikten Laizismus, die konsequente Trennung von Religion und Staat also, zu verändern. 

Sie hat zwar auf die hohen Terroropferzahlen in Frankreich hingewiesen, aber diese auch mit der französischen Kolonialvergangenheit und der Militärpolitik verglichen. Jede® kann ihre Meinung ergooglen und nachlesen. Was sie über unnötige Provokationen schreibt, will auch ich, wie an anderer Stelle schon  geschehen, gern unterschreiben. Aber das ist ein anderes Paar Schuhe. 

Man muss nicht nur eine Überschrift vorlesen - und diese dann gleich h als politischen Gesinnungswechsel deklarieren. Das ist die Irreführung.
(12-11-2020, 11:23)Sinai schrieb: [ -> ]Frankreichs Laizität – ein gefährliches Modell

Diese Schlagzeile erschien vor einer Stunde im Standard

Offenbar haben die zahlreichen "Vorfälle" in Europa (Paris, Berlin, Wien) ein Umdenken eingeläutet

Wieso liest Du Artikel, die Du anbringst, eigentlich nie? Es ist uebrigens ein Gastkommentar einer "Le Monde"-Korrespondentin und ist auch deutlich als externe Meinung (also nicht die des Standard) gekennzeichnet.

Der Artikel enthaelt ein Plaedoyer fuer die Laizitaet; es geht nur darum, wie genau die ausgestaltet werden sollte. Der Artikel sieht den Vorteil der Modelle in Schweden, Oesterreich etc. darin, dass ohne komplette Trennung von Staat und Kirche dem Staat mehr Moeglichkeiten an die Hand gegeben sind, bei Kirchen und halt auch muslimischen Organisationen direkt einzugreifen, eine Moeglichkeit, die in Frankreich nicht gegeben ist.

Ansonsten geht's auch darum, dass nicht unnoetig provoziert werden sollte. Wirkliche Fans dieser Karikaturen, die der Ausloeser waren, gibt's halt nur wenige. Das Recht, diese zu veroeffentlichen, kann man gerne verteidigen; nur wenn man nicht auch die Botschaft, die die Karikaturen tragen, verbreiten will, dann sollte man das anders tun als diese auf oeffentliche Gebaeude zu projizieren.

Ansonsten ist Frankreich halt das atheistischste Land in Europa, und das hat natuerlich auch Folgen fuer die generelle Ausrichtung.
Aus Wikipedia: Laizismus ist ein religionsverfassungsrechtliches Modell, dem das Prinzip strenger Trennung zwischen Religion und Staat zugrunde liegt. Tschechien, Frankreich und Portugal sind die einzigen ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch nach laizistischen Staaten der EU. Am 9. Dezember 1905 wurde in Frankreich das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat verabschiedet. Es realisierte in Frankreich das heute noch geltende Prinzip der vollständigen Trennung von Religion und Staat.

(12-11-2020, 11:23)Sinai schrieb: [ -> ]Frankreichs Laizität – ein gefährliches Modell

Ein Modell kann doch niemals gefährlich sein. Das Problem wird vielmehr daher rühren, dass viele Menschen von außen ins Land gekommen sind, die aufgrund ihres kulturell-religiösen Hintergrunds diese Ausrichtung nicht mittragen wollen.

Es erscheint mir generell diesbzgl. keine ausgeglichene Diskussion zu geben. In den Vordergrund drängeln sich immer radikale Positionen, die lauten Rechten die sagen "Keiner!", die Grünen die sagen "Alle!".
Am besten fand ich das Interview mit Helmut Schmidt zu der Frage. Erstmal klarstellen, dass eine pauschale Ableitung von "Rasse" Blödsinn ist. Dann aber auch klarmachen, dass nicht alle gleich sind, und zwar am Kriterium der Kultur (v.a. dem patriarchalischen Aspekt). Schmidt meinte (wenn ich mich recht erinnere), er hat keine Probleme mit den Tschechen, keine Probleme mit den Polen, aber er hat Probleme mit Türken, Kasachen, Afghanen, weil die kulturellen Unterschiede schlichtweg zu groß sind, und die Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft das bei so vielen Menschen nicht leisten kann. Auch hat er durchblicken lassen, dass man vielleicht doch lieber die Homogenität der Gesellschaft vor den wirtschaftlichen Vorteil hätte stellen sollen. (bei Maischberger +https://youtu.be/tyV0FZ2Dfps?t=68 )
Bei den wahlberechtigten Türken zeigt sich halt immernoch, dass da was im Argen ist (vgl. Abstimmungsbild der Deutschtürken bei der TürkeiWahl).
Und genau das schlägt auch den Franzosen ins Gesicht.
[Nachtrag: Natürlich wurden die Aussagen von Schmidt vielfach missbraucht und vor den rechten Karren gespannt. Er äußerte sich kritisch gegenüber islamischen Kulturen, der Rassebegriff lag ihm natürlich fern. Dafür verantwortlich machte er wohlgemerkt die Politik.]

