(28-08-2010, 00:52)Ekkard schrieb: (27-08-2010, 23:25)Karla schrieb: Wieso braucht eine Religionsgemeinschaft den Anspruch, die einzige Wahrheit zu haben, für ihre Existenz? Kurz: Religion definiert (implizit), was als wahr zu beurteilen ist. Und was bei uns wahr ist, kann anderswo nicht falsch sein. Das hat nichts mit Hass zu tun (dein Beispiel), sondern mit einer einfältigen Logik.
Das geht mir jetzt irgendwie nicht tief genug. Ich frage ja gerade danach, warum jemand zu so einer einfältigen Logik greift. Ein friedfertiger Mensch täte das einfach nicht. Er braucht keinen Sündenbock und keine Projektionsfläche für seine eigenen unerledigten Probleme.
Und ich frage auch danach, warum Religion definiert, was als wahr zu beurteilen ist. Das ist doch gar nicht ihr Wesen. Religiöse Wahrnehmung bedeutet zunächst mal einfach nur, mehr an Verstehen und Erleben oder an Fragestellungen in sich wahrzunehmen als normal. Das hat doch überhaupt nichts mit Wahrheit zu tun.
Den Schritt, den Nachbarn abzuurteilen, weil der auch ähnliche Wahrnehmungen hat, aber nicht genau die gleichen - zu dem muss man überhaupt erst mal fähig werden. Und dazu wird man nicht fähig, wenn man nicht schon ohnehin schlecht drauf ist und nur einen Sündenbock dafür sucht.
(28-08-2010, 00:52)Ekkard schrieb: (27-08-2010, 23:25)Karla schrieb: Und genausowenig, wie England 'wahrer' ist als Frankreich, oder Fußball 'wahrer' ist als Weitsprung, genauso wenig ist eine Religionsgemeinschaft - als Religionsgemeinschaft - wahrer als eine andere. Nun, dies Argument ist nicht stichhaltig, auch wenn es mir gut gefällt.
Was daran soll nicht stichhaltig sein? Das kann man doch überprüfen: dass Religionsgemeinschaften nicht als Religionsgemeinschaften Absolutheitsanspruch erheben. Das ist doch historisch gar nicht richtig.
(28-08-2010, 00:52)Ekkard schrieb: Implizit vorhandene (religiöse) Wahrheiten bedingen bei oberflächlicher Betrachtung, dass andere etwas Falsches zugrunde legen.
Und woran liegt es, dass es Zeiten gibt, wo keiner sich darum schert, was die andere Religion denkt oder auch nicht mit Absolutheitsanpruch winkt - und in den letzten zwanzig Jahren dieser Absolutheitsanspruch massiv gestiegen ist?
Das liegt doch an den Menschen, wie sie jeweils drauf sind. Hass ist vielleicht ein zu starkes Wort gewesen. Aber wenn man wie ich seit Jahren in einem Fundi-Forum mitliest, dann ist der sublimierte Hass gegeneinander mit Händen förmlich zu greifen. Der äußerlich sanfte Ton ist mit leisen Giftspritzen nur so angefüllt.
Es gibt sicher auch hassfreie Ansrpüche, mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft die alleinige Wahrheit zu besitzen. Aber auch sie liegen nicht primär darin, dass Religionsgemeinschaften niemals ohne diesen Anspruch überleben könnten, sondern dass innere Unsicherheit nicht nur zu Hass führt, sondern auch zu anderen Verhaltensweisen.
(28-08-2010, 00:52)Ekkard schrieb: Man muss schon genauer hinsehen, um zu erkennen, dass diese simple, aber offensichtliche Logik einen Denkfehler enthält: Dass nämlich eine religiöse Wahrheit nichts anderes ist als ein intersubjektiver Konsens der betreffenden Gesellschaft (Gemeinde, Kirche).
Wir werden emotionale Beweggründe nicht mit rationalen Nachweisen aus der Welt schaffen können. Man kann einen Mann, der unbedingt seine Frau umbringen will, schwerlich davon abbringen, indem wir ihm sagen, er solle mal seinen Denkfehler erkennen. Er will einfach zuhauen. Vielelicht erinnert sie ihn zu sehr an seine Tante? Darüber macht er sich keinen Kopf. Er will einfach nur einen Druck loslassen.
