03-10-2012, 17:45
(03-10-2012, 00:52)Sidereus_Nuncius schrieb: Dass sich Religionen im Laufe der Zeit ändern und anpassen müssen, ist klar. Aber wer trifft diese Entscheidungen?"Religion" ist zunächst einmal eine Lehre, die sich aus schriftlicher oder mündlicher Tradition heraus gebildet hat. Lehren sind Meinungen (Mythen, Legenden, die quasi Konsensvorschläge transportieren). Dazu kommt die Wechselwirkung des Individuums zu seiner sozialen Umgebung, in der größtenteils diese Lehren bereits Tradition sind - also quasi vorgegebener Konsens. Es ist also ein stochastisches Wabern zwischen verschiedenen Traditionen, deren Einzelheiten mal mehr mal weniger betont werden. Sehr strenge Gesellschaften legen mehr fest, als andere. Insofern ist der Name einer Religion bestenfalls ein Etikett. Und die Geschichte der Religionen zeigt auch, dass monolithische Blöcke nach wenigen Jahrhunderten aufspalten, weil sich z. B. die gesellschaftlichen Bedingungen ändern.
() bei immer weiteren Auseinanderdriften stellt sich doch die Frage, wo die Grenze ist ? Wo hört ein Christ auf ein Christ zu sein ? Wo ein Moslem ? Ist es legitim, dass sich jeder bei seiner Religion nur das herauspickt, was ihm gefällt, oder muss man das ganze Paket kaufen?
Wie weit übernehmen die Katholiken hier das, was der Papst "diktiert"?
„Auseinanderdriften“ tut eine Tradition nur dann, wenn sich die sozialen Verhältnisse ändern, also z. B. durch mehr individuell erschließbare Ressourcen, durch Abschwächung von Autoritäten, Zerfall von monolithischen Staatsgebilden, Herausbilden von unterschiedlichen Gesellschafts- und Herrschaftsformen. Die Menschen werden aber lange Zeit das alte Etikett weiter verwenden. Ein heutiger Christ wäre im Sinne des Evangelisten Matthäus mit Sicherheit keiner!