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Bibel - Metapher oder wahre Begebenheiten
(06-02-2014, 00:37)Ulan schrieb:
(06-02-2014, 00:17)bridge schrieb: Hallo Ulan
wo wolle Lukas etwas richtigstellen?
Das ist eher im Vorwort impliziert. Er sagt, "viele haben die Aufgabe in Angriff genommen, einen Bericht über die Dinge abzufassen, die in unserer Mitte geschehen sind... Darum hielt auch ich es für richtig, nachdem ich allem bis zu den Anfängen sorgfältig nachgegangen bin, diese Ereignisse... in geordneter Reihenfolge niederzuschreiben.

Wenn so viele schon geschrieben haben, warum dann die sorgfaeltige Recherche und der Hinweis auf die geordnete Reihenfolge, wenn er nicht denkt, dass die anderen Berichte unzulaenglich sind?

Da er Markus als Grundlage nimmt, ist schon mal klar, dass er die Christologie von Grund auf aendert, wenn auch bei weitem nicht so radikal wie Johannes.

Bei Johannes kann man die Saetze neben die von Markus stellen, und dann kann man sich ueberlegen, warum er oft das Gegenteil behauptet.
Man könnte auch sagen ,du interpretierst das einfach hinein,denn das ist aus Lukas Vorwort nicht rauszuholen.
Das er Markus aus Grundlage nimmt ist nichts weiter als eine bloße Unterstellung .Wieso sollte er es auch tun ,wenn er selbst ganz nahe an der Quelle war.
Er möchte bloß seinem Freund Theophilus ,der weiter weg war,die ganze Geschichte erzählen,und da er Arzt war,also einen wissenschaftliche "Sinn" hat.unterstell ich mal ,macht er den Historiker und erzählt das ganze in der Reihenfolge.

....und wo behauptet Johannes das Gegenteil?
bridge schrieb:Das er Markus aus Grundlage nimmt ist nichts weiter als eine bloße Unterstellung.

Nein! Das ist keine Unterstellung und schon gar keine "bloße". Das ist Stand der Wissenschaft.

(06-02-2014, 01:01)bridge schrieb: Wieso sollte er es auch tun ,wenn er selbst ganz nahe an der Quelle war.

Niemand der Evangelisten "war ganz nah an der Quelle". Die Autoren sind unbekannt. Der einzige Autor des Neuen Testaments, dem mit Sicherheit ein Teil der Briefe zugeordnet werden kann, über denen sein Name steht, ist Paulus.
MfG B.
(06-02-2014, 01:23)Bion schrieb: Niemand der Evangelisten "war ganz nah an der Quelle".

???
(06-02-2014, 01:01)bridge schrieb: Das er Markus aus Grundlage nimmt ist nichts weiter als eine bloße Unterstellung.

Bion wies ja schon darauf hin: das ist eine der wenigen Dinge in der Bibelforschung, wo sich so gut wie alle Bibelforscher einig sind: Markus (plus Q) ist die Grundlage fuer das Matthaeus- und das Lukas-Evangelium. Und die meisten Bibelforscher sind glaeubige Christen; da also mit Atheismus zu kommen, ist ein unberechtigter Vorwurf.

(06-02-2014, 01:01)bridge schrieb: Wieso sollte er es auch tun ,wenn er selbst ganz nahe an der Quelle war.

Wie Bion schon sagte, der Autor des Lukas-Evangeliums ist unbekannt. Ausserdem hier wieder eine Sinnfrage: Warum sollte er recherchieren gehen, wenn er Zeuge war?

(06-02-2014, 01:01)bridge schrieb: ....und wo behauptet Johannes das Gegenteil?

Immer dann, wenn Markus' Schilderung von Jesus nicht seiner Christologie entspricht. Im Markus-Evangelium ist Jesus ein gewoehnlicher Mensch, halt nur rechtschaffen. Er wird bei der Taufe vom Heiligen Geist besessen und damit von Gott adoptiert. Der Heilige Geist treibt ihn auf seinem Weg, und er verlaesst ihn wieder bei seinem Tode. Die Geschichte endet mit einem leeren Grab und ohne Auferstehungslegenden. Die einzigen, die etwas von der Auferstehung mitbekommen, sind ein paar Frauen, und die erzaehlen niemandem etwas darueber.