Und Leute, die solche inneren Spannungen haben, laufen in Religionsgemeinschaften und graben längst vergrabene Absolutheitsansprüche wieder aus, weil sie da ihre Aggressionen oder von mir aus auch Ängste austoben können.
Aber die Religionsgemeinschaft an sich braucht so etwas nicht. Sie wird dazu nur umfunktioniert.
Dass sie die Wahrheit habe und die anderen nicht, ist meines Erachtens ein sehr spätes Produkt, mit dem man Macht über Menschen ausüben kann. Aber Religiolnsgemeinschaft kann auch ohne diese Macht existieren. Sie braucht diese Herrschsucht nicht, um zu überleben.
@Karla
Auf Deine Frage des "warums" verweise ich auf Beitrag #88! - Was ist daran unklar?
Gruß
(28-08-2010, 17:32)alwin schrieb: @Karla
Auf Deine Frage des "warums" verweise ich auf Beitrag #88! - Was ist daran unklar?
Gar nichts. Deine Meinung ist mir klar. Ich habe ja nun meine Meinung dargelegt.
Karla schrieb:Das geht mir jetzt irgendwie nicht tief genug. Ich frage ja gerade danach, warum jemand zu so einer einfältigen Logik greift. Ein friedfertiger Mensch täte das einfach nicht. Er braucht keinen Sündenbock und keine Projektionsfläche für seine eigenen unerledigten Probleme.
Und ich frage auch danach, warum Religion definiert, was als wahr zu beurteilen ist. Das ist doch gar nicht ihr Wesen. Religiöse Wahrnehmung bedeutet zunächst mal einfach nur, mehr an Verstehen und Erleben oder an Fragestellungen in sich wahrzunehmen als normal. Das hat doch überhaupt nichts mit Wahrheit zu tun. Richtig! Das geht meiner Ansicht nach mehr in den Bereich der Psychologie und hat mit Religion nur noch am Rande etwas zu tun, auch wenn es damit (mit religiösen Ansichten) u.U. begründet werden sollte.
Gruß
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-08-2010, 19:24 von petronius.)
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Das geht mir jetzt irgendwie nicht tief genug. Ich frage ja gerade danach, warum jemand zu so einer einfältigen Logik greift
weil er davon überzeugt ist, daß es eine wahrheit gäbe. und das soll ja gar nicht so selten vorkommen. damit zurechtzukommen, daß alles auch ganz anders sein könnte (es also nicht diese letzte sicherheit gibt), fällt vielen schwer und ist zutiefst menschlich
Zitat:Ein friedfertiger Mensch täte das einfach nicht. Er braucht keinen Sündenbock und keine Projektionsfläche für seine eigenen unerledigten Probleme
darum gehts doch gar nicht
Zitat:Und ich frage auch danach, warum Religion definiert, was als wahr zu beurteilen ist. Das ist doch gar nicht ihr Wesen. Religiöse Wahrnehmung bedeutet zunächst mal einfach nur, mehr an Verstehen und Erleben oder an Fragestellungen in sich wahrzunehmen als normal
noch eine interessante neudefinition, was denn "religion" sei. ekkard meint ja, "religion" sei alles, was dem sozialen gemeinwesen dient, du hast jetzt wieder eine neue privatdefinition
für mich klingt die zu sehr danach, daß es "religion" sei, wenn ich eine tüte inhaliere. dann habe ich nämlich auch andere einsichten und erlebnisse als "normal". im fall der "religion" halte ich mich da doch lieber an die landläufige definition - die mit dem transzendenzbezug
Zitat:Das hat doch überhaupt nichts mit Wahrheit zu tun.
Den Schritt, den Nachbarn abzuurteilen, weil der auch ähnliche Wahrnehmungen hat, aber nicht genau die gleichen - zu dem muss man überhaupt erst mal fähig werden. Und dazu wird man nicht fähig, wenn man nicht schon ohnehin schlecht drauf ist und nur einen Sündenbock dafür sucht
unsinn. wenn ich davon überzeugt bin, daß der volksdümmliche lärm, den mein nachbar sich vorzugsweise reinzieht, nichts mit echter musik zu tun hat, suche ich keinen sündenbock - habe aber ein anderes musikverständnis als er
Zitat:Das kann man doch überprüfen: dass Religionsgemeinschaften nicht als Religionsgemeinschaften Absolutheitsanspruch erheben. Das ist doch historisch gar nicht richtig
:huh:
dann haben die ketzer auf den scheiterhaufen nur gebrannt, weil nicht genug holz da war, oder wie?
