30-01-2014, 08:08
(29-01-2014, 23:42)Bion schrieb: Im Grundtext ist nun einmal die weibliche Form zu lesen.Das gerade ist nicht eindeutig. Der Akkusativ ΙΟΥΝΙΑΝ läßt sich sowohl von ΙΟΥΝΙΑ (Junia, weiblich, 1. Deklination) als auch von ΙΟΥΝΙΑΣ (Junias, männlich, 2. Deklination) ableiten.
Interessant finde ich auch die Frage nach der Betonung. In einer Majuskelschrift (vor 2000 Jahren gab es noch nichts anderes) wurde sie nicht gekennzeichnet. Akzente wurden erst etliche Jahrunderte später in den Minuskelhandschriften eingeführt. Die 26. Auflage des Novum Testamentum Graece, mit der ich aufgewachsen bin, schreibt Iouniân, also endbetont. Für einen weiblichen Namen wäre das extrem ungewöhnlich. Ein endbetonter männlicher Name Juniás wäre dagegen schon eher denkbar. Davon abweichende Betonungen in einem Teil der Handschriften weist der kritische Apparat nicht aus.
In der aktuellen Auflage des NTG lautet der Name Iounían. Das würde beide Möglichkeiten gleichermaßen zulassen. Leider habe ich diese Auflage nicht hier und weiß also nicht, was der kritische Apparat sagt. Würde mich mal interessieren.
Wenn es allerdings Minuskelhandschriften gibt, die Iouniân lesen, würde das den literarischen Befund, dem zufolge die gesamte Antike hinter dem Namen eine Frau vermutet, schon ein wenig relativieren.
Zitat: Es gibt, soviel ich weiß, auch keinen Beleg in der griechischen Literatur, der Iunias als Männername belegen könnte.So habe ich das auch gelesen, und dieser externe Befund ist ja heute für die Beurteilung des Falls meist entscheidend. Nachprüfen kann ich es mangels geeigneter Bibliothek nicht. Zu fragen wäre z.B., seit wann und in welchem sprachlichen Umfeld der weibliche Name belegt ist. Es kann ja auch sein, daß die Textstelle im Römerbrief die Namensgebung bei Mädchen beeinflußt hat. Ähnlich wie es z.B. kaum Mädchen namens Ronja geben dürfte, die älter als 30 Jahre sind (1983 erschien Astrid Lindgrens letztes Buch).
Zitat:In der Antike hatte man auch kein Problem mit der weiblichen Namensform.Das ist allerdings wahr.
Zitat:Von Evangelikalen habe ich diese Meinung nicht vertreten gehörtNa, dann sei doch froh. Sowas hört sich ja vom Stil her nicht immer ganz appetitlich an.
Zu der Frage, ob der Apostolat auf den Zwölferkreis beschränkt ist, kann man sich z.B. mal 1. Korinther 15, 5-7 auf der Zunge zergehen lassen:
"... dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.
Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.
Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln."
Wozu unterscheidet Paulus denn zwischen "den Zwölfen" und "allen Aposteln", wenn doch beide Gruppen identisch sein sollen? Oder gibt es am Ende doch mehr Apostel/innen als nur die zwölf? Und was die "fünfhundert Brüder" betrifft, könnte man natürlich einwenden, daß ja keine Schwestern genannt sind. Ist aber auch gar nicht nötig. Anders als im Deutschen entstammen die Wörter für Bruder und Schwester im Griechischen nämlich nicht unterschiedlichen Wortstämmen. Deshalb hat man sich auch normalerweise nicht der Mühe unterzogen, die Adressat/inn/en jedes Mal mit "Adelphai kai adelphoi" anzusprechen, sondern sagte einfach nur "adelphoi". Die Frauen waren da, wie man das bei uns in den Anfangszeiten des Nachdenkens über geschlechtergerechte Sprache nannte, "mitgemeint".
Hilfe, die Bildschirmseite ist fast voll. Da hör ich lieber auf, bevor ich wieder von einem Moderator eins aufs Dach kriege...
