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(11-03-2012, 00:35)d.n. schrieb: (10-03-2012, 19:03)helmut schrieb: Ist aber ein anderer Fall. Wir reden nicht von irgendwelchen Christen, die von den Aposteln indoktriniert wurden, dass Jesus auferstanden ist, sondern von den Aposteln, die diese Nachricht in die Welt gesetzt haben! Wo ist der Unterschied? kannst du mit 100%er Sicherheit belegen, dass ebendiese Apostel von ihrem "Guru" Jesus nicht ebenso indoktriniert wurden? Etwas genauer: sie wurden so "indoktriniert", dass sie nach seinem Tod, der nach dem damaligen (jüdischen) Weltbild seinen Anspruch widerlegte, plötzlich auf die Idee kamen, er wäre wider lebendig geworden, ne Geschichte vom leeren Grab erfanden und dann auch noch bereit waren, lieber für diese von ihnen selbst erfundene Geschichte zu sterben, statt zu widerrufen?
Paulus kann sich übrigens auf über 500 Leute berufen, die Jesus als Auferstandenen gesehen haben, "von denen die meisten noch leben". Und keiner von denen ist umgekippt, etwa in der Zeit, als Paulus noch versuchte, sie mit Folter und Morddrohungen dazu zu bringen?
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(08-03-2012, 01:20)Bion schrieb: Die Mehrzahl der Fachgelehrten misst dem Selbstzeugnis des Paulus mehr Glaubwürdigkeit als den davon abweichenden Berichten der Apg zu. Du hat bislang noch kein Beispiel für "davon abweichende Berichte der Apg" genannt, weshalb ich es bisher vermieden habe, konkret zu werden. Da aber vermutlich auch von dir nichts mehr dazu kommt, wähle ich mal ein Beispiel aus, wo viele Fachgelehrte eine Abweichung sehen wollen. Wobei ich i.d.R. nicht den Eindruck habe, dass diese Fachgelehrten da selbstständig nachgedacht haben, sondern einfach einer vom anderen abschreibt.
Das Beispiel:
Angeblich soll zwischen der Darstellung der Ereignisse in Gal 1+2 und den entsprechenden Berichten der Apg ein Widerspruch bestehen. Ich gehe das mal der Reihe nach durch, wobei ich der Einfachheit halber auch Punkte erwähne, wo niemand einen Widerspruch postuliert: - Bekehrung von Paulus (Gal 1,15f/Apg 9,1-18): Paulus schreibt so wenig darüber, dass es schon deshalb nicht möglich ist, einen Widerspruch festzustellen.
- Aufenthalt in Arabien (Gal 1,17). Mit "Arabien " ist das Nabatäerreich gemeint, zu dem damals auch (einige Jahre lang) Damaskus gehörte. Ob Paulus in der Umgebung von Damaskus wirkte oder weiter entfernt davon, ist unklar. Lukas schreibt nichts davon, womit die These widerlegt wäre, dass die Apg in irgendeiner Hinsicht einen lückenlosen Bericht liefert (was ich niemals behauptet habe). Aber ein echter Widerspruch ist das nicht.
- Erster Aufenthalt in Jerusalem (Gal 1,18-20; Apg 9,26-30). Paulus geht es um die Apostel, die er getroffen bzw. nicht getroffen hat, und geht in dieser Hinsicht ins Detail, während Lukas gerade in dieser Hinsicht allgemein bleibt. Der scheinbare Widerspruch lässt sich also durch quellenkritische Überlegungen (wozu dienen diese Berichte) auflösen. Die Berichte ergänzen einander.
- Aufenthalt in Syrien-Kilikien (Gal 1,21-23; Apg 9,30-32; 11,25-26). "Syrien und Kilikien" war der offizielle Name der Provinz, zu der auch Tarsus und Antiochia am Orontes gehörten. Weder Paulus noch Lukas schreiben viel darüber.
Einige Gelehrte wollen in Gal 1,22 einen Widerspruch zu Apg 9,28-29 sehen. Dies ist aber nur möglich, wenn Jerusalem zu den in Gal 1,22 genannten Gemeinden gezählt wird - was widerum mit Gal 1,18 in Kontrast steht. Also kein Grund, hier einen Widerspruch zu konstruieren.