Im Johannes-Evangelium ist Jesus Gott. Als solcher zeigte er keine Zweifel und keine Angst, und er weicht nicht zurueck (wie die oft zoegerlichen Jesus-Figuren bei Markus und Matthaeus es machen), sondern seine Gegenueber tun das, aus Ehrfurcht. Er ist der grosse Lehrer, der lange Monologe haelt - der Jesus des Markus weigert sich, zu erklaeren; die Leute sollen nicht verstehen. Und so weiter, und so fort. Ich koennte jetzt konkrete Beispiele bringen, aber Du kennst das NT hoffentlich.
(06-02-2014, 01:30)Sinai schrieb:
(06-02-2014, 01:23)Bion schrieb: Niemand der Evangelisten "war ganz nah an der Quelle".

???

Der einzige Autor, den wir kennen, war Paulus, und der hat Jesus nach eigener Aussage nie getroffen, sondern kennt ihn nur aus Visionen.

Alle anderen Texte sind zu spaet, wobei auch einige der Paulus-Briefe aus dem zweiten Jahrhundert stammen, also definitiv nicht von ihm sind.
(06-02-2014, 00:01)Ulan schrieb: Das ist so nicht korrekt, zumindest fuer mich. Ich z.B. benutze den Begriff "Wahrheit" in diesem Zusammenhang nicht, weil er, wie Du korrekt anmerkst, etwas anderes meint als ob der Text historische Begebenheiten beschreibt. Insofern hat das "wahr" in "wahre Begebenheiten" nichts mit dieser Art Wahrheitsbegriff zu tun, wie er fuer die Ermittlung von Glaubensinhalten benutzt wird.
Darum hatte ich das Wort auch in Gänsefüßchen gesetzt. Gerade narrative Texte in heiligen Schriften z.B. werden ja schlicht dadurch wahr, daß man als Leser in den Text hineingenommen wird. Das geht ja in der Bibel selbst schon los (z.B. Anweisungen für den Maggid).

Wahrheit ist also ein vielschichtiger und -deutiger Begriff, und eine Einengung auf die Frage der Historizität dient weder der Verifikation noch der Falsifikation von Glaubensinhalten. Das ergäbe ja auch kaum einen Sinn. Schließlich kenne ich niemanden, der mal von dem Wein probiert hätte, von dem Jesus auf der Hochzeit zu Kana aus Wasser große Mengen hergestellt haben soll. Das Zeug ist also längst ausgetrunken oder schlecht geworden. Was also hätten wir davon, wenn der Bericht der historischen Wahrheit entspricht?

Zitat:Das war dann nicht mehr moeglich, sobald ein Text einen Status als "heilige Schrift" erreicht hatte. Aus einer "heiligen Schrift" loescht man nicht einfach etwas heraus. Das kann man nur machen, bevor sie diesen Status erreicht hat.
Völlig richtig. Aber nun können wir ja kaum davon ausgehen, daß die diversen Phasen der Redaktion jeweils mit dem Ziel einer Kanonbildung erfolgten.

Zitat:Das Diatesseron war so lange okay, als die Texte des spaeteren Neuen Testament noch keinen hohen Stellenwert hatten. Sie wurden geschaetzt, aber waren keine "heilige Schrift". Dass das Diatesseron aus der Mode kam, hatte schlicht Legitimationsgruende. Sobald man den Anspruch erhob, dass nur Texte von tatsaechlichen Zeugen oder ihrer mutmasslichen Schreiber erlaubt waren, musste Tatians Text verschwinden, da hier offensichtlich war, dass dieser keinen apostolischen Ursprung hat. Das ist reine Religionspolitik, sonst gar nichts.
Momeeent! Nicht so schnell! Das Diatessaron war mehrere Jahrhunderte lang in der syrischen Christenheit die Normalversion des Evangeliums, bis es wahrscheinlich von Bischof Rabbula (im Amt 411/2-435) abgeschafft wurde. Dafür kursieren zwei Erklärungen: Entweder eben, daß Tatian als Häretiker galt und sein Diatessaron darum nicht mehr tragbar war, oder ein Bestreben Rabbulas, den in Edessa gängigen Kanon an den der Gesamtkirche anzugleichen. Wobei das eine das andere ja nicht ausschließt. Um 423 soll dann Theodoret von Kyrrhos ca. 200 Diatessaron-Manuskripte gesammelt und vernichtet haben, weil er darin einen häretischen Text erblickte.

