(18-03-2012, 18:12)helmut schrieb:(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Es ist nicht Aufgabe des Historikers, widerspruchsfreie Bilder zu konstruieren, wenn die Quellen das nicht hergeben.Hab ich auch nicht behauptet. Nur wenn die Quellen das hergeben ...
Aber natürlich hast Du das (indirekt) behauptet, da in der von Dir angesprochenen Frage die Quellen das eben nicht hergeben!
(18-03-2012, 18:12)helmut schrieb:Bion schrieb:Wenn man, wie es überwiegend angenommen wird, das Zusammentreffen des Statthalters mit Paulus für historisch hält, ist die Gallio-Inschrift ein wichtiges Zeugnis für die Datierung des Aufenthalts des Paulus in Korinth (wahrscheinlich 51, ev. auch 52 nC). Nicht mehr und nicht weniger!
Hab ich mehr draus gemacht?
Ja!
Lies doch einfach das, was Du geschrieben hast, nochmals genau nach.
helmut schrieb:(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Vergleich die Berichte zum Antiochenischen Streit (Gal 2,11ff. – Apg 11,2f.) und zum Ergebnis des Apostelkonzils (Gal 2,6 – Apg 15,20).Hier setzt du voraus, dass der Galaterbrief nach dem Apostelkonzil geschrieben wurde.
Was die überwiegende Meinung der Fachgelehrten ist!
helmut schrieb:(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Von der Schärfe der Auseinandersetzung ist in der Apg nicht zu lesen.Nichts zu lesen stimmt so nicht, in Apg 15,7 wird ein heftigen Streit erwähnt. Nur hat Lukas offensichtlich ein Intreresse, den Streit nicht allzu groß darzustellen.
Warum verdrehst Du ständig die Worte? Ist das evangelikale Diskussionskultur? Lies den Satz nochmals, aber bitte genau! Entgegne bitte auf das, was ich geschrieben habe!
Ich hatte nicht geschrieben, dass dort nichts zu lesen sei, sondern, dass der Lukanischen Darstellung die Schärfe der Paulinischen fehlt. Dass sie "lange gestritten" haben (und nicht "heftig"!), steht in der Apg (15,7).
Lukas hatte eben die Neigung, vieles zu glätten und manches schönzureden!
helmut schrieb:(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Von den Vorgaben für die Heidenchristen nach Apg weiß Paulus nichts.Als er den Galaterbrief schrieb, wusste er natürlich nicht, was einige Monate (?) später beschlossen wurde. So what?
Nochmals:
Der Galaterbrief wurde irgendwann in den Jahren 55/56 nC geschrieben. Also lange nachdem das Apostelkonzil stattgefunden hatte. So legt es die Textanalyse nahe, so berichtet überwiegend die einschlägige Fachliteratur.
Gal 2, 1-10 ist die paulinischen Darstellungen des Apostelkonzils, also wird der Brief nach diesem Ereignis geschrieben worden sein.
Extreme Frühdatierungen - 48 nC und davor – haben vor allem den Sinn, das paulinische Zeugnis zum Apostelkonzil umzudeuten.
