29-06-2014, 18:46
(28-06-2014, 23:49)Ekkard schrieb:(28-06-2014, 21:19)Erich schrieb: Unter Toleranz verstehe ich die Akzeptanz des Handelns, der Tradition, der Bräuche, der Religionen bzw. des Agnostizismus/Atheismus eines jeden Menschen bis zu einer Grenze, die niemand überschreiten darf. Diese Grenze ist dann überschritten, wenn jemand einem Dritten oder der Gesellschaft insgesamt einen irdischen (nicht jedoch einen gedachten himmlischen!) Schaden zufügt ...Nur, diese Toleranz tut bisweilen weh und bedeutet Verzicht auf die eigene Machtbasis beispielsweise jener Mehrheit, der ich angehöre.
Ich vermute, Du verstehst unter „Mehrheit“ das Christentum, dessen katholischem und evangelischem Zweig zumindest bis vor ein paar Jahren je rund 1/3 der BRD-Bevölkerung angehörten (die aktuellen Zahlen sind mir momentan nicht bekannt). Nur dass die alle das glauben, was im ökumenischen Glaubensbekenntnis bekannt wird, ist eher unwahrscheinlich. Das Ergebnis einer Umfrage zeigte, dass weniger als 50% der Bevölkerung der BRD an die Existenz eines personalen Gottes glauben und in dieses Ergebnis floss wohl auch noch eine signifikante Anzahl von Antworten aus nichtev. oder – kath. Glaubensgemeinschaften ein, darunter auch die gläubiger Muslime. D ist demnach nicht mehr von den beiden großen christlichen Konfessionen dominiert.
Im Übrigen wird ja noch immer etwas versucht, was als Festklammern an den vorhandenen Resten einstiger politischer „Machtbasis“ gedeutet werden könnte, jedenfalls von Seiten der RKK (nicht der EKD!), was deren Widerstand u.a. gegen die sog. Homoehe, und in einem europäischen Staat, Malta, auch gegen die Legalisierung bis dahin juristisch nicht möglicher Ehescheidungen zum Ausdruck bringt – beides allerdings relativ erfolglos.
Die frühere Meinungsdominanz der Religion ist in Westeuropa gebrochen, hoffentlich für immer!
(28-06-2014, 23:49)Ekkard schrieb: Das Argument, eine Ein-Gott-Lehre verführe zur Intoleranz oder erzwinge sie geradezu, hört bzw. liest man öfters - auch bereits hier im Forum. Dies wird mit der Intoleranz dieses einen Gottes gegenüber den anderen Göttern begründet. Hier stimme ich Mustafa zu: Diese Ansicht lässt sich nicht halten. Es mag zwar im Römischen Reich um die Zeitenwende viele Götter gegeben haben, aber irgend eine Toleranz der Römer ist nicht erkennbar. Die unterlegenen Völker hatten sich gefälligst zu fügen, auch religiös. (Sie durften bestenfalls irgendwo ein weiteres Altärchen aufstellen. Das ist ein Pflästerchen aber keine Toleranz!)
Ganz im Gegensatz zu gläubigen Monotheisten führten Römer und, soweit ich das überblicken kann, auch andere Polytheisten keine Kriege um den Glauben an ihre Götterfamilien anderen aufzuzwingen und versuchten auch nicht die angeblich wahre Lehre dadurch zu schützen, dass sie vorgebliche Irrlehren bekämpften. Das blieb, zumindest m.W., weltweit den Monotheisten vorbehalten. Was Du wahrscheinlich meinst, ist der römische Kaiserkult, der ein Bindeglied für das Vielvölkerimperium mit seinen unterschiedlichen Kulturen bilden sollte. Dieser Kult war zeitweise im Imperium Romanum verbindlich, forderte aber keine religiöse Gruppe auf, ihre Götter zu verlassen. Bestraft wurden nur die, die aus religiöser Überzeugung dem Kaiser nicht opfern wollten – und das waren wohl ausnahmslos Monotheisten, die sich von ihrem Märtyrertod ebenso wie früher und heute die Selbstmordattentäter Belohnung im gedachten Jenseits versprachen.
(28-06-2014, 23:49)Ekkard schrieb: Der heutige Monotheismus ist zudem geradezu verseucht mit Staatsideologien, die gar nichts mit dem Einen Gott oder den vielen Göttern zu tun haben, sondern mit jener Dominanz, die bereits die polytheistischen Römer (und andere Hegemonial-Mächte) an den Tag legten.
Der „heutige Monotheismus“ lehrt und fordert Verhalten ein, was vor 1500, bzw. > 2000, bzw. um die 2500 Jahren kreiert und als gottgewolltes Handeln dargestellt wurde. Dass er, vielleicht außerhalb des Vatkans, von „Staatsideologien verseucht“ sei, kann ich nicht feststellen. Eher, viel eher, scheint er in wesentlichen Teilen der islamischen Welt tragende Kraft dieser Staatsideologien zu sein und das war im Abendland ebenso, bis zu dem Zeitpunkt der politischen Teilentmachtung der christlichen Konfessionen.