Zitat:Und woran liegt es, dass es Zeiten gibt, wo keiner sich darum schert, was die andere Religion denkt oder auch nicht mit Absolutheitsanpruch winkt - und in den letzten zwanzig Jahren dieser Absolutheitsanspruch massiv gestiegen ist?
Das liegt doch an den Menschen, wie sie jeweils drauf sind
klar. und das wiederum hängt wesentlich davon ab, was ihnen eingebläut wurde
Zitat:Und Leute, die solche inneren Spannungen haben, laufen in Religionsgemeinschaften und graben längst vergrabene Absolutheitsansprüche wieder aus, weil sie da ihre Aggressionen oder von mir aus auch Ängste austoben können
das ist mir dann doch zu billig
ich habe etliche gläubige kennenlernen dürfen, die natürlich davon überzeugt sind, das (einzig) wahre zu glauben, aber deshalb nie auf die idee gekommen wären, das aggressiv zu promoten
Zitat:Aber die Religionsgemeinschaft an sich braucht so etwas nicht. Sie wird dazu nur umfunktioniert
jede gemeinschaft braucht ein abgrenzungsmerkmal. sonst ist sie keine
Zitat:Aber Religiolnsgemeinschaft kann auch ohne diese Macht existieren. Sie braucht diese Herrschsucht nicht, um zu überleben
beispiel bitte
mir fällt jetzt keins ein
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Ein radikalisierter, absolutistischer Anspruch (Bewußtsein) eines Menschen, benötigt möglicherweise Bestätigung darin, indem er den Widerstand - auch Abgrenzung - des Anderen sucht. In dem Fall benötigt ein konstruierter Absolutheitsanspruch eines Menschen (Anhänger einer Religion), die geeignete Projektionsfläche als Bestätigung eigenen Denkens und Handelns.
Karla schrieb:Ich frage ja gerade danach, warum jemand zu so einer einfältigen Logik greift Ich bezweifele, ob es für den Betreffenden eine solch einfältige Logik ist!
Gruß
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: unsinn.
Ich schrieb über meine Erfahrungen und meine Schlüsse daraus. Es steht Dir nicht zu, darüber zur urteilen, ob es Unsinn ist oder nicht.
Wenn Du noch immer nicht begriffen hast, wie man fair diskutiert, dann ist dieses Forum hier noch immer nicht meine Wellenlänge.
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: darum gehts doch gar nicht
Das entscheidest nicht Du, worum es mir bei diesem Thema geht.
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: noch eine interessante neudefinition, was denn "religion" sei.
Ich habe nicht definiert, sondern meine Beobachtungen geschildert. Dein Zynismus macht wirklich jegliche ehrliche Diskussion kaputt. Was hast Du davon? Wozu brauchst Du das?
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: für mich klingt die zu sehr danach
Fühlst Du Dicn noch immer als Gewissenüberprüfer der Menschheit? Wer nicht denkt wie Du, bei dem stimmt was nicht?
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: halte ich mich da doch lieber an die landläufige definition - die mit dem transzendenzbezug
Halte Dich wirklich gerne an das, was Dir entspricht. Und lass anderen Leuten ihre Meinung, ohne dass Du Du glaubst, man hätte Dich beeinflussen wollen.
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: :huh:
Dein Diskussionsniveau ist berauschend.
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: das ist mir dann doch zu billig
Das ist für mich ein Kompliment. Aber ich werde Dich nicht mehr mit meinem billigen Kram belästigen. Vor Dir als Wachhund und Aufpasser darüber, dass keiner anderes formuliert als was Dir erfassber ist, laufe ich lieber weg.
(28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: beispiel bitte
Nö, danke.
Ich bin jetzt wieder weg aus diesem Forum und guck so in einem Jahr mal nach, ob noch immer der Oberaufpasser petronius hier einem jegliche Freude am Sicheinbringen nimmt.