Davut

(12-11-2020, 16:02)eddyman schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 11:23)Sinai schrieb: [ -> ]Frankreichs Laizität – ein gefährliches Modell

Ein Modell kann doch niemals gefährlich sein. Das Problem wird vielmehr daher rühren, dass viele Menschen von außen ins Land gekommen sind, die aufgrund ihres kulturell-religiösen Hintergrunds diese Ausrichtung nicht mittragen wollen. 

Ein simpler Gastbeitrag in einer österreichischen Zeitung über das französische Verfassungsystem der Laizität ist es nicht wert, jetzt auch noch alle möglichen ausländischen Zeitzeugen ( wie Helmut Schnidt) aufzubieten. Und bei allem Respekt:  Was haben seine Ausschweifungen zu Türken und Afghanen mit dem Laizismus in Frankreich zu tun? Gar nichts.

Menschen, die aus anderen "kulturell-religiösen Hintergründen"  in unser Land wollen, haben die Verfassung hier mitzutragen. Das ist in jedem Land so. Unser Volk hat sie so gewollt. Deren Meinung ist erst gefragt, wenn sie das Wahlrecht ihres Gastlandes erwerben. 

MfG

Gundi

(12-11-2020, 14:19)Davut schrieb: [ -> ]Sie hat mit keinem Wort gefordert, den seit 1905 in Frankreich verfassungsrechtlich geltenden strikten Laizismus, die konsequente Trennung von Religion und Staat also, zu verändern. 

Doch, das tut sie:
"Hingegen erwarten wir heute, vor allem in Frankreich, von Moslems wie von Christen, Juden oder Buddhisten, dass sie die Beleidigung ihres Glaubens dulden: Freiheit ist uns wichtiger als sozialer Frieden."

Damit greift sie exakt die Argumente der Terroristen auf: Glauben wird gegen Freiheit ausgespielt. Sozialer Frieden gegen die Meinungsfreiheit. Und das ganze natürlich ohne Differenzierung innerhalb der gläubigen Communities.

Im letzten Absatz wird sie dann etwas deutlicher:
"Wir sollten einen Konsens in der demokratischen Welt suchen und Allianzen schmieden, statt unsere Feinde zu vermehren. Eine offene, flexible Laizität ist dafür ein effizienteres Mittel."

Was soll denn eine flexible Laizität sein? Wenn man den Forderungen von Gewalttätern nachgibt?
Und wir vermehren unsere Feinde? Das geht schon wieder sehr in Richtung Täter-Opfer-Umkehr (die Meinungsfreiheit ist quasi Schuld am Tod des Lehrers, weil wir dadurch unsere Feinde vermehrt haben).

Gundi

(12-11-2020, 14:41)Ulan schrieb: [ -> ]Der Artikel enthaelt ein Plaedoyer fuer die Laizitaet; es geht nur darum, wie genau die ausgestaltet werden sollte. Der Artikel sieht den Vorteil der Modelle in Schweden, Oesterreich etc. darin, dass ohne komplette Trennung von Staat und Kirche dem Staat mehr Moeglichkeiten an die Hand gegeben sind, bei Kirchen und halt auch muslimischen Organisationen direkt einzugreifen, eine Moeglichkeit, die in Frankreich nicht gegeben ist.

Dieses Argument hinkt imho aber daran, dass ja kaum ein "Eingreifen" stattfindet. Zumindest in Deutschland wird ja dennoch alles den Islamverbänden überlassen. Jetzt soll es einen Zusammenschluss für die deutschsprachige Imamausbildung in D geben. Ditib macht aber nicht mit. Dann kann man es auch direkt lassen.

