08-03-2014, 19:11
(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb: Die Änderungen sind doch schnell gefunden... Hier bspw. von DSM-IV-TR zu DSM-V - sind auch nur 19 Seiten und kann man schnell in der Kaffeepause mal überfliegen... Icon_cheesygrin
+www.psychiatry.org/File%20Library/Practice/DSM/DSM-5/Changes-from-DSM-IV-TR--to-DSM-5.pdf

Aber okay. Das DSM ist als Manual zur Systematisierung und Diagnose von psychischen Krankheiten und Störungen ja weltweit gut anerkannt. (Daneben stünde wohl die ICD, die halt Krankheiten sammelt und in der die psychischen Störungen entsprechend nur ein Kapitel ausmachen.) Und laut solcher Nachschlagewerke besteht die Definition als Störung wie ich schon erwähnte aus den Komponenten Zeit (mindestens 6 Monate), Leidensdruck (auf beiden Seiten) und dem normabweichenden Objekt, auf das sich bezogen wird. Darunter fallen Gegenstände, Tiere und Kinder sowie andere Menschen, die man für nicht einwilligungsfähig hält.
(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb: Gut... inzwischen werde ich noch schnell ein Studium der Medizin und Psychologie absolvieren, um die ganzen Fachtermini verstehen und richtig einordnen zu können, sowie das Quellenmaterial fachgerecht interpretieren und auswerten zu können...
Ansonsten hätte ich ja gesagt, wir beziehen uns erst einmal auf das von Fachkundigen für gebildeten Laien aufbereite Wissen, das man sonst so im Netz findet. Bei strittigen Fragen kann man ja immer noch tiefer in die Materie gehen...
Na gut, dann spar ich es mir eben, wissenschaftliche Veröffentlichungen in ihrer Originalsprache herauszusuchen und belege ab jetzt nur noch mit populärwissenschaftlichen Magazinartikeln

Zum Beispiel dient sexuelle Flexibilität als ausgleichender Faktor bei unterschiedlich vielen Männchen und Weibchen.
+++http://www.focus.de/wissen/natur/albatros-weibchen-homosexuelle-brutpaare_aid_304398.html schrieb:Weibliche Albatrosse auf Hawaii gleichen einen Männermangel aus, indem sie untereinander Brutpaare bilden
Außerdem verändert gleichgeschlechtliche Sexualität die sozialen Bedingungen innerhalb von Populationen und wirkt deshalb als evolutionärer Faktor, homosexuelles Verhalten treibt also die Entwicklung einer Art an.
+++http://www.handelsblatt.com/technologie/forschung-medizin/forschung-innovation/wissenschaft-homosexualitaet-unter-tieren-weit-verbreitet/3201092.html schrieb:man kann die sozialen Bedingungen in einer Population ebenfalls als selektive Kraft betrachten." Gleichgeschlechtliches Verhalten verändere diese sozialen Bedingungen radikal, so der Forscher.
Auch andersherum kann man festhalten, das Homosexualität vor allem bei Tierarten mit komplexen Sozialstrukturen vorhanden ist.
+++http://www.welt.de/wissenschaft/article997823/Von-schwulen-Schwaenen-und-lesbischen-Pavianen.html schrieb:Forscher fanden zudem heraus, dass homosexuelle Kontakte auch sehr oft bei Tieren mit einer komplexen hierarchischen Struktur vorkommen. Bei Wölfen, Löwen, den Walen oder Affen geht es jedoch weniger um einen evolutionären Aspekt als um eine gefestigte Sozialstruktur.
Dabei sind homosexuelle Paare im Tierreich oft erfolgreicher bei der Aufzucht von Nachkommen als ihre heterosexuellen Kollegen. Kinder werden dabei entweder geklaut oder adoptiert, oder die Geschlechtsgenossen paaren sich mit einem "Spender", der dann davongejagt wird.
+++http://www.fr-online.de/wissenschaft/homosexualitaet-bei-tieren-maennchen-tanzen-rumba,1472788,16452422.html schrieb:Sie entdeckten zum Beispiel, dass Geschlechtsgenossen zusammen die Rolle von Eltern übernahmen. Dabei sind etwa schwule Trauerschwäne erfolgreicher als Hetero-Familien. Um sich Nachwuchs ins Nest zu holen, haben die schwarzen Vögel mit den tiefroten Schnäbeln verschiedene Möglichkeiten. Erstens: Sie stehlen ein Ei aus dem Nest eines heterosexuellen Paares. Zweitens: Sie adoptieren ein Ei, das von seinen Eltern verlassen wurde. Drittens: Sie tun sich eine Zeit lang mit einem Weibchen zu einem Trio zusammen und begatten es. Ist das befruchtete Ei gelegt, scheuchen sie die Mutter weg und ziehen den Nachwuchs alleine auf.
Hast du nach dieser Wissensflut nun noch "strittige Frage"?