Tschüs,
Karla
Karla,
komm setz Dich noch für einen Moment hin und bedenke (das ist eine Bitte), wie nährend ein Mensch wie Du, auf so manch anderen Menschen wirken kann. Dieses Gute, das aus Deinen Gedanken und Erfahrungen erkennbar ist, schenkt Deinen Mitmenschen vielleicht den einen oder anderen wertvollen Impuls oder was auch immer. Ausserdem wird ein Ort ärmer, wenn ein Mensch geht. Dieser Ort wäre ärmer und ich spüre ein trauriges Gefühl im Herzen.
Ebru
(28-08-2010, 16:31)petronius schrieb: [quote='agnostik' pid='88757' dateline='1283003275']
Im Hinduismus bestehen die verschiedensten Religionen seit Jahrtausenden nebeneinander
echt jetzt?
und was heißt das konkret?
wenn ich zu einem hindu gehe und sage: vischnu gibts ebenso wenig wie shiva und sonstige götter, es gibt nur jahwe und wer seinem ohn nicht folgt, der ist verdammt in alle ewigkeit - dann wird er mir um den hals fallen und mich als bruder im religiösen geiste begrüßen?
[quote]
Wohl nicht - denn damit wärst Du wohl nicht sein Bruder im religiösen Geist.
Aber das Christentum z. B. ist durchaus akzeptiert. Zumindest als Religion ist es das - die Kastenlosigkeit, die es impliziert, ist evtl. eine andere Frage.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-08-2010, 21:53 von petronius.)
(28-08-2010, 19:47)Karla schrieb: (28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: unsinn.
Ich schrieb über meine Erfahrungen und meine Schlüsse daraus. Es steht Dir nicht zu, darüber zur urteilen, ob es Unsinn ist oder nicht
nein
du schriebst darüber, wie du andere bzw. deren verhalten beurteilst
und ich halte deine folgerungen für unsinnig
Zitat:Wenn Du noch immer nicht begriffen hast, wie man fair diskutiert, dann ist dieses Forum hier noch immer nicht meine Wellenlänge
das kannst du halten wie ein dachdecker
wenn es dir zusteht, menschen, die von der "wahrheit" ihres glaubens überzeugt sind, als haßerfüllte individuen abzuqualifizieren, die nur einen sündenbock als projektionsfläche für ihre eigenen unerledigten probleme suchen, dann steht es mir genauso zu, dies für unsinn zu halten
aufgrund meiner erfahrungen und schlüsse daraus
Zitat: (28-08-2010, 19:22)petronius schrieb: darum gehts doch gar nicht
Das entscheidest nicht Du, worum es mir bei diesem Thema geht
ich meine zu erkenne, worum es ekkard geht, auf den du geantwortet hast
und ich weiß, worum es mir geht
Zitat:Ich habe nicht definiert, sondern meine Beobachtungen geschildert
selbstverständlich hast du definiert, was "religion" sein soll - für dich
Zitat:Fühlst Du Dicn noch immer als Gewissenüberprüfer der Menschheit? Wer nicht denkt wie Du, bei dem stimmt was nicht?
keine ahnung, was bei dir nicht stimmt
denn nichts dergleichen habe ich gesagt
Zitat:Nö, danke
wenn du noch nicht mal ein beispiel für eine religionsgemeinschaft anführen kannst, die ohne anspruch auf die "wahrheit" auskommt, erlaube ich mir, deine diesbezüglichen ausführungen als bloßes geschwafel zu betrachten
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-08-2010, 21:54 von petronius.)
(28-08-2010, 20:22)agnostik schrieb: (28-08-2010, 16:31)petronius schrieb: wenn ich zu einem hindu gehe und sage: vischnu gibts ebenso wenig wie shiva und sonstige götter, es gibt nur jahwe und wer seinem ohn nicht folgt, der ist verdammt in alle ewigkeit - dann wird er mir um den hals fallen und mich als bruder im religiösen geiste begrüßen?