Zur Datierung von Gal eine Meinung von M. Theobald (in: M. Ebner/St. Schreiber, Einleitung in das Neue Testament, Verl. Kohlhammer 2008, S. 359), die sich mit meiner in dieser Frage vollinhaltlich deckt:
Michael Theobald schrieb:Ernsthaft in Frage kommt nur eine Spätdatierung des Briefs, wobei der zeitliche Spielraum gering ist: Entweder hat Paulus den Brief noch in Ephesus verfasst – gegen Ende seines dreijährigen Aufenthalts dort, und zwar nach 1 Kor -, oder bereits während seiner Kollektenreise durch Makedonien und Griechenland. Folgende Indizien haben wir:
(a) Die Kollektennotizen 1 Kor 16,1 und Gal 2, 10: Wenn Paulus den Korinthern von Ephesus aus (1Kor 16,1) seine praktischen Regelungen zur Kollekte in Galatien als vorbildhaft hinstellt, dürfen wir annehmen, dass er diese erst vor kurzem "angeordnet" hat (während seines zweiten Besuchs dort (Apg 18,23)) und dass zur Zeit der Abfassung von 1Kor noch gutes Einvernehmen zwischen ihm und den galatischen Christen herrschte. Und wenn er in Gal 2, 10 zu der beim Jerusalemer Treffen übernommenen Verpflichtung für "die Armen" betont, er sei ihr voll und ganz nachgekommen, und das Thema im Schreiben danach nicht mehr berührt, dann deutet das darauf hin, dass es darüber mit den Fremdmissionaren nicht zum Dissens gekommen war. Weil die Galater das Geld bereits beisammen hatten, war für sie das Thema zunächst erledigt. Gal 2, 10 setzt wohl auch schon die Bemühungen des Paulus für eine Kollekte voraus, die 2Kor 8f. dokumentieren, was eine Datierung des Gal nach diesem Kollektenschreiben nahelegt, also auf seinen Aufenthalt in Makedonien (vgl. 2Kor 8,1).
(b) Die Nähe des Gal zu Röm ist beachtlich! Röm (verfasst im Winter 56/57 in Korinth) liest sich wie eine Retractatio des Gal. […]
helmut schrieb:(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Diese Datierung kenne ich von Colin J. Hemer (The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, Tübingen 1989). Hemer meint, Gal wäre um diese Zeit am Orontes verfasst worden. Auf die Frage, warum sich Paulus in dieser Phase seines Wirkens nicht selbst nach Galatien aufgemacht hat, um die offensichtlich gravierenden Probleme zu lösen, bleibt Hemer die Antwort schuldig.Paulus kann in Antiochia unabkömmlich gewesen sein, nach Gal 2,11ff hatte der Streit in Antiochia offenbar schon begonnen ...
Wir können nicht behaupten, dass wir die Gründe kennen, aber es ist nicht schwer, mögliche Gründe zu finden.
Ja. Es ist nicht schwer, sich alles Mögliche aus den Findern zu saugen!
helmut schrieb:Das Buch von Hemer ist übrigens posthum erschienen, in gewissermaßen "unfertigem" Zustand. Da können wir davon ausgehen, dass Hemer darin nicht alles schreibt, was er in einem fertigen Buch (reif zur Veröffentlichung) geschrieben hätte.
Soviel ich weiß, waren seine Vorarbeiten zum Buch abgeschlossen und das Manuskript verlagsfertig!
helmut schrieb:(15-03-2012, 19:20)Bion schrieb: Die Frühdatierung des Galaterbriefs ist unter Theologen und Kirchenhistorikern eine Minderheitenmeinung.Das gilt sviw nur für den deutschsprachigen Raum. Im englischsprachigen Raum ist die Frühdatierung die Mehrheitsmeinung.
Das stimmt (insbesondere für England) nicht!
Natürlich wird man immer ein paar Stimmen finden, die mit der Frühdatierung sympathisieren. Und zwar aus den naheliegenden Gründen der Harmonisierung von Apg und dem Pauluszeugnis.
Und in den USA gibt es bekanntermaßen Theologen und Historiker mit Doktorgrad, die eine Weltschöpfung in sieben Tagen annehmen und behaupten, dass Menschen und Saurier gleichzeitig auf Erden wandelten.
helmut schrieb:Kannst du übrigens bei Breytenbach (Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien) lesen, wenn ich mich richtig erinnere im Vorwort des Buchs.
Ja, bei Breytenbach kann man dazu einiges nachlesen, was von der Meinung seiner Fachkollegen nicht unerheblich abweicht.
Ich kann beispielsweise seiner Hypothese, wonach es in Galatien keine judenchristliche Mission gegeben und die Gegnerschaft des Paulus aus den Synagogen heraus gewirkt habe, nichts abgewinnen.
MfG B.