(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb: Mit Definitionen ist das außerdem auch immer so eine Sache... sie suggerieren einen Wahrheitsanspruch, den sie so und naturgemäß gar nicht erfüllen (können).
Tun sie das? Definitionen haben natürlich keinen "Wahrheitsanspruch", da sie ja keine Fakten festhalten wollen, sondern dem vorausgehend grundlegende Dinge definieren. Ich weiß nicht, wie man sich mit Wahrheitsanspruch darauf einigen wollen könnte, was als Störung und was als Norm oder Normvariante angesehen werden soll.
(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb:(07-03-2014, 08:46)Keksdose schrieb: Ganz allgemein verstehe ich aber nicht, wie Homosexualität überhaupt als Störung gelten könnte. Die Kriterien der Abweichung lägen ja lediglich in Chromosomen, in Geschlechtsmerkmalen und Rollenbildern, die allesamt nicht immer ganz eindeutig sind.Auch hier sehe ich das Argument nicht wirklich...
Ich versuch mal zu erklären was ich da meinte. Nehmen wir mal an, ein Mann, der eine Gebärmutter hat, kommt mit Gebärmutterhalskrebs zum Arzt. Sollte der Arzt den Krebs jetzt nicht diagnostizieren, weil Gebärmutterhalskrebs sonst nur Frauen kriegen? Natürlich nicht. Warum sollte man also Sex mit Frauen für gestört erklären, solange man eine Frau vor sich hat, und ihn für normal erklären, solange man einen Mann diagnostiziert?
(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb:(07-03-2014, 08:46)Keksdose schrieb: Dass wir die sexuelle Neigung zu präpupertären Menschen als Störung ansehen, entspringt in erster Linie einfach dem Opferschutz.Demnach ist die Frage nach der Definition einer 'Krankheit' oder 'Störung' eine Frage für die Rechtswissenschaften...?
Wie bitte? Ich meinte etwas ganz anderes.
Pädophilie, Sadismus, Depression, Leukämie, Down-Syndrom usw., all dies ist ja nicht von der Natur als "böse" gegeben. Dass wir Menschen so etwas als Störung und Krankheit auffassen, ist letzten Endes ja auch irgendwo eine Bewertung. Wir halten etwas für behandlungswürdig, also nennen wir es Krankheit. Etwas wird als abweichend und schädlich verstanden, also ist es eine Störung. Dahinter steckt nichts Objektives. Würden wir jeder Abweichung so einen Falschheits-Stempel aufdrücken, wäre hohe Intelligenz auch mit dabei. Aber Leukämie führt zum Tod, deswegen fällt es in die Kategorie mit dem Namen Krankheit, sowie eine Trisomie zu messbaren Einbußen führt und wir ihr den Überbegriff Syndrom drüberstülpen können. Pädophilie ist eine potentiell gefährliche Abweichung, die großen Schaden anrichten kann, weshalb es sinnvoll ist, sie als gestört zu begreifen. Diese Komponente bringt der Sachverhalt nicht von sich aus mit, es ist etwas, das wir ergänzen. Bei Homosexualität gibt es eben keinen Anlass, darin eine Störung zu sehen.
(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb:(07-03-2014, 08:46)Keksdose schrieb: Ganz allgemein verstehe ich aber nicht, wie Homosexualität überhaupt als Störung gelten könnte.Vielleicht, weil sie in gewissen Fällen mit psychischem Leiden auf Seiten der Betroffenen einhergeht...?!
In welchem Fall bitte? Homosexualität führt nur über den Umweg der gesellschaftlichen Diskriminierung oder auch der Ablehnung im direkten sozialen Umfeld zu einem Leidensdruck. Homosexualität selbst führt keineswegs zu psychischen Leiden. Pädophilie beispielsweise schädigt tatsächlich jemanden, nämlich das sexuelle Gegenüber. Dieser Unterschied wird dir ja wohl einleuchten.
(08-03-2014, 17:14)Noumenon schrieb: Das Problem ist doch u.a., dass wir zu einer objektiven Definition eines Leides ("Störung", "Krankheit") finden wollen, obwohl Leid im Allgemeinen irgendwo immer noch subjektiv ist.
Wenn du eine objektive Definition möchtest, weiß ich nicht mit was man dich zufriedenstellen könnte. Das wäre wohl ein falscher Anspruch an eine Definition. Und ich bin echt gespannt, ob jemand in diesem Thread eine Definition auftreibt, nach der Homosexualität eine Störung sein müsste. Eine "Störung der Sexualpräferenz" (darunter müsste man sie wohl kategorisieren, wenn man sie als Störung betrachten wollte) ist sie laut selbiger Definition einfach nicht. Und auch subjektiver Leidensdruck allein (der natürlich zu würdigen ist) macht dann aus der Norm keine Krankheit. Manche Menschen leiden unter ihren roten Haaren, während andere sich monatlich mit Chemikalien überschütten um selbige zu erreichen. Für ne halbwegs wissenschaftliche Definition ist das zu wenig.
Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. (Friedrich Nietzsche)