- Zweiter Besuch in Jerusalem (Gal 2,1-10; Apg 11,27-30; 12,25) Wieder konzentriert sich Paulus auf das, wozu er den Überblick im Galaterbrief gibt: auf seine Unterredungen mit Petrus, Jakobus und Johannes. Diese Unterredungen waren offenbar nicht öffentlich, weshalb es nicht überrascht, dass sie in der Apg nicht erwähnt werden. Immerhin stimmen Lukas und Paulus darin überein, dass der Anlass für diese Reise eine "Offenbarung" war (Gal 2,2; Apg 11,28-30).
Von einem Widerspruch kann also nur gesprochen werden, wenn quellenkritische Überlegungen konsequent ausgeblendet werden.
- 1. Besuch des Paulus in Galatien (Apg 13,13 - 14,25) Den Galatern muss Paulus nicht erzählen, wann er bei ihnen war. Weshalb das im Galaterbrief nicht erwähnt wird.
- Zwischenfall in Antiochia (Gal 2,11ff) So wie Paulus das einleitet, muss die Geschichte den Galatern schon mehr oder weniger bekannt sein. Da sie die letzte Episode ist, die Paulus berichtet, ist sie offenbar kurz vor Abfassung des Briefs passiert. Dass Lukas sie nicht berichtet, erklärt sich also am Einfachsten daraus, dass sie langfristig weniger wichtig ist.
Diese Episode passt gut in die in Apg 15,1f beschriebene Situation, weshalb es vernünftig ist, anzunehmen, dass der Galaterbrief in dieser Zeit geschrieben wurde - kurz bevor Paulus zum sog. "Apostelkonzil" nach Jerusalem ging.
Warum kommen die Fachgelehrten nicht auf diese Lösung, sondern sehen lauter Widersprüche? Weil ihnen der Sprachgebrauch in Bezug auf das Wort "Galater" (was auch einfach "Einwohner der Provinz Galatien" bedeuten kann) nicht geläufig ist, und einer vom anderen abschreibt. So kommt es, dass Argumente, die in der angelsächsischen Welt als längst widerlegt gelten, im deutschsprachigen Raum gegen die Provinzhypothese vorgetragen werden. Ich empfehle die Lektüre von Hemer (wieder ein Theologe, der von der Geschichtswissenschaft her kommt) oder von Breytenbach (der ist übrigens nicht evangelikal ...).
Die meisten Theologen vergleichen doch einfach nur Gal 1+2 mit Apg 15, was natürlich nur schwer zu vereinbaren ist, ohne sich mit Alternativen näher auseinanderzusetzen. Das Bewusstsein, es besser zu wissen als die konservativen Theologen, hat da zu einer partiellen (Betriebs-)Blindheit geführt.
Du kannst natürlich auch gerne andere "abweichende Berichte der Apg" anführen, an die du gedacht hast, aber rechne damit, dass ich mich vermutlich auch mit denen schon auseinander gesetzt habe
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(12-03-2012, 20:53)helmut schrieb: Der Schluss ist nur zulässig, wenn du prinzipiell ausschließt, dass es Wunder geben kann.
Ja, ich schließe Wunder grundsätzlich aus.
Texte, die in Anspruch nehmen, Geschichtsschreibung zu sein, sollten von Wunderberichten möglichst frei sein.
Zitat:Nur: Warum schließt du diesen Fall aus?
Weil Wunderberichte in antiken Texten nichts Außergewöhnliches sind und geradezu wettgeeifert wurde, die Konkurrenz mit Mirakel-Geschichten zu überbieten und auszustechen.
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(12-03-2012, 21:02)helmut schrieb: Paulus kann sich übrigens auf über 500 Leute berufen, die Jesus als Auferstandenen gesehen haben, "von denen die meisten noch leben".
Gesichert ist nur, dass Paulus das (1Kor 15,4-8) behauptet hat.
Zitat:Und keiner von denen ist umgekippt, etwa in der Zeit, als Paulus noch versuchte, sie mit Folter und Morddrohungen dazu zu bringen?
Ich nehme an, beziehst Du Dich auf Apg 22, 4ff.
Du liest mehr aus dem Text heraus als drinnen steht. Dass einer von denen, die von Paulus verfolgt wurden, den auferstandenen Jesus gesehen hätte, steht, soweit ich mich erinnern kann, nirgendwo.
