(16-02-2014, 22:01)Geobacter schrieb: Zuerstmal!! Eine übergeordnete Institution "Wissenschaft" gibt es gar nicht. ;)
Es gibt nur "die" Wissenschaften, welche von sehr vielen einzelnen Menschen getragen werden, die sich in ihrem Fachbereich besser auskennen
Leider !
Bis um etwa 1800 gab es noch den Typ des Wissenschaftlers, des Universalgelehrten. Da war manchmal ein Mann Arzt, Optiker, Chemiker, Physiker, Biologe, Rechtsgelehrter
Das war sehr gut so, wenn ein Mensch den Überblick hatte.
Nach etwa 1820 zerfiel die Wissenschaft in eifersüchtig getrennte Disziplinen. Wehe dem Arzt, der sich als Chemiker versucht. Wehe dem Juristen, der es wagt in medizinischen Fragen zu publizieren. Ein Sakrileg ! Heute werden reinrassige Akademiker erzeugt, es ist unerwünscht über den Tellerrand zu gucken. Hochspezialisierte Leute, von denen man immer den Eindruck hat, den Überblick verloren zu haben.
Sicher war Medizin schon vor 1820 eine andere Fakultät als Recht. Aber die Studenten schauten noch sehr selbstbewußt über den Tellerrand. Der Medizinstudent redete in Verfassungsfragen mit, arbeitete Verfassungsentwürfe aus, der Jurist wußte über Opium genau Bescheid, brauchte sich noch keinem Sachverständigen unterordnen.
Aber das änderte sich nach den Napoleonischen Kriegen.
Der heutige Richter administriert und koordiniert bloß das Strafverfahren, in Wahrheit entscheidet dann ein psychiatrischer Sachverständiger, der letztlich durch sein Gutachten das Urteil entscheidet. Das mag oft vorteilhaft sein, oft ist es aber problematisch. Überall zu viele Spezialisten.
Der Typus des Universalgelehrten ging leider längst verloren.
Es ist ja ganz klar, daß es Spezialisten geben muß: einen Facharzt für Augenheilkunde, einen Facharzt für Zahnheilkunde.
Einen Rechtsanwalt der sich auf Strafrecht spezialisiert hat, einen anderen Rechtsanwalt der im Beamtendienstrecht versiert ist.
Wenn nun die Chemie eine neue Droge entwickelt, ist guter Rat teuer. Keiner kann das beurteilen.
Denn man müßte folgendes in einer Person sein: Chemiker, Arzt, Psychiater, Neurologe, Jurist, Verfassungsrechtler, Strafrechtler, Medizinrechtler
Der interdisziplinäre Gedanke ist längst verloren gegangen. Noch viel tragischer ist jedoch, daß dieser Verlust nicht negativ gesehen wird. Überall gutbezahlte Fachidioten
Der Atomphysiker konstruiert ein Atomkraftwerk, vom technischen Standpunkt ein Meisterwerk, aus medizinischer Sicht ein Wahnsinn