Dass die Laizität Frankreichs Schuld sei an der Häufung der Terrorakte kann der Artikel imho überhaupt nicht gut begründen.

(12-11-2020, 14:41)Ulan schrieb: [ -> ]Ansonsten geht's auch darum, dass nicht unnoetig provoziert werden sollte.

Solche Argumente finde ich immer ein wenig schockierend.
Nein, darum sollte es in der Diskussion nicht gehen. Keine Provokation der Welt rechtfertigt es, Menschen zu enthaupten. Und warum sollte das zeigen und diskutieren der Mohammed-Karrikaturen (mit Verweis auf muslimische Schüler, dass diese den Raum verlassen können, wenn sie sich dadurch beleidigt fühlen) überhaupt eine Provokation sein?
Es ist schlicht unsinnig, dass man sich aufgrund einer Zeichnung so dermaßen beleidigt fühlt, dass man unschuldige Menschen grausam umbringt.
Und Argumente ala "... ja, aber die Terroristen wurden ja auch provoziert..." zeigt imho lediglich, dass einige Leute mit zweierlei Maß messen.
Man stelle sich mal als Verteidigung von Neonazis vor, sie würden mit dem Bau eines Asylbewerberheims ihren Brandanschlag rechtfertigen. Oder sollen wir jetzt keine Asylbewerberheime mehr bauen, weil es den sozialen Frieden stören könnte?
Für mich ist so etwas einknicken vor den Radikalen.
(12-11-2020, 17:50)Gundi schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 14:19)Davut schrieb: [ -> ]Sie hat mit keinem Wort gefordert, den seit 1905 in Frankreich verfassungsrechtlich geltenden strikten Laizismus, die konsequente Trennung von Religion und Staat also, zu verändern. 

Doch, das tut sie:
"Hingegen erwarten wir heute, vor allem in Frankreich, von Moslems wie von Christen, Juden oder Buddhisten, dass sie die Beleidigung ihres Glaubens dulden: Freiheit ist uns wichtiger als sozialer Frieden."

Damit greift sie exakt die Argumente der Terroristen auf: Glauben wird gegen Freiheit ausgespielt.


Die Autorin des Artikels "Frankreichs Laizität – ein gefährliches Modell" schreibt auch:
"Feigheit ist keine Option. Der Jihadismus und die islamistische Ideologie dahinter müssen bekämpft werden."
Das ist ein kämpferischer Aufruf, der hier per Standard (Auflage 52.000 , plus unzählbare Gratisleser im Internet) verbreitet wird !


Vor einem halben Jahr wäre das undenkbar gewesen.
(12-11-2020, 18:03)Gundi schrieb: [ -> ]Dieses Argument hinkt imho aber daran, dass ja kaum ein "Eingreifen" stattfindet. Zumindest in Deutschland wird ja dennoch alles den Islamverbänden überlassen. Jetzt soll es einen Zusammenschluss für die deutschsprachige Imamausbildung in D geben. Ditib macht aber nicht mit. Dann kann man es auch direkt lassen.

Die Beispiele werden auch eher aus Oesterreich herangezogen. Hier wird ja langsam die Zurueckhaltung abgelegt, wie die umfangreiche Razzia auch bei Fuehrungsleuten der Islamverbaende, Universitaetsprofessoren etc. von vor ein paar Tagen zeigt. Ausgenommen ist aber auch hier Atib, das oesterreichische Gegenstueck von Ditib, was ja in einem von Bion vor ein paar Tagen verlinkten Artikel angeprangert wurde.

(12-11-2020, 18:03)Gundi schrieb: [ -> ]Dass die Laizität Frankreichs Schuld sei an der Häufung der Terrorakte kann der Artikel imho überhaupt nicht gut begründen.

Richtig. Ich habe lediglich versucht, die Darstellung des Artikels im Originalbeitrag geradezuruecken; seine Implikationen teile ich nicht unbedingt.

(12-11-2020, 18:03)Gundi schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 14:41)Ulan schrieb: [ -> ]Ansonsten geht's auch darum, dass nicht unnoetig provoziert werden sollte.

