23-03-2012, 09:42
(22-03-2012, 21:49)paradox schrieb:Sangus schrieb:Bei der Auslegung von Gesetzen gehen "wir" nämlich grundsätzlich davon aus, dass diese durch und durch menschlichen Ursprungs sind.Du wirst lachen, aber so ganz klar wird das trotzdem nicht immer, obwohl es Menschen verfasst haben.
paradox,
es geht doch nicht darum, ob es einfach ist.
Es geht darum, wie man sich dieser Frage nähert.
Du hattest dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass man bei der Auslegung von Gesetzestexten "mit Hilfe von historischer, systematischer, teleologischer und grammatikalischer Interpretation [...] versucht diese Probleme zu umgehen, und mittles Analogie Lücken zu schließen", und ich hatte ergänzt, dass es mit der historisch-kritischen Bibelauslegung eine Methode gibt, die analog mit Bibeltexten umgeht - mit einem einigermaßen ernüchternden Ergebnis.
Umso erstaunlicher ist es, wie viele Leute der Überzeugung sind, durch naiv-andächtiges Wiederkäuen religiöser Texte Gewissheit über deren "eigentliche" Bedeutung gewinnen zu können.
paradox schrieb: Das ist deine Auslegung, wobei du da wohl auch dein wissenschaftliches Bild vermutlich zugrundegelegt hast.
Nein. Das ist, wie ich zu sagen versuchte, im Kern das Ergebnis der historisch-kritischen Methode (die im übrigen genau deshalb von den Biblizisten genauso gescholten wird wie die Evolutionstheorie).
Ich habe das Ganze lediglich, sagen wir, etwas polemisch zugespitzt und auf den in meinen Augen wesentlichen Punkt gebracht.
paradox schrieb:Sangus schrieb:Vom übers Wasser laufenden Gottessohn, der als "Lamm Gottes" mit seinem Blut die Sünden der Welt zu tilgen hatte, bleibt in dieser Lesart nicht viel mehr übrig als der gleichermaßen verständliche wie absurde Versuch seiner Anhänger, dem überraschend frühen Dahinscheiden ihres Meisters irgendwie einen tieferen Sinn zu verleihen.Dass Jesus Wunder vollbringt, geht nicht aus der Bibel hervor? Ich würde schon meinen, dass dies sehr wohl aus der Bibel hervorgeht.
Also, mein Lieber,
ich bin ja ein Freund einigermaßen gepflegter Streitkultur - aber manchmal muss ich mich echt bremsen, weil sich das Gefühl aufdrängt, Du wolltest einen verscheißern:
Natürlich steht in der Bibel drin, dass Jesus Wunder gewirkt hat.
Aber wir diskutieren doch gerade die Frage, wie dieser Text zu verstehen ist: Wer hat ihn verfasst, was waren seine oder ihre Intentionen, in welchen kulturell-historisch-soziologischen Kontext muss man sich hineindenken, um die dahinterliegende Idee rekonstruieren zu können?
Mir ist echt schleierhaft, wie Du ausführlichst die Schwierigkeiten bei der Auslegung von Gesetzestexten erläutern kannst, um dann im nächsten Satz so zu tun, als seien die Wundertaten Jesu allein deshalb glaubwürdig, weil sie nun mal so in der Bibel stehen.
paradox schrieb: Weil diese (10) Gebote an zentraler Stelle stehen und somit so etwas wie erste historische Grundwerte darstellen, sind sie für mich relevantDiesen Satz solltest Du Dir nochmal auf der Zunge zergehen lassen.
Vielleicht wird Dir danach klar, dass die Bedeutung dieser Passage von Dir an den Text herangetragen wird - und nicht einfach so "aus dem Text heraus" in Dich hineinfließt.
Und wenn Du jetzt, wie von Dir bereits nachfolgend angedeutet, noch einen Schritt weiter gehst und Dir vor Augen führst, das genau dasselbe auch für die Verfasser der Texte und die späteren Redakteure galt (dass sie nämlich das aufschrieben bzw. kanonisierten, was aus ihrer Sicht bedeutsam war) - dann hast Du eine Erklärung für die Entstehung der Bibel, die gänzlich ohne "göttliche Inspiration" und ohne "Heiligen Geist" auskommt.
Das wirkt im ersten Schritt vielleicht etwas ernüchternd.
Tatsächlich aber ist es eine Befreiung.
Sangus

