(13-06-2016, 09:02)Linus schrieb: Wie ist dies nun wieder zu verstehen? Gehst Du davon aus, dass alles im NT frei erfunden ist? Stellt sich die Frage, wieso Du Dich so intensiv damit befasst?
Oder nur ein Teil?
Oder kann, was 'ausgedacht' ist, nicht dennoch wahr sein?
In diesem Kontext beziehe ich mich ganz konkret auf den in diesem Thread bereits dargestellten Befund, dass diese beiden Zeilen in den aeltesten Textzeugen dieses Evangeliums nicht enthalten sind (und auch nicht in einer ganzen Texttradition bis ins Spaetmittlealter) oder, wie im Codex Sinaiticus und weiteren spaeteren Manuskripten als "suspekt" gekennzeichnet sind. In einer weiteren Texttradition sind die Zeilen ins Matthaeus-Evangelium anstelle des Lukas-Evangeliums eingefuegt. Wenn die altesten Textzeugen aus dem 3. Jahrhundert diese Zeilen nicht enthalten, sie fruehestens im 4. Jahrhundert in einer begrenzten Anzahl von Manuskripten auftauchen und oft als "suspekt" gekennzeichnet sind, dann spricht das schlicht fuer eine Faelschung aus dem 4. (oder evtl. 3.) Jahrhundert. Da die Doketismus-Debatte bereits seit dem 2. Jahrhundert tobte, ist das Motiv fuer die Faelschung auch klar. Da wollte schlicht jemand seine theologische Auslegung in den Text hineindruecken, um diesen theologischen Kampf in seinem Sinne zu entscheiden (was ja dann auch geschah). Das ist ja auch kein Einzelfall.
Eine gute Bibeluebersetzung weist darauf uebrigens auch hin. Bei der Einheitsuebersetzung (also der katholischen Bibel) steht z.B.: "43f: Diese zwei Verse fehlen bei wichtigen Textzeugen; sie sind vermutlich nicht urspruenglich."
Die Frage, was "wahr" ist, ist eine komplett andere. Keiner der Evangelienschreiber war, der heutigen Auffassung der Bibelforschung nach, Zeuge der Vorgaenge. Insofern haben sie alle nur geschrieben, was sie von anderen hoerten oder was sie sich vorstellten. In dem Sinne steht es Dir frei, Dir vorzustellen, was Du moechtest.