Solche Argumente finde ich immer ein wenig schockierend.
Nein, darum sollte es in der Diskussion nicht gehen. Keine Provokation der Welt rechtfertigt es, Menschen zu enthaupten. Und warum sollte das zeigen und diskutieren der Mohammed-Karrikaturen (mit Verweis auf muslimische Schüler, dass diese den Raum verlassen können, wenn sie sich dadurch beleidigt fühlen) überhaupt eine Provokation sein?
Es ist schlicht unsinnig, dass man sich aufgrund einer Zeichnung so dermaßen beleidigt fühlt, dass man unschuldige Menschen grausam umbringt.
Und Argumente ala "... ja, aber die Terroristen wurden ja auch provoziert..." zeigt imho lediglich, dass einige Leute mit zweierlei Maß messen.
Man stelle sich mal als Verteidigung von Neonazis vor, sie würden mit dem Bau eines Asylbewerberheims ihren Brandanschlag rechtfertigen. Oder sollen wir jetzt keine Asylbewerberheime mehr bauen, weil es den sozialen Frieden stören könnte?
Für mich ist so etwas einknicken vor den Radikalen.

Nun, es ist sicherlich auf keine wie auch immer geartete Art und Weise entschuldbar, dass irgendjemand aus beleidigtem Ehrgefuehl heraus andere Leute umbringt; so funktioniert unsere Gesellschaft nicht mehr (allerdings auch nicht seit so langer Zeit). Angesprochen waren unnoetige Provokationen, wie die genannten Projektionen. Ich finde, auch so etwas sollte zu ertragen sein. Das fuer die Autorin "positive Beispiel" Oesterreichs, wo der Europaeische Gerichtshof fuer Menschenrechte das Verbot einer Filmauffuehrung in Oesterreich billigte, weil diese religioese (hier christliche) Gefuehle beleidigte, finde ich persoenlich gar nicht gut.

Ansonsten gilt, was ich schon gesagt habe: nicht alle Positionen der Autorin wuerde ich unterschreiben wollen, aber man sollte ihre Meinung wenigstens korrekt darstellen.

Davut

(12-11-2020, 17:50)Gundi schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 14:19)Davut schrieb: [ -> ]Sie hat mit keinem Wort gefordert den seit 1905 in Frankreich verfassungsrechtlich geltenden strikten Laizismus .... zu verändern.

Doch, das tut sie:
"Hingegen erwarten wir heute, vor allem in Frankreich, von Moslems wie von Christen, Juden oder Buddhisten, dass sie die Beleidigung ihres Glaubens dulden: Freiheit ist uns wichtiger als sozialer Frieden."
 

Tut sie eben nicht. Mit keinem Wort, wie bereits  oben (in # 3 und 5) behauptet, stellt sie den französisch stringenten Laizismus in Frage. Es ist wiederholt festzustellen, "imho" hin und  "imho" her, dass Du leider nur oberflächlich liest und entsprechend antwortest.

Stattdessen eröfnest Du Nebenkriegsschauplätze auf anderen Feldern. Bitte beim Thema bleiben!

Die Beleidigung des Glaubens ist eine andere Hausnummer, die entsprechend der jeweiligen Landesgesetzebung zu beurteilen und ggfs.  zu ahnden ist. Auch im Deutschen Grundgesetz findet sich dazu eine eindeutige Regelung, gleich am Anfang  in § 4: Was mal in den Gründerjahren nach dem Krieg als Schutz des jüdischen Glaubens gedacht war, bleibt verboten.  Das gilt heute  für alle Religionen, auch den Islam, der 1949 noch keine Rolle spielte.  Und das ist auch gut so.

Es ist übrigens ein Offizialdelikt, das nicht mal einer Anzeige bedarf.

MfG

Gundi

"Wir sollten einen Konsens in der demokratischen Welt suchen und Allianzen schmieden, statt unsere Feinde zu vermehren. Eine offene, flexible Laizität ist dafür ein effizienteres Mittel"

Mich wundert es auch, dass in dem Artikel von Beleidigung und Provokation die Rede ist, nicht aber von Satire und der Problematik der Gewalt im Islam, welche durch Satire aufgegriffen wird.
Und wie darf man es verstehen, wenn geschrieben wird, dass "wir" unsere Feinde vermehren würden?

Laizität funktioniert sicherlich nur dann, wenn alle Menschen gleichermaßen gesellschaftliche Teilhabe haben. In Frankreich gibt es aber viele abgehängte junge Menschen in abgegrenzten Problemgegenden. Dass so etwas für die Freiheitsrechte gegen die Religion nicht gerade förderlich ist bzw. einen guten Nährboden für Rattenfänger und Extremisten liefert, steht außer Frage.
Deswegen funktioniert Laizität alleine im "luftleeren Raum" natürlich nicht. Es ist aber kein Argument gegen Laizität als solche.
(12-11-2020, 21:56)Gundi schrieb: [ -> ]"Wir sollten einen Konsens in der demokratischen Welt suchen und Allianzen schmieden, statt unsere Feinde zu vermehren. Eine offene, flexible Laizität ist dafür ein effizienteres Mittel"

Eine "offene, flexible Laizitaet" ist immer noch eine Laizitaet. Was sie will, ist ein ruecksichtsvoller Umgang miteinander.

(12-11-2020, 21:56)Gundi schrieb: [ -> ]Und wie darf man es verstehen, wenn geschrieben wird, dass "wir" unsere Feinde vermehren würden?

Es geht ihr darum, dass die Anteile der Gesellschaft, die in ihrer Ablehnung von Gewalt auf einer Seite stehen und in der Beziehung natuerliche Verbuendete sind, sich nicht unnoetig antagonisieren sollten.

(12-11-2020, 21:56)Gundi schrieb: [ -> ]Deswegen funktioniert Laizität alleine im "luftleeren Raum" natürlich nicht. Es ist aber kein Argument gegen Laizität als solche.

Dann ist ja gut, dass sie sich nicht gegen die Laizitaet als solche wendet.

Da Du hier, obwohl der Artikel eindeutig die gegenteilige Aussage macht, auf dieser Auslegung bestehst: Schauen wir hier eventuell auf eine Definitionsfrage?

Gundi

(12-11-2020, 22:37)Ulan schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 21:56)Gundi schrieb: [ -> ]"Wir sollten einen Konsens in der demokratischen Welt suchen und Allianzen schmieden, statt unsere Feinde zu vermehren. Eine offene, flexible Laizität ist dafür ein effizienteres Mittel"

Eine "offene, flexible Laizitaet" ist immer noch eine Laizitaet.

Wie sollte so etwas denn aussehen? Und wäre es dann überhaupt noch Laizismus?

Ansonsten habe ich diesen Ausschnitt zitiert, um auf Davuts Behauptung zu reagieren: "Sie hat mit keinem Wort gefordert...die konsequente Trennung von Religion und Staat also, zu verändern."

Das macht sie eben sehr wohl mit ihrem Vorschlag eines offenen, flexiblen Laizismus.

"Offen" und "Flexibel" klingt ja erst mal gut. Am Ende wird es aber auf Einschränkung der Meinungsfreiheit ("Beleidigung"), die staatliche Förderung von Religion hinauslaufen und radikale Gläubige in ihren Forderungen bestärken. Denn was flexibel ist, kann man auch in die eigene gewünschte Richtung biegen.

(12-11-2020, 22:37)Ulan schrieb: [ -> ]Was sie will, ist ein ruecksichtsvoller Umgang miteinander.

Imho eine hohle Phrase. Frage hundert Leute, ob sie einen rücksichtsvollen Umgang miteinander wollen und hundert Leute werden sagen: ja, klar.
Rücksichtnahme legt aber jeder anders aus.


(12-11-2020, 22:37)Ulan schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 21:56)Gundi schrieb: [ -> ]Deswegen funktioniert Laizität alleine im "luftleeren Raum" natürlich nicht. Es ist aber kein Argument gegen Laizität als solche.

Dann ist ja gut, dass sie sich nicht gegen die Laizitaet als solche wendet.

Da Du hier, obwohl der Artikel eindeutig die gegenteilige Aussage macht, auf dieser Auslegung bestehst

Sie bringt den Laizismus als eine Hauptursache für Terror. Das drückt ja bereits der Titel aus "Frankreichs Laizität - ein gefährliches Modell". Die Gefahr geht ihrer Meinung nach also vom Laizismus aus. Und es gibt ja noch mehr solcher Textstellen:

"Das radikale Modell der Laizität Frankreichs schwächt unsere moderne Demokratie, statt sie zu stärken" --> Behauptung ohne jeden Beleg.

