14-06-2012, 10:26
(14-06-2012, 10:15)Ekkard schrieb: Das Postulat, Glaube sei Privatsache, knüpft an eine veraltete Vorstellung von "christlichem Glauben" an, der Trost vor dem Hausaltar spendet. Für mich und viele Bekannte aus dem protestantischen Umfeld äußert sich Glaube im "sozialen Wollen". Als Beispiel möchte ich die Bemühungen um eine gerechtere Struktur unter dem (bzw. gegen) den Oberbegriff "Globalisierung" ins Feld führen. Hier arbeiten die christlichen Kirchen eng mit Nicht-Regierungsorganisationen und anderen säkularen Gruppen zusammen. Oder das Bemühen um ein überreligiöses Weltethos. Auf diesen Ebenen spielt der theologische Überbau (der mythologische Teil von Religion) keine Rolle. Glaube bzw. säkulare Überzeugzung vollzieht sich hier im (gemeinsamen) Tun.
Vielleicht kann man dieses Zusammenfinden für "gemeinsames, soziales Wirken" als "Bewusstseinsstufe" für das 21. Jh. definieren? (Gewissermaßen als Gegenpol zur "Innerlichkeit", wie er in Religionen leider vielfach vorkommt)
In gewisser Weise stimme ich dir zu, denn es ist natürlich wichtig, alte Bewusstseinstrukturen nicht einfach zu verwerfen. Sondern sie müssen auf eine neue Stufe gehoben und integriert werden, wie schon Hegel und Freud herausgefunden haben. Insofern wäre es natürlich falsch, das Positive, das Religionen hervorgebracht haben und noch hervorbringen, über Bord zu werfen. Auf diese Weise (und nur auf diese) kommen wir gerne "ins Geschäft". Ich möchte nur mit niemandem am Konferenztisch sitzen, der beständig einwirft, Gott erlaube aber dies und das nicht, deshalb könne man das so nicht machen. Mir fehlt da aus protestantischen Kreisen eine eindeutige Stellungnahme gegen diejenigen, die am liebsten das Rad der Zeit wieder zurück drehen möchten (Evangelikale, Katholiban etc.), da ist mir noch immer zu viel einlullendes "Eiapopeia, alles wird gut".
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)

