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Steinigung
#7
Selam,

Die vorn Strafrecht (hudud) der Schari'a vorgesehenen Körperstrafen sind nach westlichem Menschenrechtsverständnis grausam und entwürdigend, also völkerrechtswidrig. Dabei denkt man an (i) die Steinigung bzw. das Auspeitschen von Ehebrechern und (ii) die Amputation bei Dieben.

Auch hier sollten die Muslime nicht in apologetische Panik verfallen, statt als erstes festzuhalten, dass sogar die amerikanische Vormacht des Westens an der Todesstrafe festhält, die - sei es durch Köpfen, Hängen oder Spritzen - gewiss die grausamste aller Körperstrafen ist. Solange dies so ist, ist es scheinheilig, sich über den Islam zu beklagen, zumal die islamische Praxis im Strafrechtsbereich sich von der bloßen Rechtstheorie enorm unterscheidet.

Ich stehe nicht allein mit der dezidierten Meinung, dass es keine islamische Rechtfertigung für Steinigen gibt. Eine Vorschrift, Ehebrecher zu steinigen, findet sich im Qur’an nicht, sondern nur in der Bibel, nämlich im 5. Buch Moses (22:20-22). Auch war es hadith-wissenschaftlich fragwürdig, eine so weitreichende Strafe im Widerspruch zu al-Nur: 2 zuzulassen, und dies auf Grund eines einzigen Hadith, zumal nicht bekannt ist, ob der vom Propheten geduldete Vorfall nicht doch vor Offenbarung des den Ehebruch betreffenden Qur’an-Verses geschehen war. Dass der Qur’an die Steinigung nicht vorsieht, ergibt sich im übrigen auch daraus, dass für unfreie Ehebrecher die Hälfte der Strafe für freie Ehebrecher angeordnet ist. Was aber wäre die Hälfte der Todesstrafe??

Schließlich ist das Beweisrecht des islamischen Strafverfahrensrechts derart anspruchsvoll, dass wegen Ehebruchs; kaum jemand verurteilt werden kann, der dies mit einem freiwilligen Bekenntnisses nicht selbst will. (Präsident Clinton wäre es nach den Regeln des islamischen Rechts besser ergangen.)

Das Verständnis der Abschreckung dienenden qur’anischen Strafandrohung für Diebstahl in al-Ma'ida: 38 setzt voraus, dass man ihre sozialpolitische Funktion sieht: Dass man weiß, wie sehr die soziale Absicherung der Frau, vor allem im Alter, praktisch darauf beruht, daß ihr die in Form von Edelmetall erhaltene Brautgabe nicht gestohlen wird. Außer in bargeldlosen Gesellschaften ist Diebstahl ein Anschlag auf das System. Im übrigen hat die islamische Jurisprudenz auch diesen Straftatbestand über die Definition von Diebstahl so entschärft, dass man sich Jahrzehnte in der muslimischen Welt aufhalten kann, ohne jemand zu begegnen, dem eine Hand fehlt. Dies liegt nicht am Mangel an Dieben, sondern an der liberalen Diebstahlsdefinition der islamischen Jurisprudenz. Danach liegt Diebstahl nur bei Wegnahme größerer, gesicherter Wertgegenständen vor, die nicht in öffentlichem Eigentum stehen.

In Notzeiten wurde die Verfolgung von Diebstahl schon seit dem Kalifen 'Umar suspendiert. Doch selbst in normalen Zeiten lässt man dieses Delikt in nur wenigen Wochen »verjähren« so dass es auch hier nur äußerst selten zu einer Verurteilung - und noch seltener zu einer Vollstreckung des Urteils - kommt. Wenn Islamkritiker positive Vorschriften im Qur’an finden - wie etwa das Toleranzgebot in al-Baqara:
256 oder al-Mä ida: 48 - wischen sie diese Normen gerne vom Tisch, weil die Realität ganz anders sei. Finden sie aber eine auf sie negativ wirkende Vorschrift - wie die Strafe für Diebstahl - fixieren sie sich auf die Norm, ohne die Realität zu berücksichtigen. Der islamischen Weit die normative Behandlung des Diebstahls im (auf an ohne Berücksichtigung der humanen Praxis entgegenzuhalten, entspricht daher einem Messen mit zweierlei Maß.

Dieser Überblick führt zu der Schlussfolgerung, dass die Menschenrechte im Islam nicht voll mit den Menschenrechts-Pakten der Vereinten Nationen übereinstimmen, weshalb diese denn auch von vielen muslimischen Ländern nur unter dem Vorbehalt ratifiziert wurden, dass die Scharia davon unberührt bleibt. Wie wir gesehen haben, ist der Konfliktsbereich andererseits so klein, dass der Islam als ein komplementäres Menschenrechtssystem verstanden werden kann. Was den Konfliktbereich anbetrifft, habe ich gezeigt, wie er auf einzelnen Gebieten im Wege einer islamkonformen Neuinterpretation der Quellen (idjtihad) und der strikten Einhaltung des islamischen Strafverfahrensrechts wenn nicht bereinigt, so doch entschärft werden kann.
Doch dieses Verfahren hat Grenzen, weil die Scharia als göttliches Recht letztlich nicht zur Disposition steht, auch dann nicht, wenn Änderungen scheinbar im öffentlichen Interesse (maslaha) stünden. Soweit sich der Konflikt deshalb nicht lösen lässt, bleibt den Muslimen nur übrig, ihn auszusitzen, bis der Wind der Moderne und Postmoderne in einer Post-Post-Moderne wieder dreht. Das gilt z. B. hinsichtlich der rechtlichen Aufwertung gleichgeschlechtlicher Verhältnisse analog zur normalen Ehe. In dieser und anderer Hinsicht gilt es einfach, Geduld zu zeigen. Geduld ist eine muslimische Primärtugend.

Von Murad Hoffmann


Nun zur Strafe der Steinigung. Steinigungen werden zunächst ausgeführt von den durch den Schaden eines Ehebruchs betroffenen männlichen Personen. Hieran kann man sehen, welche Kreise solch eine Bestrafung nach sich zieht. Viele Menschen fühlen sich dadurch betroffen. Bei all unseren Ausführungen bleibt aber in unseren Blick: wie kommt es zu einem Strafprozess wegen Ehebruch? Zu einer Anklage wegen Ehebruch braucht der Ankläger vier glaubwürdige Zeugen. Meine Frage nun an den Fragesteller: Wann nimmt sich ein Ehebrecher vier Zeugen, um seine Tat zu bekunden? Ehebruch geschieht in aller Heimlichkeit. Infolgedessen werden wir sehr selten Prozesse dieser Art führen. Aus der Geschichte des Propheten wissen wir, dass Ehebrecher sich selbst anklagten und eine Bestrafung forderten. einen Prozess mit vier Zeugen hat es meines Wissens zur Zeit des Propheten nie gegeben. Wohl aber die Strafe der Steinung aufgrund von Selbst- bezichtigung.

Gruß
Zehra
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Steinigung - von Gast - 05-02-2003, 09:11
[Kein Betreff] - von Shia - 05-02-2003, 17:07
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