So weit, so gut. Klar, die Ereignisse in Edessa stehen in einer gewissen zeitlichen Nähe zum Abschluß der neutestamentlichen Kanonbildung in der zweiten Hälfte des 4. Jh., aber als Reaktion auf diese Entwicklung könnte man höchstens Theodorets Aktion betrachten. Die vorher schon von Edessa ausgehende Zurückdrängung des Diatessarons dürfte eher darin begründet sein, daß Rabbula ganz allgemein versuchte, die in der Region herrschenden Häresien zurückzudrängen. Und dazu gehörte dann anscheinend eben auch alles, was nach Tatian roch, obwohl der ja eigentlich nie offiziell als Häretiker verurteilt wurde.

Zitat:Wie gesagt, wenn Du fuer das Lukas-Evangelium nicht ein Entstehungsdatum in der spaeten zweiten Haelfte des 2. Jahrhunderts annimmst, stammt auch dies noch aus einer Zeit, als an den spaeteren NT-Texten noch heftig herumeditiert wurde, im Kampf um die Deutungshoheit.
Eine Entstehung des Lk-Ev in der späten Hälfte des 2. Jh. ist allein schon wegen des Markion-Kanons kaum wahrscheinlich.

Zitat:Es gab nur eine heilige Schrift: die Septuaginta. (...) Wenn also irgendjemand um diese Zeit etwas schrieb, so war er sich sicherlich dessen bewusst, dass das Rennen darum, was irgendwann fuer die noch werdende Kirche mal heilige Schrift werden koennte, noch voellig offen war.
Das setzt voraus, daß die neutestamentlichen Autoren mit der Intention schrieben, den etablierten Kanon (also die Septuaginta) zu erweitern. Was legt eine solche Annahme nahe? Wenn ich richtig sehe, entsteht die Idee eines spezifisch christlichen, über LXX hinausgehenden Kanons doch erst bei Markion.

Zitat:Die Spaerlichkeit der Texte, die Du erwaehnst, hatte ja auch umgekehrt den Vorteil, dass man Missliebiges recht einfach aus der Zirkulation entfernen konnte. Die gegenseitigen Verfaelschungsvorwuerfe der verschiedenen Lager im spaeten 2. Jahrhundert sprechen Baende.
Ganz so einfach stelle ich es mir nicht vor, spärlich kursierende Texte zu eliminieren. Dazu braucht es schon einen langen Arm. Wer soll den im 1. Jh. gehabt haben? Und Fälschungsvorwürfe aus dem späten 2. Jh. liegen auch lange nach der Abfassung der Evangelien, sagen also nichts über die Intention der Autoren aus.
(06-02-2014, 11:04)Scheingreis schrieb: Völlig richtig. Aber nun können wir ja kaum davon ausgehen, daß die diversen Phasen der Redaktion jeweils mit dem Ziel einer Kanonbildung erfolgten.

Kanonbildung ist zweitrangig, erst einmal geht es um Deutungshoheit (wie gesagt, der Hauptstreitpunkt zwischen den kanonischen Versionen ist die Christologie). Wer es schafft, die bevorzugte Version zu erstellen, wird es irgendwann mal dazu gebracht haben, bei einer eventuellen Kanonwahl ganz vorne mitzuspielen, egal welches formale Kleid diese Kanonwahl jetzt hat. Dass dann Irenaeus es irgendwie schaffte, seine Vorstellung einer Vierzahl durchzusetzen, konnte beim Schreiben ja noch niemand wissen; ausser vielleicht dem Schreiber des Johannes-Evangeliums, der sich zumindest Muehe gab, es von den simpleren Editierungen abzuheben.

