21-02-2005, 22:50
Lieber Gerhard,
Mir kam dabei die Nazizeit in Erinnerung, die ich ja kaum bewusst erlebt habe. Aber könnten nicht wir, die Mehrheit, die Monster sein, die eine Minderheit terrorisiert? An dieser Stelle kam mir das Verdikt plötzlich hohl und sinnleer vor - und ich habe nach Gründen gesucht, warum es existiert. Die knallharte Erkenntnis ist die: Menschen finden sich unter anderem sexuell anziehend oder abstoßend. Und dies ist nicht primär vom Geschlecht abhängig, sondern von einer Vielzahl von Merkmalen, die ausschließlich auf die Gefühlsebene wirken. Und jetzt fangen gesellschaftliche Tabus an zu wirken. Denn Menschen, die sich zum falschen Geschlecht (und zwar ist immer eine bestimmte Person der Auslöser) hingezogen fühlen, bauen einen Schutzwall auf, der ihnen das Überleben innerhalb der Tabu-Grenzen ermöglicht. Der muss sehr stark, sehr feindlich eingerichtet sein, damit er die "falschen Gefühle" verdrängt. Wenn es also "normal" ist, hererosexuell empfinden zu müssen, dann wird man ein Feind der Homosexualität - jedenfalls meistens (wie das bei Mehrheiten halt so ist).
Der Rest ist nur eine Frage der Zeit, bis ich zu der Erkenntnis kam, dass es die Unterscheidung gleich- / ungleichgeschlechtliche Anziehung gar nicht gibt. Es mag in der Natur nur so sein, dass bestimmte Merkmalshäufigkeiten eher beim jeweils anderen Geschlecht zusammen fallen. Aber daraus kann man auf überhaupt nichts schließen, was man im ethischen Sinne als "normal" bezeichen könnte, das die Mehrheit für sich als apodiktisches Recht reklamieren könnte.
An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage nach dem Zustandekommen ethischer Normen in der Bibel. Aber da halte ich es mit Paulus, der sich an einer Reihe von Stellen auf die Tradition beruft, weil man im Zusammenleben eben nicht alle Konflikte einer Gemeinde mit den Grundthesen des Christus erschlagen kann.
Literatur: "Homosexuelle Liebe", Evangelische Kirche im Rheinland, Landessynode 1992 (Arbeitspapier für rheinische Gemeinden und Kirchenkreise)
Gerhard schrieb:... Homosexuell orientierte Menschen ... . Ich behandele diese Menschen eben nicht anders als andere heterosexuell orientierte Menschen:Darauf will ich ja gerade hinaus! Es zählt das Tun, meine Haltung und die Deutlichkeit meiner Wertschätzung zunächst einmal allen Menschen gegenüber. Die größte Störung dabei stellen m. E. unbegegründete Vorurteile dar. Denn Menschen spüren deutlich, wenn man Vorbehalte hat, selbst, wenn sie nicht verbal geäußert werden.
Gerhard schrieb:, ohne das ich ihre Neigung nachvollziehen kann.Nun, Gerhard, das gilt für die gesamte Sexualität. Ich liebe eine Frau (meine!) und ich "stehe auf" Frauen. Das heißt aber nicht, dass ich die sexuell orientierte Annäherung einer beliebigen Frau schätzen würde. Da müssen viele andere Merkmale erfüllt sein, bis das geschehen würde. Vorbehalte sexueller Natur sollte man auch klar äußern, um keine falschen Hoffnungen aufkeimen zu lassen.
Gerhard schrieb:Daher würde es mich schon interessieren, mehr zu hören über eine positive Haltung in Sinne einer ganzheitlichen Auffassung, lieber Ekkard und wie man dazu kommen kann, wenn man sie gleichzietig nicht lebt/nicht leben möchte.Es begann alles damit, dass unser Presbyterium von Seiten der Evangelischen Kirche im Rheinland aufgefordert wurde, zum Thema "Segnung von Lebensgemeinschaften" - gemeint waren u.a. gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften - Stellung zu beziehen. Eine ganze Rüstzeit haben wir mit diesem Thema und einer Vorlage der Landessynode von 1992 zugebracht. Lieber Gerhard, wenn mir etwas gegen den Strich geht, dann kannst Du sicher sein, dass ich das entsprechende Heftchen genauestens lese. Nun habe ich natürlich vieles wieder vergessen. Am härtesten hat mich die Frage getroffen, mit welchem Recht (also welcher impliziten Vereinbarung in unseren Gemeinden, ja der ganzen Kirche) grenzen wir Menschen aus, behandeln wir mit Vorbehalten, nur weil sie eine Minderheit sind - und wir anderen die Mehrheit? Oder schlimmer noch: warum versuchen wir, diese Menschen mit der ethischen Keule umzuschmieden, so dass sie zwischen dem Anspruch der Gesellschaft und ihren unabweisbaren Gefühlen zerbrechen oder lügen oder in die innere Emigration gezwungen werden.
Mir kam dabei die Nazizeit in Erinnerung, die ich ja kaum bewusst erlebt habe. Aber könnten nicht wir, die Mehrheit, die Monster sein, die eine Minderheit terrorisiert? An dieser Stelle kam mir das Verdikt plötzlich hohl und sinnleer vor - und ich habe nach Gründen gesucht, warum es existiert. Die knallharte Erkenntnis ist die: Menschen finden sich unter anderem sexuell anziehend oder abstoßend. Und dies ist nicht primär vom Geschlecht abhängig, sondern von einer Vielzahl von Merkmalen, die ausschließlich auf die Gefühlsebene wirken. Und jetzt fangen gesellschaftliche Tabus an zu wirken. Denn Menschen, die sich zum falschen Geschlecht (und zwar ist immer eine bestimmte Person der Auslöser) hingezogen fühlen, bauen einen Schutzwall auf, der ihnen das Überleben innerhalb der Tabu-Grenzen ermöglicht. Der muss sehr stark, sehr feindlich eingerichtet sein, damit er die "falschen Gefühle" verdrängt. Wenn es also "normal" ist, hererosexuell empfinden zu müssen, dann wird man ein Feind der Homosexualität - jedenfalls meistens (wie das bei Mehrheiten halt so ist).
Der Rest ist nur eine Frage der Zeit, bis ich zu der Erkenntnis kam, dass es die Unterscheidung gleich- / ungleichgeschlechtliche Anziehung gar nicht gibt. Es mag in der Natur nur so sein, dass bestimmte Merkmalshäufigkeiten eher beim jeweils anderen Geschlecht zusammen fallen. Aber daraus kann man auf überhaupt nichts schließen, was man im ethischen Sinne als "normal" bezeichen könnte, das die Mehrheit für sich als apodiktisches Recht reklamieren könnte.
An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage nach dem Zustandekommen ethischer Normen in der Bibel. Aber da halte ich es mit Paulus, der sich an einer Reihe von Stellen auf die Tradition beruft, weil man im Zusammenleben eben nicht alle Konflikte einer Gemeinde mit den Grundthesen des Christus erschlagen kann.
Literatur: "Homosexuelle Liebe", Evangelische Kirche im Rheinland, Landessynode 1992 (Arbeitspapier für rheinische Gemeinden und Kirchenkreise)
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard

