Hallo :)
Ich besuche zur Zeit eine Informatikschule. Dort habe ich auch Religionsunterricht. Da dies eine Schulform ist, die sehr viel mit Computern zu tun hat, hat die Lehrerin angesprochen, dass die Computersucht einen religiösen Bezug hat.
Sie meinte, dass wir im Internet nachschauen sollen, welcher Bezug das ist, da es nicht in ihrem Lehrplan passt.
Naja, ich hab jetzt einige Stunden gegoogled, aber nichts brauchbares gefunden.
Und selbst eingefallen ist mir auch nichts...Ich mein, Computersucht und Religion... sind doch eigentlich 2 verschiedene Paar Schuhe?
Dann dachte ich, dass ich doch in einem speziellen Forum fragen könnte, das sich mit dem Thema Religion beschäftigt...
Naja, jetzt hoffe ich, dass ihr mir helfen könnt, weil mich das Thema echt brennend interessiert :)
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"Computersucht" ist wahrscheinlich das falsche Wort bzw. der falsche Begriff. Es gibt ein Suchtpotenzial nach Spielen vor allem solchen, bei denen es "immer weiter geht" (Ich nenne sie mal "Ewigkeitsspiele"). Dort besteht ein Gruppenzwang, das "spannende Spiel", wie im richtigen Leben nicht einfach zu beenden.
Glaube akzeptiert und vertraut einer (mythisch verklärten) Werteordnung aus der jeweiligen Religionslehre. Auch dort geht es um Mitmachen, um den Druck der Gruppe. Das hat normalerweise den Sinn in einer Gruppe oder Gesellschaft "sozial zu überleben". Man weiß damit, was man tut und was nicht.
Zurück zu jenen Ewigkeitsspielen am Computer: Auch in der dort vorhandenen Community (Gemeinde) herrschen Regeln, was man tut und was nicht. Und gibt es in der Spiel-Community nicht auch jene Fanatiker, die das Spiel perfektionieren?
Es mag noch mehr Parallelen geben z. B. stereotype Rituale.
Mir fällt in dieser Richtung jedoch ein Gegensatz ein: Mythisch verklärte Regeln (die man gar nicht ohne Weiteres als solche erkennt), geben Halt und reißen Menschen von immer gleichartigen Ritualen weg, hin zu tief empfundener Zugehörigkeit zu realen Menschen.
... nur mal so als Anregung ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Vielen Dank für die Antwort :)
Darauf bin ich nicht gekommen, ich hatte mehr in die Richtung "Glauben" überlegt.
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Hi, Danny :)
Interessante Frage. Ich traf mal auf eine "Designer-Religion" in einem anderen Forum. Es war wohl eine Weiterentwicklung aus den utopischen Weltraum-Filmserien wie "Unternehmen Enterprise". Das Forumsmitglied erzaehlte, sie sei in dieser "Konfession" sehr zufrieden.
Auf deren Website, die ich dann siuchte, war eine Zweitwelt eingerichtet, eine eigen benannte Geografie und verschiedene Laender darin, eine eigene ganze Menschheitsgeschichte mit erfundenen Helden und Herrschern, eine eigene Zeitrechnung auch, und eine Handvoll zu haltende Gebote. - Etwas, was mich zutiefst erschreckte, war die Besondernheit, dass jeder, der an einem bestimmten Datum ihres Kalenders geboren werde, oder wurde, "sterben" muesse.
Das kommt ueber Disketten und dann durch das Internet nun ja schon eine ganze Generation lang eigentlich unbehuetet an die Seelen junger Leute, von denen Familien dachten, sie lernen oder "spielen" halt am Computer - und Familien haben sich lange nicht wirklich dafuer interessiert, was ihre Kinder allein am Computer tun.
Meine Zeit mit Computern begann etwa bei DOS 3.21, das war noch sehr schlicht, man hatte 8 Farben und 8 Farbhintergruende zur Wahl, und mit dem Basic-Programm liessen sich daraus Frage-Antwort-Schleifen bauen, die mich wegen ihrer Wirkung interessierten. Es ist ja so, dass jeden Computer ja schliesslich auch Menschen mit Inhalten versorgt haben, und z.B.reizte es mich oft, stereotype Meldungen, die mein "Rex" (so nannte ich den Computer wegen des Tyrannosaurus rex und einer ziemlich grossen Wolfsspinne, die ich unfreiwillig 7 Jahre im Haus hatte, nachdem sie altergrau geworden und von selbst gestorben war - vorher eindeutig sowas wie Abschied von mir nehmend, gab ich ihr auch einen Namen: Spinner Rex, und schrieb ein Gedicht auf unser gehabtes "Verhaeltnis").
Also ja, den Computer wollte ich durchaus etwas persoenlicher haben, und bastelte Menues und vielerlei, was so wirkte, als sei ich mit jemandem zusammen, der im Prinzip aber ruhig ist und von sich aus gar nichts formuliert, doch gerade das wirkt wie einer der zuhoert, ein Freund, mit dem es nie Streit gibt.
In dieser Hinsicht aehnelte es dem religioesen Verhalten im realen Leben, dass auch G0TT ruhig zuhoert und aktuell nichts neu-formuliert. Von IHM haben wir immerhin einen Stapel Buecher, Bibel genannt, und wenn man sie wirklich sehr viel gelernt hat, kommt etwas zustande wie eine "authentische" Stimme von jemandem, der ueber meine Schulter hinweg interessiert auf all das schaut, worauf ich grad achte, und mir ist klar, dass ER das ebenso mit jedem anderen Menschen tut. Der Unterschied ist doch so, denk ich mir: Allwissenheit, und Allgegenwart, koennte langweilig sein, wenn man Der Schoepfer ist und es sich nicht lernend im Einzelnen "entdeckt", soviele Ausschnitte, soviele wie es Menschen gibt, was wir von allem vermerken, erleben und beantworten, und zwar wie unterschiedlich wir aus unseren Grenzen her darauf antworten - das koennte doch eine Freude sein, wegen der G0TT immer wieder nochmal Menschen ins Leben ruft, um sich mit uns anzufreunden.
Darum besteht unsere Wahrnehmung im Leben aus zweierlei: das Eine, was unsere Sinne bemerken - und das andere, was uns in der Vorstellung auftaucht, als bildhafte Idee, etwa. Und nur G0TT kann es wissen, was genau jedem Menschen dann zu entscheiden vorlag.
Stell Dir jemanden vor, der halluziniert, noch ohne Erfahrung damit, und es waere interessant, wie dieser sich nun dem gegenueber verhaelt, etwas, was nur ihm scheint, als habe er es damit zu tun und es real vor sich. Nimm an, derjenige sieht jemand ins Wasser fallen, ist tapfer und hilfsbereit und springt nun in den Rhein, um dem das Leben zu retten. Die Umgebung saehe ihn lediglich ohne Grund ploetzlich ins Wasser springen. Unser G0TT aber wuesste um seine Motive.
Nun setz das mal auf Computer-Wahrnehmungen um.
Zuerst hatte ich es ja auch nur mit Disketten und den Programmen, und spaeter kam durch AOL und das Internet eine Anzahl real existierender Menschen hinzu, von denen man nichts wirklich weiss, ausser "wie" sie sind, ueber die Jahre hinweg, und da kann man auch richtige Freundschaften knuepfen, von Person zu Person, mit verschiedenen Charakteren - pur geistig also, aber nicht weniger real.
An sich waere ich schon gern bei DOS 6.0 geblieben, wenn auch vieles abstrakt war und die bildlich erreichbaren Darstellungen darin rudimentaer - aber damit habe ich nie ein Problem gehabt, mir vorstellungsmaessig Andeutungen zu ergaenzen, ich war schon als Kind mit einer Knoepfe-Kiste voellig zufrieden, damit zu spielen, denn es liess sich zu allem kombinieren, was ich mir wuenschte. Nun bei DOS 6.0 konnte man sich schon aus Ascii-Zeichen Bilder malen, Trickfilmchen machen, "Hoer"-Spiele schreiben und zu sich selbst interaktiv werden.
Ein Programm in angenehm wechselnden Farben schrieb ich mir damals, das mich z.B.dieselbe Frage 10 mal fragte, und dann die naechste Frage - eine kleine Serie zum Meditieren. Hier uebernahm der Auomat eine Rolle, obwohl der objektiv doch immer dasselbe tat, ich hatte ja diese Fragen selbst eingegeben. Dennoch, die Wahrnehmung reagiert dann so darauf, dass es so wirkt, als sei da jemand anders, dieselbe Frage kommt mir spaetestens ab dem 5.Mal doch wie eine Aufforderung vor, tiefer ueber dies in mich hineinzuhorchen und anders zu antworten als in der ueblichen Floskel, etwa auf die Fragen: "Wer bist Du? - Was tust Du grad? Wo bist Du?"