"Um die Frage der Laizität, also des Verhältnisses zwischen Staat und Religion in einer modernen Gesellschaft, kommen wir trotzdem nicht herum." --> Warum? Konnte die Autorin nicht beantworten.

"Frankreich hat für sein Modell teuer bezahlt." --> Frankreichs Laizismus ist also quasi mehr oder weniger selber Schuld am Terror

Mir unverständlich, wie man den Artikel anders lesen kann. Der Laizismus wird als Hauptproblem benannt, ohne diese Behauptung belegen zu können und dann werden angebliche Lösungen für dieses konstruierte Problem aufgeführt. Dabei bleibt die Autorin aber vollkommen im Nebulösen (denn was eine offene, flexible Laizität sein soll und wie diese in der Praxis aussehen könnte sagt sie ja nicht). Täter-Opfer-Umkehr und einseitige Betrachtung wird auch noch ein wenig betrieben und voila, fertig ist der Artikel.
Das ganze noch garniert mit unterschwelligem Gruppendenken und absolut fehlender Ausdifferenzierung dieser Gruppen. Beispiel:

"Hingegen erwarten wir heute, vor allem in Frankreich, von Moslems wie von Christen, Juden oder Buddhisten, dass sie die Beleidigung ihres Glaubens dulden".

Sie spricht ausschließlich von Beleidigungen (womit der Täter klar ist, nämlich auch der Zeichner satirischer Karrikaturen) und geht mal eben davon aus, dass sich offenbar alle Mitglieder einer Religionsgemeinschaft gleichermaßen beleidigt fühlen. Mal wieder ein Schlag ins Gesicht für alle aufgeklärten, säkularen Gläubigen (die von den Linken aber ohnehin nicht zur Kenntnis genommen werden).

Weiteres Beispiel für die ungleiche Behandlung von Menschengruppen:

"Dass diese Karikaturen auf Fassaden von öffentlichen Gebäuden in Toulouse und Montpellier projiziert wurden, war eine unnötige Provokation."

Muslime sind laut Autorin offenbar kleine dumme Kinder, die leicht zu provozieren sind und dann komplett ausrasten.
Westliche Nichtmuslime hingegen sollen sich doch bitte wie vernünftige Erwachsene verhalten und nicht provozieren. Und sie sollen natürlich auch so vernünftig sein und sich nicht provozieren lassen (denn man könnte, der Logik der Autorin folgend, die Projektionen auf den Fassaden ja genauso als Reaktion auf die Provokation des Terrors ansehen und das ganze dann umkehren).
Das Phänomen ist bei Linken leider nicht selten anzutreffen: Die unterschiedliche Zuschreibung von Eigenschaften und die damit einhergehende unterschiedliche Bewertung von Taten sowie die unterschiedliche Forderung im Verhalten.
Was mir auffällt, ist die neuerdings aufgeregte Wortwahl - auch hier im Religionsforum. Der User 'Davut' begann den von ihm eröffneten
Thread 'Die Enthauptung von Paris' (Politik und Soziales) gleich im Eröffnungsbeitrag mit dem Satz:

Beitrag #1
(20-10-2020, 12:34)Davut schrieb: [ -> ]Wieder ein islamischer Terroranschlag in Paris.


Ist ja klar, daß die Menschen in Wien und anderswo schockiert sind, aber so eine arge Wortwahl verwendet ja nicht einmal die FPÖ-Wien !

Die blaunen Recken schreiben auf ihrer Homepage ausschließlich vom "islamistischen" Terror
(13-11-2020, 10:35)Gundi schrieb: [ -> ]Wie sollte so etwas denn aussehen? Und wäre es dann überhaupt noch Laizismus?

Ja sicher. Der Begriff Laizismus bezieht sich auf die Trennung von Staat und Kirche/Religion. Ihr Vorschlag tangiert das nicht.

(13-11-2020, 10:35)Gundi schrieb: [ -> ]"Offen" und "Flexibel" klingt ja erst mal gut. Am Ende wird es aber auf Einschränkung der Meinungsfreiheit ("Beleidigung"), die staatliche Förderung von Religion hinauslaufen und radikale Gläubige in ihren Forderungen bestärken.