Wohl nicht - denn damit wärst Du wohl nicht sein Bruder im religiösen Geist
aber christ
"du sollst nicht andere götter haben neben mir"
(28-08-2010, 20:22)agnostik schrieb: Aber das Christentum z. B. ist durchaus akzeptiert. Zumindest als Religion ist es das - die Kastenlosigkeit, die es impliziert, ist evtl. eine andere Frage.
was heißt "akzeptiert"?
wie "akzeptiert" der islam bei hindus ist, kann man ausweislich regelmäßiger pogrome an muslimen in indien ja immer wieder feststellen. und christen berichten ähnliches
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Liebe Karla,
ich fange mal mit dem Wesen von Religion an. Das, was du da schreibst, entspricht meiner Erfahrung und Kenntnis nur zum Teil.
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: () ich frage () danach, warum Religion definiert, was als wahr zu beurteilen ist. Das ist doch gar nicht ihr Wesen. Religiöse Wahrnehmung bedeutet zunächst mal einfach nur, mehr an Verstehen und Erleben oder an Fragestellungen in sich wahrzunehmen als normal. Das hat doch überhaupt nichts mit Wahrheit zu tun. Ich verweise auf die Grundsatzdiskussion zum Thema „Wahrheit“ im Forum Philosophie. Die Religionslehren dieser Welt geben im Allgemeinen einen Mythos vor und einen Verhaltenskodex – schön vermischt, damit es nicht auffällt. Man kann sogar sagen, der Verhaltenskodex wird in mythischen Vorstellungen verpackt. (Petronius spricht vom Transzendenten.) Was du beschreibst, ist die Reaktion auf Religion, also Glaube. Ohne Religion wüssten wir überhaupt nicht, was als richtig und was als verwerflich zu gelten hat, oder was man tut, und was man besser bleiben lässt. Man kann dies verallgemeinern auf den Begriff der Verantwortlichkeit. Dadurch dass jemand an eine absolut vorgegebene transzendente Gestalt glaubt, wird er oder sie verantwortlich vor dieser Gestalt – im biblischen Gewand explizit genannt: vor Gott im Endgericht. Ein Kennzeichen unserer Gesellschaft ist Verantwortungslosigkeit. Wie kann man beispielsweise mit überdimensionierten Laserstiften auf Fahrzeug- oder Flugzeugführer zielen?
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Ich frage ja gerade danach, warum jemand zu so einer einfältigen Logik greift. Ein friedfertiger Mensch täte das einfach nicht. Er braucht keinen Sündenbock und keine Projektionsfläche für seine eigenen unerledigten Probleme. Richtig; ich hatte auch nur ein Modell geschildert, wie ein Absolutheitsanspruch zustande kommt, wie wir ihn im (römischen) Katholizismus definitiv vorfinden. Die Logik habe ich mir in Vorträgen live angehört. Sie ist so simpel!
Deine Sündenbockvorstellungen mögen für einzelne Personen gelten, aber nicht für die Organisation „r.k. Kirche“
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Das kann man doch überprüfen: dass Religionsgemeinschaften nicht als Religionsgemeinschaften Absolutheitsanspruch erheben. Das ist doch historisch gar nicht richtig. Aber sicher doch! Genau das müssen römisch katholische Christen ihrem Glauben gemäß vertreten. Jesu Tod ist die universelle Erlösungstat. Es gibt keine andere. Dies ist nicht einmal bös gemeint sondern heiliger Ernst, der in der Regel auch zu keinerlei Aggressionen Anlass gibt, obwohl andere Auffassungen verworfen werden.
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Und woran liegt es, dass es Zeiten gibt, wo keiner sich darum schert, was die andere Religion denkt oder auch nicht mit Absolutheitsanspruch winkt - und in den letzten zwanzig Jahren dieser Absolutheitsanspruch massiv gestiegen ist? Moment, der Anspruch ist Bestandteil der Bibel, bestand also bereits „immer“. Dass der Anspruch wieder zunehmend vertreten wird, liegt am Zerfall der großen Religionsgemeinschaften zugunsten zunächst von Glaubenslosen, die zum Teil von Splittergruppen aufgesogen werden. M. E. hat das mit der Strenge und Enge dieser Gruppen zu tun. Es ist einfach so, dass vielen Menschen der Halt fehlt, die Wahrheit eben. Ich behaupte, eine solche Wahrheit gibt es nicht. Man kann nur in einem Akt der Konsensfindung solche Wahrheiten etablieren – und genau das macht die Bibel mehr oder weniger implizit, weil sie im Glauben als Wort Gottes angesehen wird.