Auch wie die, die von Paulus verfolgt wurden, gestorben sind, wird, von Stephanus abgesehen, auch nirgendwo berichtet.
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12-03-2012, 23:58
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12-03-2012, 23:58 von d.n..)
(12-03-2012, 21:02)helmut schrieb: Etwas genauer: sie wurden so "indoktriniert", dass sie nach seinem Tod, der nach dem damaligen (jüdischen) Weltbild seinen Anspruch widerlegte, plötzlich auf die Idee kamen, er wäre wider lebendig geworden, ne Geschichte vom leeren Grab erfanden und dann auch noch bereit waren, lieber für diese von ihnen selbst erfundene Geschichte zu sterben, statt zu widerrufen?
Paulus kann sich übrigens auf über 500 Leute berufen, die Jesus als Auferstandenen gesehen haben, "von denen die meisten noch leben". Und keiner von denen ist umgekippt, etwa in der Zeit, als Paulus noch versuchte, sie mit Folter und Morddrohungen dazu zu bringen?
Dasselbe kannst du auch von beliebigen 500 Nordkoreanern erwarten, die entsprechend konditioniert/indoktriniert wurden,...wenn du denen lang genug sagst, Kim steht als "Astralkörper" neben euch und passt auf euch auf, werden die ihn auch sehen und trotz Folter und Tod daran festhalten,..
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(12-03-2012, 22:53)helmut schrieb: Die meisten Theologen vergleichen doch einfach nur Gal 1+2 mit Apg 15, was natürlich nur schwer zu vereinbaren ist, ohne sich mit Alternativen näher auseinanderzusetzen.
Sich auf Deine Weise "mit den Alternativen" auseinandersetzen, heißt doch nichts anderes, als Texte auf Übereinstimmung hinzubiegen, wo keine Übereinstimmung ist.
Oder anders gesagt:
So lange "zu forschen", bis das Wunschergebnis vorliegt.
Zitat:Du kannst natürlich auch gerne andere "abweichende Berichte der Apg" anführen, an die du gedacht hast, aber rechne damit, dass ich mich vermutlich auch mit denen schon auseinander gesetzt habe.
Nein! Die Mühe werde ich mir nicht machen. Du sieht das, wie Du es sehen willst. Es ist eine Minderheitenmeinung, die Du vertrittst. Dass Du die Lehrmeinungen, wie sie auf europäischen Universitäten vorgetragen werden, nicht kennst, nehme ich nicht an.
MfG B.
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(12-03-2012, 23:26)Bion schrieb: Ja, ich schließe Wunder grundsätzlich aus. Da hast du also andere metaphysische Vorurteile als ich.
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(12-03-2012, 23:36)Bion schrieb: (12-03-2012, 21:02)helmut schrieb: Paulus kann sich übrigens auf über 500 Leute berufen, die Jesus als Auferstandenen gesehen haben, "von denen die meisten noch leben". Gesichert ist nur, dass Paulus das (1Kor 15,4-8) behauptet hat. Und wenn dann ein Empfänger sich mal erkundigt hat, wie das mit den 500 war, dann hätte Paulus dumm dagestanden, wenn das nicht stimmt.
(12-03-2012, 23:36)Bion schrieb: Du liest mehr aus dem Text heraus als drinnen steht. Dass einer von denen, die von Paulus verfolgt wurden, den auferstandenen Jesus gesehen hätte, steht, soweit ich mich erinnern kann, nirgendwo.
Auch wie die, die von Paulus verfolgt wurden, gestorben sind, wird, von Stephanus abgesehen, auch nirgendwo berichtet. Hmm, weshalb hat Paulus die dann verfolgt, wenn die nicht so was behauptet haben?
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(12-03-2012, 23:58)d.n. schrieb: Dasselbe kannst du auch von beliebigen 500 Nordkoreanern erwarten, die entsprechend konditioniert/indoktriniert wurden,...wenn du denen lang genug sagst, Kim steht als "Astralkörper" neben euch und passt auf euch auf, werden die ihn auch sehen und trotz Folter und Tod daran festhalten,.. Du argumentierst jetzt mit Fällen, die du selber konstruiert hast, und natürlich auf deinem Weltbild beruhen. Nenn doch mal einen realen Fall, der vergleichbar ist.