Das ist ja auch offline eine Methode, in sich bildhafte Vorstellungen anzustossen.
Damit kommt man dem religioesen Sinn des Menschen auch etwas naeher. Der ist uns anbeschaffen. Wir koennen in die Tiefe unserer Vorstellungskraft gehen und Schicht um Schicht genauer beobachten - nachher wird das ein Kosmos nach innen hin, fast groesser als der sichtbare Sternenhimmel wahrnehmbar ist. - Jedenfalls mir geht das so.
Hier ist im Unterschied zu der Beschreibung von Ekkehard auf den ersten Blick doch von Gemeinschaft ja gar nicht die Rede - ich und mein eigenes Basic-Naschdenk-Spiel - und G0TT dabei. Wir sind aber soziale Lebewesen und daher imaginieren wir uns andere Leute hinzu, auch auf diesem Weg mit Computern.
Mein Facit:
Man muss aufpassen, dass man sich vergewissert, wo und wie wirklich die anderen Menschen sind, sonst denkt man sie sich alle allein aus und merkt das kaum. Darum ist es gut, dass dann das Internet mit real existierenden Menschen hinzukam. Diesmal aber sogar fast ohne Raum und Zeit, angenehmer erreichbar, und daher eventuell mehr von derselben "Wellenlaenge" online als offline zu finden. - Aber wenn weg, dann weg.
Eine aus meinem Chat-Freundeskreis ist eines Tages gestorben, wir hatten uns oft allein angeregt unterhalten. Der ihr Sohn hatte dies der anderen Chatfreundin, die ihre Mail-Freundin war, mitgeteilt. Mich kannte er sicherlich kaum. Aber traurig war ich dann auch um sie, die nun nie mehr kaeme.
Ich machte aus Chatprotokollen von Gespraechen mit ihr daher eine Kollage als Homepage zurecht als Gruss an ihren Sohn, denn vielleicht hatte sie "Seiten" bei uns gezeigt, die einem eigenen Sohn so kaum auffallen wuerden. An sich ist es eigenartig, sie wohnte kaum 40km entfernt von mir - die Freundin aber jenseits des Atlantic - und doch war die Chance, sich offline begegnet zu sein, bei beiden gleich gering - nur dass man es halt wusste.
Auch laesst sich zum religioesen Praktizieren der Computer mit Internet gut gebrauchen, wir hatten "online-Kapellen" - wenn man wollte, konnte man per Macro gar auch noch "Kerzen anzuenden", und kann singen, predigen, beten nach Formular oder gemeinsam Themen meditieren, es wirkt nicht unwirklich, aber dennoch etwas "prickelnder", wenn man am Verhalten in einem Chatraum dann merht, dass sogar Andacht bei allen Teilnehmern eintritt.
mfG WiT
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27-05-2009, 09:18
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27-05-2009, 09:18 von Rao.)
Zitat:Da dies eine Schulform ist, die sehr viel mit Computern zu tun hat, hat die Lehrerin angesprochen, dass die Computersucht einen religiösen Bezug hat.
Sie meinte, dass wir im Internet nachschauen sollen, welcher Bezug das ist, da es nicht in ihrem Lehrplan passt.
Wenn`s nicht in ihren Lehrplan paßt, warum stellt sie dann die Frage? Weil sie selber die Antwort darauf wissen möchte, weil sie selber religiös ist und euch da mit den Nasen auf etwas stoßen möchte, oder ist das irgendeine Art von Klassenaufgabe? - Tät` mich jedenfalls interessieren...
Vielleicht ist damit ja einfach gemeint, daß viele Computerspiele, insbesondere aus dem Fantasy-Bereich, jede Menge mythologischer (sprich religiöser) Versatzstücke benutzen, überirdische Mächte, Helden aus alten Legenden, Dämonen, Götter, Paradiese oder Höllen als Schauplätze, "Endzeit-Schlachten", magische Kräfte, "unsterbliche" Figuren etc. etc. ...
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