(16-01-2015, 22:05)emporda schrieb: Das erste bekannte Evangelium ist der muratorische Kanon von 170 n.C.
Ganz so simpel ist das nicht. Du meinst wohl auch "Neues Testament" anstelle von "Evangelium". Die Idee eines Neuen Testaments stammt wohl von Markion von Sinope, der als erster eine solche Sammlung erstellt hat, die aber gemaess seiner Lehre nur ein Evangelium (nach spaeterer Identifizierung angeblich das von Lukas), 10 Briefe des Paulus und eine eigene Schrift, die sogenannten "Antithesen", enthielt. Dies war wahrscheinlich die Initialzuendung dafuer, dass die spaetere orthodoxe Kirche selbst so etwas wie ein eigenes Neues Testament haben wollte, wobei bis dahin wohl der muendlichen Ueberlieferung Vorrang gegeben wurde.
Nach Trobisch waren die Kerne des NT uebrigens vier verschiedene Sammlungen: eins der vier Evangelien (nach der Theorie von Irenaeus), eine Sammlung der paulinischen Briefe und des Hebraeer-Briefes (diese wurde mehrfach, ueber mindestens drei Stufen, erweitert), eine Sammlung der Apostelgeschichte und der katholischen Briefe, sowie als Einzelbuch die Offenbarung des Johannes. Das Gesamtwerk des NT zeigt Anzeichen dafuer, dass es einen einzigen Endeditor gehabt hatte, wer auch immer das war.
Von Kanonisierung kann man beim Osterbrief des Athanasius auch nicht sprechen. Die aeltesten erhaltenen, kompletten Bibeln enthalten weitere Texte (z.B. Didache und Hirt des Hermas im Codex Sinaticus), und selbst der von mir oben genannte Codex Fuldensis von 546 enthaelt immer noch ein Diatessaron anstelle der 4 Evangelien und einen (paulinischen) Brief an die Laodizener.