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Hass ist vielleicht ein zu starkes Wort gewesen. Aber wenn man wie ich seit Jahren in einem Fundi-Forum mitliest, dann ist der sublimierte Hass gegeneinander mit Händen förmlich zu greifen. Der äußerlich sanfte Ton ist mit leisen Giftspritzen nur so angefüllt.
Es gibt sicher auch hassfreie Ansprüche, mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft die alleinige Wahrheit zu besitzen. Aber auch sie liegen nicht primär darin, dass Religionsgemeinschaften niemals ohne diesen Anspruch überleben könnten, sondern dass innere Unsicherheit nicht nur zu Hass führt, sondern auch zu anderen Verhaltensweisen. Diese Beobachtung kann ich nur zur Kenntnis nehmen. „Innere Unsicherheit“ ist nicht eben das Merkmal streng gläubiger Menschen, sondern die sichere Überzeugung, die richtigen Prioritäten gesetzt zu haben. Ein tiefgläubiger Fundamentalist erlebt die Welt in fest gefügten Strukturen. Deswegen kann er sanft reagieren, mit stetigem Druck auf seine Mitmenschen, die Prioritäten ebenfalls genauso fundamental aufzurichten.
(28-08-2010, 00:52)Ekkard schrieb: Man muss schon genauer hinsehen, um zu erkennen, dass diese simple, aber offensichtliche Logik einen Denkfehler enthält: Dass nämlich eine religiöse Wahrheit nichts anderes ist als ein intersubjektiver Konsens der betreffenden Gesellschaft (Gemeinde, Kirche).
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Wir werden emotionale Beweggründe nicht mit rationalen Nachweisen aus der Welt schaffen können. Nun, natürlich nicht! Es geht doch nur um eine Modellvorstellung, welche die Reaktion eines Fundamentalisten verständlich macht. Dessen subjektives Erleben kennen wir im Einzelnen gar nicht. Hier geht es darum, wie Fundamentalismus funktionieren könnte. Dass dabei auch eine psychische „Druckentlastung“ stattfinden kann, bestreite ich nicht. Klar, das Leben in einer Gemeinschaft mit klaren, eindeutigen Regeln ist einfacher als Teilnahme an unserer multikulturellen, offenen Gesellschaft!
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Und Leute, die solche inneren Spannungen haben, laufen in Religionsgemeinschaften und graben längst vergrabene Absolutheitsansprüche wieder aus, weil sie da ihre Aggressionen oder von mir aus auch Ängste austoben können. Richtig; aber ich möchte dies weniger emotional aufgeladen betrachten. Dass eine Religionsgemeinschaft Abgrenzung nach Außen oder Absolutheitsansprüche ihrer Lehre brauchte, halte ich ebenfalls für ein unzutreffendes Gerücht. Die r.k. Kirche und eine Reihe von Erweckungsbewegungen haben diesen Anspruch aber nun mal. Ich war einfach der Frage nachgegangen, wie man sich vorstellen kann, wie das kommt. Und wenn man dies weiß, welche Argumente es dagegen gibt. Mein Hauptargument für Menschen guten Willens ist: Eine religiöse Wahrheit (bitte nicht missverstehen: Es gibt deren Hunderte!) gilt nur innerhalb der entsprechenden Konsensgemeinschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(29-08-2010, 00:11)Ekkard schrieb: Liebe Karla,
ich fange mal mit dem Wesen von Religion an. Das, was du da schreibst, entspricht meiner Erfahrung und Kenntnis nur zum Teil.