Nordkoreaner lernen schon im Kinderalter, dass sie besser tun, was die Partei ihnen sagt. Selbst wenn (was sviw niemals vorgekommen ist) ein Nordkoreaner behauptet, er hätte den Astralkörper des großen Führers oder des geliebten Führers (welchen Kim meintest du?) gesehen, wäre immer noch zu klären, ob er das tatsächlich glaubt oder es nur sagt, um nicht ins Umerziehungslager zu kommen.
Schon das macht diesen (konstruierten!) Fall nicht vergleichbar. Eine Indoktrination von Geburt an und Drohungen wie sie das Regime in Nordkorea darstellt können wir für die erste Generation an Jesusjüngern ausschließen.
Statt mit deinen Fantasien argumentiere lieber mit der Realität: wo ist so was, was dir vorschwebt, schon mal vorgekommen?
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(13-03-2012, 00:01)Bion schrieb: (12-03-2012, 22:53)helmut schrieb: Die meisten Theologen vergleichen doch einfach nur Gal 1+2 mit Apg 15, was natürlich nur schwer zu vereinbaren ist, ohne sich mit Alternativen näher auseinanderzusetzen. Sich auf Deine Weise "mit den Alternativen" auseinandersetzen, heißt doch nichts anderes, als Texte auf Übereinstimmung hinzubiegen, wo keine Übereinstimmung ist. Das "hinbiegen" besteht doch hauptsächlich aus Quellenkritik: feststellen, wozu Paulus Gal 1,13ff schreibt, und das zu berücksichtigen. Nach dem, was ich vorgelegt habe, bringt Paulus einen praktisch lückenlosen Überblick über sein Leben nach seiner Berufung, mit dem Fokus auf seine Begegnungen mit Aposteln. Nach der von dir favorisierten Mehrheitsmeinung nennt Paulus nur ausgewählte Teile seiner Vergangenheit, ohne das klar wird, warum er diese Dinge (z.B. den Aufenthalt in Arabien) nennt und andere nicht.
Für Historiker ist es übrigens Routine, Quellen, die sich scheinbar widersprechen, so zu interpretieren, dass ein konsistentes Bild zustande kommt. Dass Theologen lieber Widersprüche konstruieren, ist eine Besonderheit dieses Fachs.
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(15-03-2012, 13:14)helmut schrieb: Du argumentierst jetzt mit Fällen, die du selber konstruiert hast, und natürlich auf deinem Weltbild beruhen. Nenn doch mal einen realen Fall, der vergleichbar ist.
Nordkoreaner lernen schon im Kinderalter, dass sie besser tun, was die Partei ihnen sagt. Selbst wenn (was sviw niemals vorgekommen ist) ein Nordkoreaner behauptet, er hätte den Astralkörper des großen Führers oder des geliebten Führers (welchen Kim meintest du?) gesehen, wäre immer noch zu klären, ob er das tatsächlich glaubt oder es nur sagt, um nicht ins Umerziehungslager zu kommen.
Schon das macht diesen (konstruierten!) Fall nicht vergleichbar. Eine Indoktrination von Geburt an und Drohungen wie sie das Regime in Nordkorea darstellt können wir für die erste Generation an Jesusjüngern ausschließen.
Statt mit deinen Fantasien argumentiere lieber mit der Realität: wo ist so was, was dir vorschwebt, schon mal vorgekommen?
Ok, Andere Beispiele: Geistertanzbewegung bei den Plains-Indianern, da liefen sie auch in die Kugeln, weil sie glaubten, der Große Geist mache ihre Hemden undurchdringlich, Massenselbstmord verschiedener Sekten, weil sie ihrem jeweiligem Guru blind vertrauten,..(siehe Peoples Temple in Guana, 900 Tote, Sonnentempler),..oder greifen wir weiter zurück,.. siehe Waldenser und Albigenser,..die gingen genauso für ihre Überzeugung auf den Scheiterhaufen,...
Alles in allem: Selbe Münze, andere Seite,..
durch entsprechende Kondition und Indoktrination kann man jeden Menschen in jedem Lebensabschnitt programmieren,..
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15-03-2012, 19:20
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15-03-2012, 19:41 von Bion.)
(15-03-2012, 13:40)helmut schrieb: Für Historiker ist es übrigens Routine, Quellen, die sich scheinbar widersprechen, so zu interpretieren, dass ein konsistentes Bild zustande kommt.
Das so vereinfacht zu behaupten, ist Unfug.
Es ist nicht Aufgabe des Historikers, widerspruchsfreie Bilder zu konstruieren, wenn die Quellen das nicht hergeben.
Im Gegenteil:
Ein verantwortungsbewusster Historiker immer auch anmerken, worin die Schwächen vorgetragener Thesen und Hypothesen bestehen und wo man mangels eindeutiger Befunde spekulative Aussagen macht.
Was Du Dir unter Quellenkritik vorstellst, hast Du ja in einigen Deiner Beiträge anschaulich kundgetan. Wenn Du die Technik der Analyse von Quellen diskutieren willst, können wir dazu ein Thema eröffnen.
Allerdings:
Wenn ich versuche, Fragen zur Klärung auszugliedern, kommt dazu von Dir in der Regel nichts mehr.
Bei Quellen, die einander nur scheinbar widersprechen, wird man die scheinbaren Widersprüche aufklären können. Allerdings widersprechen einander biblische Texte in wesentlichen Dingen nicht scheinbar, sondern offensichtlich.
Evangelikale neigen einerseits dazu, manche Quellen (beispielsweise die Gallio-Inschrift) zu überinterpretieren, andererseits aber jene Dinge, die ihnen nicht ins Konzept passen, entweder gänzlich zu ignorieren oder zumindest kleinzureden.
Beispiele:
1.
Die Gallio-Inschrift, die Du als Beweis für die Authentizität der Apg bemüht hast, sagt nüchtern gesehen nur aus, dass ein Mann namens „Gallio“ (Senecas Bruder) Statthalter der Provinz Achaia gewesen war und der Verfasser der Apg das gewusst hat.
Wenn man, wie es überwiegend angenommen wird, das Zusammentreffen des Statthalters mit Paulus für historisch hält, ist die Gallio-Inschrift ein wichtiges Zeugnis für die Datierung des Aufenthalts des Paulus in Korinth (wahrscheinlich 51, ev. auch 52 nC). Nicht mehr und nicht weniger!
2.
Vergleich die Berichte zum Antiochenischen Streit (Gal 2,11ff. – Apg 11,2f.) und zum Ergebnis des Apostelkonzils (Gal 2,6 – Apg 15,20). Von der Schärfe der Auseinandersetzung ist in der Apg nicht zu lesen. Von den Vorgaben für die Heidenchristen nach Apg weiß Paulus nichts.
3.
Du datierst den Galaterbrief, wenn ich mich richtig erinnere, in das Jahr 48 nC, stellst das als gesichertes Faktum hin und baust darauf Deine Argumente.
Diese Datierung kenne ich von Colin J. Hemer (The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, Tübingen 1989). Hemer meint, Gal wäre um diese Zeit am Orontes verfasst worden. Auf die Frage, warum sich Paulus in dieser Phase seines Wirkens nicht selbst nach Galatien aufgemacht hat, um die offensichtlich gravierenden Probleme zu lösen, bleibt Hemer die Antwort schuldig.
Die Frühdatierung des Galaterbriefs ist unter Theologen und Kirchenhistorikern eine Minderheitenmeinung. Damit ist selbst ein notorischer Frühdatierer wie Klaus Berger (der den Galaterbrief, wie die meisten anderen Fachgelehrten auch, mit 56 nC datiert) nicht einverstanden.
Noch eine Bitte:
Diskutieren wir ein Ding aus, bevor wir innerhalb des Threads ein zweites, drittes, viertes, usw. anreißen.
MfG B.
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(15-03-2012, 18:40)d.n. schrieb: Ok, Andere Beispiele: Geistertanzbewegung bei den Plains-Indianern, da liefen sie auch in die Kugeln, weil sie glaubten, der Große Geist mache ihre Hemden undurchdringlich, Massenselbstmord verschiedener Sekten, weil sie ihrem jeweiligem Guru blind vertrauten,..(siehe Peoples Temple in Guana, 900 Tote, Sonnentempler),..oder greifen wir weiter zurück,.. siehe Waldenser und Albigenser,..die gingen genauso für ihre Überzeugung auf den Scheiterhaufen,... Irgendwie scheinst du den Ausgangspunkt aus den Augen verloren zu haben. Ich habe nie bestreiten wollen, dass Leute von allen möglichen Dingen so überzeugt werden können, dass sie dafür bereit sind zu sterben (wo die Plains-Indianer ja nicht sterben wollten, sondern sich für unverwundbar hielten).