(06-02-2014, 11:04)Scheingreis schrieb: Die vorher schon von Edessa ausgehende Zurückdrängung des Diatessarons dürfte eher darin begründet sein, daß Rabbula ganz allgemein versuchte, die in der Region herrschenden Häresien zurückzudrängen. Und dazu gehörte dann anscheinend eben auch alles, was nach Tatian roch, obwohl der ja eigentlich nie offiziell als Häretiker verurteilt wurde.

Religionspolitik eben, wie gesagt.

(06-02-2014, 11:04)Scheingreis schrieb: Eine Entstehung des Lk-Ev in der späten Hälfte des 2. Jh. ist allein schon wegen des Markion-Kanons kaum wahrscheinlich.

Ich sehe es auch als unwahrscheinlich an, das Lukas-Evangelium in die 2. Haelfte des 2. Jahrhunderts zu verlegen, obwohl ich Deine Begruendung nicht teile. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Lukas-Evangelium, zumindest in seiner kanonischen Form, nach Markions Evangelikon geschrieben wurde, auch wenn Markion wahrscheinlich schon eine Vorlage hatte, die er seinerseits editiert hatte. Markions Beschwerde, die Orthodoxen haetten seine Texte genommen und umgeschrieben, hat wahrscheinlich einen wahren Kern; Lk-Apg liest sich einfach zu sehr als eine Reaktion auf Marcionismus. Dass die Vulgate noch ewig Marcions Vorworte zu den Paulus-Briefen enthielt, weist auch in die Richtung, dass seine Texte vollstaendig (ausser den Antithesen natuerlich) in den Kanon integriert wurden, nach heftigem Editieren, versteht sich. Falls Du dann Schwierigkeiten mit der Datierung siehst, nimm einfach mal an, dass Marcions Schriften wahrscheinlich schon geschrieben waren, als er in Rom vorstellig wurde.

(06-02-2014, 11:04)Scheingreis schrieb:
Zitat:Es gab nur eine heilige Schrift: die Septuaginta. (...) Wenn also irgendjemand um diese Zeit etwas schrieb, so war er sich sicherlich dessen bewusst, dass das Rennen darum, was irgendwann fuer die noch werdende Kirche mal heilige Schrift werden koennte, noch voellig offen war.
Das setzt voraus, daß die neutestamentlichen Autoren mit der Intention schrieben, den etablierten Kanon (also die Septuaginta) zu erweitern. Was legt eine solche Annahme nahe? Wenn ich richtig sehe, entsteht die Idee eines spezifisch christlichen, über LXX hinausgehenden Kanons doch erst bei Markion.

Klar, Marcion war der Ausloeser. Deshalb war meine Formulierung etwas vorsichtiger, und bei "Kanon" geht's zunaechst erst einmal darum, was in den Gemeinden vorgelesen wurde, ob nun hl. Schrift der nicht.

(06-02-2014, 11:04)Scheingreis schrieb: Ganz so einfach stelle ich es mir nicht vor, spärlich kursierende Texte zu eliminieren. Dazu braucht es schon einen langen Arm. Wer soll den im 1. Jh. gehabt haben? Und Fälschungsvorwürfe aus dem späten 2. Jh. liegen auch lange nach der Abfassung der Evangelien, sagen also nichts über die Intention der Autoren aus.

Du kannst zunaechst einmal dadurch eliminieren, dass Du konkurrierende Texte im Gebrauch verdraengst, was dazu fuehrt, dass diese nicht mehr kopiert werden. Der andere Punkt ist einer, wo wir schlicht anderer Meinung bezueglich der Form und der Konstanz der Ueberlieferung sind. Ich gehe, wie gesagt, davon aus, dass die Texte bis mindestens Mitte des 2. Jahrhunderts im Fluss waren und staendig geaendert wurden, je nach Absicht des Autor-Kopisten. Matthaeus und Lukas sind ja die besten Beispiele von Kopisten, die dem Text ihre eigene Form gaben, und Marcion gehoert auch dazu, wie auch viele andere, z.B. das Petrusevangelium, das wohl auch meist viel zu spaet datiert wird.
Zitat:Im Johannes-Evangelium ist Jesus Gott. Als solcher zeigte er keine Zweifel und keine Angst, und er weicht nicht zurueck (wie die oft zoegerlichen Jesus-Figuren bei Markus und Matthaeus es machen), sondern seine Gegenueber tun das, aus Ehrfurcht. Er ist der grosse Lehrer, der lange Monologe haelt - der Jesus des Markus weigert sich, zu erklaeren; die Leute sollen nicht verstehen. Und so weiter, und so fort. Ich koennte jetzt konkrete Beispiele bringen, aber Du kennst das NT hoffentlich.