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: () ich frage () danach, warum Religion definiert, was als wahr zu beurteilen ist. Das ist doch gar nicht ihr Wesen. Religiöse Wahrnehmung bedeutet zunächst mal einfach nur, mehr an Verstehen und Erleben oder an Fragestellungen in sich wahrzunehmen als normal. Das hat doch überhaupt nichts mit Wahrheit zu tun. Ich verweise auf die Grundsatzdiskussion zum Thema „Wahrheit“ im Forum Philosophie. Die Religionslehren dieser Welt geben im Allgemeinen einen Mythos vor und einen Verhaltenskodex – schön vermischt, damit es nicht auffällt. Man kann sogar sagen, der Verhaltenskodex wird in mythischen Vorstellungen verpackt. (Petronius spricht vom Transzendenten.) Was du beschreibst, ist die Reaktion auf Religion, also Glaube. Ohne Religion wüssten wir überhaupt nicht, was als richtig und was als verwerflich zu gelten hat, oder was man tut, und was man besser bleiben lässt. Man kann dies verallgemeinern auf den Begriff der Verantwortlichkeit. Dadurch dass jemand an eine absolut vorgegebene transzendente Gestalt glaubt, wird er oder sie verantwortlich vor dieser Gestalt – im biblischen Gewand explizit genannt: vor Gott im Endgericht. Ein Kennzeichen unserer Gesellschaft ist Verantwortungslosigkeit. Wie kann man beispielsweise mit überdimensionierten Laserstiften auf Fahrzeug- oder Flugzeugführer zielen?
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Ich frage ja gerade danach, warum jemand zu so einer einfältigen Logik greift. Ein friedfertiger Mensch täte das einfach nicht. Er braucht keinen Sündenbock und keine Projektionsfläche für seine eigenen unerledigten Probleme. Richtig; ich hatte auch nur ein Modell geschildert, wie ein Absolutheitsanspruch zustande kommt, wie wir ihn im (römischen) Katholizismus definitiv vorfinden. Die Logik habe ich mir in Vorträgen live angehört. Sie ist so simpel!
Deine Sündenbockvorstellungen mögen für einzelne Personen gelten, aber nicht für die Organisation „r.k. Kirche“
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Das kann man doch überprüfen: dass Religionsgemeinschaften nicht als Religionsgemeinschaften Absolutheitsanspruch erheben. Das ist doch historisch gar nicht richtig. Aber sicher doch! Genau das müssen römisch katholische Christen ihrem Glauben gemäß vertreten. Jesu Tod ist die universelle Erlösungstat. Es gibt keine andere. Dies ist nicht einmal bös gemeint sondern heiliger Ernst, der in der Regel auch zu keinerlei Aggressionen Anlass gibt, obwohl andere Auffassungen verworfen werden.
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Und woran liegt es, dass es Zeiten gibt, wo keiner sich darum schert, was die andere Religion denkt oder auch nicht mit Absolutheitsanspruch winkt - und in den letzten zwanzig Jahren dieser Absolutheitsanspruch massiv gestiegen ist? Moment, der Anspruch ist Bestandteil der Bibel, bestand also bereits „immer“. Dass der Anspruch wieder zunehmend vertreten wird, liegt am Zerfall der großen Religionsgemeinschaften zugunsten zunächst von Glaubenslosen, die zum Teil von Splittergruppen aufgesogen werden. M. E. hat das mit der Strenge und Enge dieser Gruppen zu tun. Es ist einfach so, dass vielen Menschen der Halt fehlt, die Wahrheit eben. Ich behaupte, eine solche Wahrheit gibt es nicht. Man kann nur in einem Akt der Konsensfindung solche Wahrheiten etablieren – und genau das macht die Bibel mehr oder weniger implizit, weil sie im Glauben als Wort Gottes angesehen wird.
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Hass ist vielleicht ein zu starkes Wort gewesen. Aber wenn man wie ich seit Jahren in einem Fundi-Forum mitliest, dann ist der sublimierte Hass gegeneinander mit Händen förmlich zu greifen. Der äußerlich sanfte Ton ist mit leisen Giftspritzen nur so angefüllt.
Es gibt sicher auch hassfreie Ansprüche, mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft die alleinige Wahrheit zu besitzen. Aber auch sie liegen nicht primär darin, dass Religionsgemeinschaften niemals ohne diesen Anspruch überleben könnten, sondern dass innere Unsicherheit nicht nur zu Hass führt, sondern auch zu anderen Verhaltensweisen. Diese Beobachtung kann ich nur zur Kenntnis nehmen. „Innere Unsicherheit“ ist nicht eben das Merkmal streng gläubiger Menschen, sondern die sichere Überzeugung, die richtigen Prioritäten gesetzt zu haben. Ein tiefgläubiger Fundamentalist erlebt die Welt in fest gefügten Strukturen. Deswegen kann er sanft reagieren, mit stetigem Druck auf seine Mitmenschen, die Prioritäten ebenfalls genauso fundamental aufzurichten.
