(28-06-2014, 19:37)Ekkard schrieb: Möglich! Aber das Verstehen eines Textes ist selbst Interpretation - egal in welcher Version. Wir wissen einfach nicht, welche Vorstellungen von "Göttern" (Elohim) in Bezug auf den Psalm geherrscht haben.
Sicherlich koennen wir nicht dem Autor in den Kopf gucken, aber wir haben eine sehr gute Vorstellung davon, auf welchem Boden der Jahwe-Kult gewachsen ist, und zu dieser Vorstellung passt der Text, wie er in der Einheitsuebersetzung steht, sehr gut. Das AT laesst in vielerlei Hinsicht diese henotheistische Grundeinstellung erkennen. Jahwe ist ein "eifersuechtiger" Gott. Die Frage, auf die wir heutzutage gerne diese uebertragenen Antworten geben, beantwortet das AT an vielen Stellen recht deutlich: auf die anderen Goetter.
(28-06-2014, 19:37)Ekkard schrieb: Und dann bleibt immer noch die Frage, was der Psalm vormals wollte. Das Ganze (Ps. 82) klingt nach Gotteslob und zugleich Verlangen nach und Lob der Gerechtigkeit. So, wie Bion (heute, 12:42 Uhr) das beschrieben hat, wird hier eine Dichtung vorgetragen, die auch mal Pathos mit "schwärmerischer Freiheit" (übertragener Sinn) entwickelt.
Im selben Post hat Bion auch die Deutung des Textes selbst geschrieben, die halt zur geschichtlichen Situation passt.
Ich habe generell das Gefuehl, dass wir beide hier aneinander vorbei reden, genau wie im "Buerde der Protestanten"-Thread. Wie in der Lutherbibel klar wird, werden oft schon bei der Uebersetzung theologische Konzepte in den deutschen Text rueckprojiziert, die so im Original eigentlich nicht vorhanden sind. Ich denke, man sollte hier die Ebenen sauber trennen:
1. Eine adaequate, neutrale Uebersetzung des Originaltexts, so weit wie moeglich. Ich gebe Dir Recht, dass das auch schon Interpretation der Originalworte enthaelt, aber die sollte halt neutral ausfallen und nicht von neuzeitlichen Doktrinen.
2. Eine Ueberlegung darueber, wie der Text im historischen Umfeld zu verstehen war.
3. Die theologische Aufarbeitung in dem Sinne, welche Bedeutung das fuer uns und den Glauben heute hat.
Was ich hier sehe, ist, dass in der Lutherbibel Punkt 3 schon in Punkt 1 injiziert wird. In der Einheitsuebersetzung ist das nicht der Fall, d.h., die Uebersetzung selbst ist dort neutral. aber Punkt 3 wird in einen Kommentar geschoben. Fairerweise gehoeren solche Dinge nicht in die Uebersetzung, auch wenn eine Uebersetzung das nie ganz vermeiden kann; und hier gibt es halt eine offensichtliche Bedeutung, die schlicht ignoriert wird.
Punkt 2 ist irgendwie verbotenes Denken, weil das Christentum vom Himmel gefallen ist und sich nicht entwickelt hat und damit auch keine Geschichte haben darf, die an der Lehre ruettelt. Es ist schon irgendwie paradox, dass die Bibel Geschichte genug sein soll, um mit diesem Buch ins Heilige Land zu fahren und Archaeologie zu betreiben, um das Haus von Petrus auszugraben, aber wenn's dann um die Geschichte der Religion selbst geht, darf man da nicht an den liebgewonnenen Gewissheiten ruetteln, selbst wenn die Hinweise vor den Augen Purzelbaeume schlagen, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Im Prinzip ist das ein Leugnen der eigenen Herkunft. Anscheinend muss man die Geschichte der christlichen Religion, die einen ja ueberall aus diesem Buch noch anschaut, ausblenden, um da noch irgendetwas fuer den eigenen Glauben herauszuziehen. Schade eigentlich.