Hallo Ulan
ich bin aber sehr interessiert an konkreten Beispielen...:)
(06-02-2014, 11:57)Ulan schrieb: Kanonbildung ist zweitrangig, erst einmal geht es um Deutungshoheit
So weit würde ich jetzt nicht gehen. Okay, das Lukasproömium klingt ziemlich selbstbewußt. Die bereits stattgehabten Versuche einer Darstellung der Ereignisse hält der Verfasser nicht explizit für unzureichend, aber er hält es immerhin für erforderlich, etwas (völlig?) Neues beizutragen.

Generell bedeutet ein weiteres Evangelium aber nicht das Bestreben, andere Versionen zu verdrängen - selbst dann nicht, wenn man sie bewußt verbessert. Hinter der Diversität unterschiedlicher Versionen desselben Textes oder von Berichten über dieselben Ereignisse stecken häufig so banale Umstände wie z.B. daß ein mit einer Kopie beauftragter Schreiber kein Original zur Verfügung hatte, sondern nur ein Exemplar in einer anderen Sprache, das er übersetzen mußte. Oder es gab zusätzliches Referenzmaterial, das der Kopist in seine Abschrift einarbeitete und was weiß ich was alles. Es gibt von Hunain bin Ishaq eine Übersicht über die ihm bekannten arabischen und syrischen Galen-Übersetzungen, das auf unterschiedlichste Szenarien schließen läßt.

Ich neige also im Hinblick auf ambitionierte Intentionen der Evangelisten erst einmal zur Zurückhaltung.

Zitat:Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Lukas-Evangelium, zumindest in seiner kanonischen Form, nach Markions Evangelikon geschrieben wurde, auch wenn Markion wahrscheinlich schon eine Vorlage hatte, die er seinerseits editiert hatte. Markions Beschwerde, die Orthodoxen haetten seine Texte genommen und umgeschrieben, hat wahrscheinlich einen wahren Kern; Lk-Apg liest sich einfach zu sehr als eine Reaktion auf Marcionismus.
Wesentliche Teile des Doppelwerks als antimarkionitische Reaktion? Auszuschließen ist sowas natürlich nicht, aber mich würde die Begründung schon interessieren.

Zitat:Dass die Vulgate noch ewig Marcions Vorworte zu den Paulus-Briefen enthielt, weist auch in die Richtung, dass seine Texte vollstaendig (ausser den Antithesen natuerlich) in den Kanon integriert wurden, nach heftigem Editieren, versteht sich.
Damit habe ich Schwierigkeiten. Die Sache mit den Vorworten ist, wenn ich richtig sehe, eine These, die ursprünglich von Domitien de Bruyne stammt, in Deutschland v.a. durch Harnack bekannt wurde, sich aber nie etablieren, geschweige denn durchsetzen konnte. Ich habe das aber länger nicht verfolgt und kann daran hier weit draußen auf dem Dorfe leider auch nicht viel daran ändern. Ich laß mich also gern eines Besseren belehren.