(28-08-2010, 00:52)Ekkard schrieb: Man muss schon genauer hinsehen, um zu erkennen, dass diese simple, aber offensichtliche Logik einen Denkfehler enthält: Dass nämlich eine religiöse Wahrheit nichts anderes ist als ein intersubjektiver Konsens der betreffenden Gesellschaft (Gemeinde, Kirche).
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Wir werden emotionale Beweggründe nicht mit rationalen Nachweisen aus der Welt schaffen können. Nun, natürlich nicht! Es geht doch nur um eine Modellvorstellung, welche die Reaktion eines Fundamentalisten verständlich macht. Dessen subjektives Erleben kennen wir im Einzelnen gar nicht. Hier geht es darum, wie Fundamentalismus funktionieren könnte. Dass dabei auch eine psychische „Druckentlastung“ stattfinden kann, bestreite ich nicht. Klar, das Leben in einer Gemeinschaft mit klaren, eindeutigen Regeln ist einfacher als Teilnahme an unserer multikulturellen, offenen Gesellschaft!
(28-08-2010, 17:21)Karla schrieb: Und Leute, die solche inneren Spannungen haben, laufen in Religionsgemeinschaften und graben längst vergrabene Absolutheitsansprüche wieder aus, weil sie da ihre Aggressionen oder von mir aus auch Ängste austoben können. Richtig; aber ich möchte dies weniger emotional aufgeladen betrachten. Dass eine Religionsgemeinschaft Abgrenzung nach Außen oder Absolutheitsansprüche ihrer Lehre brauchte, halte ich ebenfalls für ein unzutreffendes Gerücht. Die r.k. Kirche und eine Reihe von Erweckungsbewegungen haben diesen Anspruch aber nun mal. Ich war einfach der Frage nachgegangen, wie man sich vorstellen kann, wie das kommt. Und wenn man dies weiß, welche Argumente es dagegen gibt. Mein Hauptargument für Menschen guten Willens ist: Eine religiöse Wahrheit (bitte nicht missverstehen: Es gibt deren Hunderte!) gilt nur innerhalb der entsprechenden Konsensgemeinschaft.
Ich sehe das diametral entgegengesetzt.
Jesus hat gesagt/soll esagt haben  "Mein Reich ist nicht von dieser Welt".
Sinngemäß sagen das alle Religionen.
Das ist es, was die Menschen, die überhaupt religös interessiert sind, suchen und auch in ihrem Glauben zumindest zum Teil bekommen. Die Möglichkeit, die dadurch gegeben ist, eine Struktur ihres eigenen Lebens zu finden und die Auswirkungen, die das auf die jeweilige Gesellschaft hat, sind Nebenwirkungen, falls es überhaupt stattfindet.
Als Beleg dafür kann man wieder den Hinduismus sehen. Die Struktur der Gesellschaft ist dort über Jahrtausende durch das Kastenwesen gegeben worden - dennoch waren (und sind) die Hindus sehr religiös.
Man kann es auch daran sehen, dass die Kirchen bei der r.k.K in vielen Ländern immer noch voll sind, relativ zu denen der evangelischen Kirche auch in Deutschland - besonders wenn man in Betracht zieht, dass der evangelische Gottesdienst praktisch nur einmal in der Woche stattfindet - die katholischen Messen aber viel häufiger. Die meisten Menschen suchen halt in ihrer Kirche keine "Gesellschaft für besseres soziales Miteinander". Das soziale Miteinander, das bei den außerkirchlichen Glaubensgruppen bzw. sehr stark bei den Kirchengemeinden in den USA gegeben ist, ist wiederum eine Nebenwirkung. In den USA sind die Kirchen i. A. viel fundamentalistischer (auch die Lutheraner) und ihre Gottesdienste sind entsprechend ausgerichtet.
Wenn man den Buddhismus als Religion betrachtet (was er im Grunde genommen nicht ist), verkörpert diese Gemeinschaft die Forderung: Als Erkenntnislehre stellt sie einen Weg und nicht den Weg dar!
Gruß
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