Es ging darum, dass Leute bereit waren, für ne Geschichte zu sterben, die sie selbst in die Welt gesetzt hatten. Also um was anderes als in deinen Beispielen.
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(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Es ist nicht Aufgabe des Historikers, widerspruchsfreie Bilder zu konstruieren, wenn die Quellen das nicht hergeben. Hab ich auch nicht behauptet. Nur wenn die Quellen das hergeben ...
(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: 1.
Die Gallio-Inschrift, die Du als Beweis für die Authentizität der Apg bemüht hast, sagt nüchtern gesehen nur aus, dass ein Mann namens „Gallio“ (Senecas Bruder) Statthalter der Provinz Achaia gewesen war und der Verfasser der Apg das gewusst hat.
Wenn man, wie es überwiegend angenommen wird, das Zusammentreffen des Statthalters mit Paulus für historisch hält, ist die Gallio-Inschrift ein wichtiges Zeugnis für die Datierung des Aufenthalts des Paulus in Korinth (wahrscheinlich 51, ev. auch 52 nC). Nicht mehr und nicht weniger! Hab ich mehr draus gemacht? Ich habe nur darauf hingewiesen, dass gerade die Erwähnung von Gallio in Apg 18,12-17 mal ein Argument gegen die Glaubwürdigkeit der Apg war, als Illustration dazu, dass das Argument "es steht nur in der Bibel, nirgend sonst" noch kein wirkliches Argument gegen die Glaubwürdigkeit einer biblischen Schrift ist.
(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: 2.
Vergleich die Berichte zum Antiochenischen Streit (Gal 2,11ff. – Apg 11,2f.) und zum Ergebnis des Apostelkonzils (Gal 2,6 – Apg 15,20). Hier setzt du voraus, dass der Galaterbrief nach dem Apostelkonzil geschrieben wurde. Ich habe die Gründe genannt, das zu bezweifeln.
(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Von der Schärfe der Auseinandersetzung ist in der Apg nicht zu lesen. Nichts zu lesen stimmt so nicht, in Apg 15,7 wird ein heftigen Streit erwähnt. Nur hat Lukas offensichtlich ein Intreresse, den Streit nicht allzu groß darzustellen.
(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Von den Vorgaben für die Heidenchristen nach Apg weiß Paulus nichts. Als er den Galaterbrief schrieb, wusste er natürlich nicht, was einige Monate (?) später beschlossen wurde. So what?
(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Diese Datierung kenne ich von Colin J. Hemer (The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, Tübingen 1989). Hemer meint, Gal wäre um diese Zeit am Orontes verfasst worden. Auf die Frage, warum sich Paulus in dieser Phase seines Wirkens nicht selbst nach Galatien aufgemacht hat, um die offensichtlich gravierenden Probleme zu lösen, bleibt Hemer die Antwort schuldig. Die Frage stellt sich unabhängig von jeder Datierung, welche würdest du denn nennen? Paulus kann in Antiochia unabkömmlich gewesen sein, nach Gal 2,11ff hatte der Streit in Antiochia offenbar schon begonnen ... Wir können nicht behaupten, dass wir die Gründe kennen, aber es ist nicht schwer, mögliche Gründe zu finden.
Das Buch von Hemer ist übrigens posthum erschienen, in gewissermaßen "unfertigem" Zustand. Da können wir davon ausgehen, dass Hemer darin nicht alles schreibt, was er in einem fertigen Buch (reif zur Veröffentlichung) geschrieben hätte.
(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Die Frühdatierung des Galaterbriefs ist unter Theologen und Kirchenhistorikern eine Minderheitenmeinung. Das gilt sviw nur für den deutschsprachigen Raum. Im englischsprachigen Raum ist die Frühdatierung die Mehrheitsmeinung. Kannst du übrigens bei Breytenbach (Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien) lesen, wenn ich mich richtig erinnere im Vorwort des Buchs.
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(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Wenn ich versuche, Fragen zur Klärung auszugliedern, kommt dazu von Dir in der Regel nichts mehr. Worauf spielst du an? Worauf hättest du gerne eine Antwort?
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