26-04-2016, 21:46
(24-04-2016, 19:46)Ulan schrieb:(24-04-2016, 16:29)recru443 schrieb: Dass der im Jahre 70 zerstörte Jerusalemer Tempel eben der letzte war, zeigt, wie sehr der mit ihm verbundene Kult längst an Ansehen verloren hatte. Allein die aus dem Exil Zurückgekehrten fühlten sich ihm verbunden – die Diaspora folgte der opferkritischen Richtung....
Deine Zitate beschreiben im Prinzip das, was man "aus der Not eine Tugend machen" nennt. Da der einzige Ort, an dem Opfer erlaubt waren, fuer Juden nicht mehr zugaenglich war, musste wohl oder uebel die Vorschrift geaendert werden. Anstatt die Gesetze zu aendern und die Grossopfer woanders zu erlauben, wurde diese Opfer schlicht suspendiert, bis der Tempel wieder erbaut ist.
Das Judentum musste sich nach der Zerstoerung halt neu erfinden. Insofern ist die heutige Form des Judentums auch nicht aelter als das Christentum.
Das Opfer stand im Zentrum jeder Astralreligion des Alten Orients. Seine Verwerfung war ein epochaler Schritt, der nicht einfach mal eben so erfolgte, weil aus einer Not eine Tugend gemacht werden musste. Er war nicht das Ergebnis einer spontanen Improvisation; das ganze hatte einen Vorlauf. Zakkai zitiert mit „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer“ den Propheten Hosea (6:6). Das ist ein Hinweis darauf, dass der Kult schon lange in der Krise steckte. Wenn das alles nur eine opportunistische Veranstaltung gewesen sei, wäre es auch erstaunlich, dass es das Judentum bis heute gibt – denn: wer hält denn lange zu so etwas? Dass sich das Judentums bewusst um die Opferkritik herum ausbildete, davon zeugt auch die Standhaftigkeit gegen jede christlichen Missionierungsversuche: In Jesus erkannte die Judenheit ein neues Opfer, womit man eben längst abgeschlossen hatte.