Der Anfang Deines Satzes stimmt: es ist eine Einschraenkung von Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit ist durch viele Gesetze eingeschraenkt; das ist im Prinzip ein normaler Vorgang. Davut hat in dem Zusammenhang z.B. auf den ersten Grundsatz der deutschen Verfassung hingewiesen, der alle anderen Freiheiten etc. schlaegt: die Wuerde des Menschen ist unantastbar. Also, alles was die Menschenwuerde tangiert, ist in Deutschland prinzipiell untersagt. Wo genau diese Grenze liegt, ist Auslegungssache.

Und in diesem Zusammenhang muss ich dann auch Deiner zweiten Satzhaelfte widersprechen: es handelt sich hier keineswegs um staatliche Foerderung von Religion. Hier ist ein ganz anderes Prinzip angesprochen; es geht um Beleidigung. Wenn ein Staat Gesetze gegen Beleidigung hat, dann gilt das halt auch auf diesem Gebiet. Wie gesagt, wo genau da die Grenze liegt, ist Verhandlungssache. Hier sollte man gedanklich sauber trennen.

(13-11-2020, 10:35)Gundi schrieb: [ -> ]
(12-11-2020, 22:37)Ulan schrieb: [ -> ]Was sie will, ist ein ruecksichtsvoller Umgang miteinander.

Imho eine hohle Phrase. Frage hundert Leute, ob sie einen rücksichtsvollen Umgang miteinander wollen und hundert Leute werden sagen: ja, klar.
Rücksichtnahme legt aber jeder anders aus.

Dass jeder das anders auslegt, ist klar; das macht es aber nicht automatisch zu einer hohlen Phrase. Hast Du Dir die Karikaturen, um die es geht, mal angeschaut?

Was den Rest Deiner Ausfuehrungen angeht, so hat sie ihre Behauptungen schon belegt, wenn auch nurmehr statistisch. Die Validitaet der Behauptungen kann man dadurch sicherlich anzweifeln - ich habe da auch meine Zweifel, weil sie die Rolle des franzoesischen Kolonialismus meiner Meinung nach unterschaetzt.

Aber noch mal hierzu, weil es den Kern ihres Arguments tangiert:

(13-11-2020, 10:35)Gundi schrieb: [ -> ]Muslime sind laut Autorin offenbar kleine dumme Kinder, die leicht zu provozieren sind und dann komplett ausrasten.
Westliche Nichtmuslime hingegen sollen sich doch bitte wie vernünftige Erwachsene verhalten und nicht provozieren.

Hier triffst Du daneben. Es geht bei der zweiten Gruppen nicht um "westliche Nichtmuslime", sondern um den Staat. Die Beispiele von Provokationen, die sie nannte, sind die durch staatliche Stellen. Was uns wieder auf den Ursprung bringt, und warum der Laizismus hier erwaehnt ist: es geht letzlich um den Umgang des Staates mit seinen Buergern, zu denen halt auch viele religioese Menschen gehoeren. Da fordert sie mehr Ruecksichtnahme.

Ein Vorwurf, den man ihr machen koennte, waere, dass sie im Prinzip keinen Loesungsansatz fuer den Angriff auf die Pressefreiheit und die der Erziehung hat, den man hier vor sich hatte. Sollte man solche Karikaturen generell verbieten? Ich denke, das ist falsch. Sollte man das aus dem Unterricht heraushalten? Ich denke, auch nicht; nur, wie soll man Lehrer praktisch schuetzen?

Wahrscheinlich braeuchte man hier eine Behoerde, die sich in die Kommunikation zwischen Lehrern und Schuelern einschaltet. In Deutschland sind die Lehrer ja auch alleingelassen.

(13-11-2020, 10:35)Gundi schrieb: [ -> ]Das Phänomen ist bei Linken leider nicht selten anzutreffen: Die unterschiedliche Zuschreibung von Eigenschaften und die damit einhergehende unterschiedliche Bewertung von Taten sowie die unterschiedliche Forderung im Verhalten.

Ich denke, das ist genau der Punkt, wo Du den Artikel missverstanden hast. Dass man dieses Phaenomen in linken Kreisen beobachten kann, ist sicherlich richtig. Ich denke aber nicht, dass die Autorin hier besondere Rechte fuer Muslime fordert.
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