Zitat:Du kannst zunaechst einmal dadurch eliminieren, dass Du konkurrierende Texte im Gebrauch verdraengst, was dazu fuehrt, dass diese nicht mehr kopiert werden.
Ganz so einfach ist das nicht. Die Texte wurden ja längst nicht nur schriftlich tradiert (was auch schon schwer genug zu kontrollieren wäre), sondern vor allem auch mündlich. Viele müssen über ein beneidenswertes Gedächtnis verfügt haben. Sowas läßt sich nicht so einfach verdrängen. Im Koran z.B. findest Du aus apokryphen Evangelien bekannte Jesus-Überlieferungen, die anderswo (nämlich dort, wo sich der uns bekannte Kanon durchgesetzt hatte) kaum noch weiter verbreitet wurden, wenn überhaupt. Und in entlegenen Gegenden wie z.B. Finnland haben sich solche Überlieferungen in legendarischer Form bis weit ins 20. Jh. hinein erhalten. Damit haben letztlich nicht irgendwelche Kardinäle oder sonstige Potentaten Schluß gemacht, sondern der Konsum moderner Massenmedien.

Zitat:Ich gehe, wie gesagt, davon aus, dass die Texte bis mindestens Mitte des 2. Jahrhunderts im Fluss waren und staendig geaendert wurden, je nach Absicht des Autor-Kopisten.
Dem habe ich nicht prinzipiell widersprochen und werde mich hüten, das jemals zu tun.
Eine kleine Bemerkung zur Textediskussion, der letzten paar Beiträge:

Geht weit am Thema vorbei und ist vollkommen irrelevant für den Wahrheitsgehalt oder der Bewertung der Bibeltexte.
(06-02-2014, 15:12)Glaurung40 schrieb: Geht weit am Thema vorbei und ist vollkommen irrelevant für den Wahrheitsgehalt oder der Bewertung der Bibeltexte.
Was verstehst Du denn unter dem Wahrheitsgehalt eines Bibeltextes?
Da der Threadautor das Umschreiben von Bibeltexten fuer unerheblich fuer die Beurteilung ihrer Glaubwuerdigkeit haelt, hier nur kurz: Das was Du zu den Vulgate-Vorworten sagst, stimmt, das ist umstritten. Die ganze Angelegenheit mit dem Verhaeltnis des NT-Kanons zu dem Markions stammt, wie Du angedeutet hast, in Deutschland von Harnack, dann spaeter ueber John Knox (Marcion and the New Testament, 1942) bis zu dem recht neuen Buch von Joseph B. Tyson (Marcion and Luke-Acts: A Defining Struggle, 2006). Falls Dich da irgendwelche Details interessieren und Du da nicht dran kommst, kann ich ja mal woanders etwas dazu schreiben.
(06-02-2014, 12:03)bridge schrieb: Hallo Ulan
ich bin aber sehr interessiert an konkreten Beispielen...:)

So allgemeine Sachen, wie dass Johannes die Kreuzigung Jesu um einen Tag und mehrere Jahre verlegt, um einen theologischen Punkt zu machen, reicht Dir anscheinend nicht? Nun gut, ich habe jetzt gerade nur wenig Zeit, aber wenn's Dir um konkrete Stellen geht, kann ich vielleicht heute nacht mal schauen.
(06-02-2014, 16:15)Ulan schrieb: Falls Dich da irgendwelche Details interessieren und Du da nicht dran kommst, kann ich ja mal woanders etwas dazu schreiben.
Ja, mach ruhig mal. Aber laß es jetzt nicht allzusehr in Arbeit ausarten. So lebenswichtig ist es ja auch wieder nicht.
(06-02-2014, 15:30)Scheingreis schrieb:
(06-02-2014, 15:12)Glaurung40 schrieb: Geht weit am Thema vorbei und ist vollkommen irrelevant für den Wahrheitsgehalt oder der Bewertung der Bibeltexte.
Was verstehst Du denn unter dem Wahrheitsgehalt eines Bibeltextes?

Vielleicht mal ein Beispiel:

Die Auferstehung Christi, ist das jetzt eine wahre Geschichte, also real passiert ? Halten wir uns da mal nicht mit Details auf, wie wer denn zuerst am Grab war, ob da jetzt ein Engel den Stein weggeräumt hat oder oder oder...

Die Frage ob es glaubhaft ist, dass ein Toter wieder lebendig wird, hängt wohl davon nicht ab. Auch nicht von den zahlreichen Dokumenten, die seine Anhänger, wann auch immer geschrieben haben.

Das verstehe ich unter Wahrheitsgehalt.


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