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Was plant die Regierung Bush?
#18
Politik des großen Knüppels

Dieter Schröder

Der neue Bush ist der alte Bush. Noch bevor der Präsident heute mit Pomp und Gloria zum zweiten Mal den Einzug in das Weiße Haus feiert, müssen die Europäer die Hoffnung aufgeben, der mächtigste Mann der Welt habe eine Wiedergeburt erfahren: Er habe der Politik der Alleingänge abgeschworen und setze nun auf Kooperation statt auf Konfrontation. Auch wenn er viel von Diplomatie und Einigkeit reden wird, kann er kaum den neuen Konflikt übertünchen, der seit einigen Tagen zwischen ihm und den Europäern aufgebrochen ist.

Während der Präsident sich im Umgang mit dem Iran alle Optionen offen hält, auch militärische, wittern seine Verbündeten im alten Europa neue Kriegsgefahr. Schließlich fühlen sich Joschka Fischer und seine Kollegen in Paris und London dafür zuständig, den Ehrgeiz der Mullahs in Teheran, eine eigene Atombombe zu bauen, friedlich einzugrenzen. Richtig ist, dass ihnen Washington vor über einem Jahr überlassen hat, Teheran mit diplomatischen Mitteln von seinem nuklearen Ehrgeiz abzubringen. Viel herausgekommen ist dabei nicht, außer dass nun in drei Arbeitsgruppen über die Bedingungen des Iran für seinen Verzicht auf die Produktion waffenfähigen Urans verhandelt wird.

Während die Europäer sich Zeit lassen und nichts mehr fürchten, als die nationalstolzen Mullahs zu kränken, beginnen die Amerikaner das Vertrauen und die Geduld für die weiche Diplomatie der Europäer zu verlieren. Bushs sanfte Drohung, denn von einem Krieg gegen den Iran hat er mit keinem Wort geredet, galt auch ihnen und nicht nur den Mullahs. Die Ungeduld des Präsidenten ist sogar verständlich. Eine der wichtigsten außenpolitischen Aufgaben seiner zweiten Amtszeit besteht darin, Nordkorea die Atomwaffen zu nehmen und die Aufrüstung des Iran mit nuklearen Sprengköpfen zu verhindern. Der Iran ist eindeutig die größere Gefahr.

Noch geben es die religiösen Fanatiker in Teheran als ihr Ziel aus, Israel zu vernichten. Die Mittelstreckenraketen dafür haben sie sich mit russischer und chinesischer Hilfe bereits verschafft; ihnen fehlen nur noch die nuklearen Sprengköpfe. Eine Nuklearmacht Iran bedroht nicht nur die Existenz Israels, sondern auch alle anderen Staaten des Mittleren Ostens und schließlich den Weltfrieden.

Nach Angaben des israelischen Geheimdienstes könnte Iran seine erste Atomwaffe bereits 2008 produzieren. Jerusalem drängt Washington deshalb zum Handeln. Die Enthüllungen des amerikanischen Journalisten Seymour Hersh werden von Informationen aus Jerusalem gestützt, wonach nicht nur amerikanische, sondern auch israelische Geheimkommandos die iranischen Nuklearanlagen ausspionieren und die Möglichkeit von Sabotageakten prüfen. Sie gelten als Alternative oder Ergänzung zu Luftangriffen, die offensichtlich auch das Pentagon untersucht und in seinen Dementis nicht in Abrede stellt.

Die Bereitschaft der Israelis und der Amerikaner zu handeln, falls der Iran nicht nachgibt, kann die Europäer kaum verwundern. Über die Gefahren der Entwicklung sind sie sich mit Washington immerhin einig, auch darüber, dass alle Optionen zu spät kommen, wenn der Iran wie Nordkorea erst einmal Atomwaffen besitzt. Die Behauptung Berliner Politiker, dass es zu Verhandlungen keine Alternative gebe, muss wiederum die Amerikaner bestürzen, denn sie signalisiert Teheran, dass man die Bedrohung des Weltfriedens hinzunehmen bereit ist, falls die Verhandlungen scheitern.

Die Lage ist so verfahren, dass ein kühler Kopf notwendiger wäre als hilfloses Geschrei. Hilfreicher wäre es dann schon, Teheran zu bedeuten, dass Europa und die USA gemeinsam zu härterem Vorgehen bereit wären, falls Teheran einen zu hohen Preis verlangt oder nicht einlenkt. Ob dazu bereits jetzt die Notwendigkeit besteht, ist aber eine berechtigte Frage an Bush. Er hat den großen Knüppel in einem Augenblick gezeigt, in dem er damit nur seine eigene Glaubwürdigkeit beschädigt. Auch die Mullahs wissen, dass er gegen sie nicht militärisch vorgehen kann, solange er den Irak nicht unter Kontrolle bringt. Mehr noch, dass er ihre Hilfe braucht, um die Kooperationsbereitschaft der irakischen Schiiten zu erhalten. Aus dem Irak-Krieg müssten die Amerikaner gelernt haben, dass man mit dem großen Knüppel keine Freunde gewinnt und keine der notwendigen Reformvorhaben im Mittleren Osten befördern kann, wenn das Chaos und die Not immer größer werden.

berlinerzeitung.de
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Was plant die Regierung Bush? - von Aysha - 18-01-2005, 23:54
[Kein Betreff] - von Aysha - 18-01-2005, 23:55
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