(17-06-2016, 00:26)Ekkard schrieb: Das stimmt zwar. Die Aussage räumt aber ein, dass Transzendentes reine Fiktion ist.
Ich würde sagen: dass Transzendentes reine Fiktion sein kann. Dass wir keine Aussage treffen können, sagt erstmal nichts über die Existenz aus. Erst dort, wo wir einer Sache Eigenschaften zuordnen, können wir abhängig von den Eigenschaften prüfen, ob die Sache existiert. Das Transzendente hat im weiteren Sinne keine bestimmbaren Eigenschaften außer "nicht erfahrbar" zu sein. Etwas das keine Eigenschaften hat, ist im eigentlichen Sinne nicht existent, aber auch hier greift die Einsicht, dass Sein und Nichtsein im wesentlichen identisch sind.
Zitat:Religiöse Texte bekennen sich demnach zu bestenfalls intersubjektiven Vorstellungen, die keiner Realität entsprechen müssen. (Sittenregeln kann man aus der Einsicht gewinnen, dass es für eine Gesellschaft besser ist, in vereinbarten Grenzen zu kooperieren. Da braucht man keine transzendente Institution!)
Das ist gut beschrieben. Vor einiger Zeit las ich das Statement eines Theologen, dass christliche Werte nicht aus sich heraus gut seien, sondern als gut erkannt wurden, weil sie sich als gut bewährt hätten.
Das ist eine interessante Unterscheidung zur muslimischen Auffassung, die davon ausgeht, dass die Werte im Koran aus sich selbst heraus gut seien, da Gott gut wäre, unabhängig von der Frage, ob die Werte sich auch als gut bewährt haben. Das ist insofern interessant, da es einräumt, dass christliche Werte, wo sie sich nich als gut bewährt haben, auch nicht als gut einsichtig sind. Es bindet die Werte an den Erfahrungsschatz der Menschen mit eben diesen Werten und beansprucht keine objektive Moral.
Die ganze Theologie basiert ja auf diesem Gedanken des Bundes, diesem Vertragsdenken. Vermutlich liegst Du mit Deinem Gedanken richtig, dass es bei Gott darum geht, die Gläubigen zu binden und einem Wertesystem dadurch Stabilität zu verleihen. Die vielen kämpferischen Auseinandersetzungen und das harte Vorgehen gegen (vom Vertrag) Abweichende, in der christlichen Geschichte, und das radikale Vorgehen in der medinensischen Zeit des Islam gegen Polytheisten, die vom Bund mit den monotheistisch Gläubigen abfielen, sprechen für Deine Theorie. Wenn wir an Assmann denken und seine Theorie vom exkludierenden Monotheismus, vom eifersüchtigen Gott, schlägt dies ebenfalls in die Kerbe: der frühe YHVH sagte nicht "Es gibt keine anderen Gott", sondern "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" (2 Mose 20,3), d.h. es geht um einen exklusiven Vertrag zwischen einem Gott und dem auserwählten Volk. Das Volk Israel wählte einen Vertrag mit einem speziellen Gott, neben dem es keine anderen Götter haben wollte, und Gott erwähle dieses eine Volk, mit dem er seinen Vertrag einging.
Zitat:Meine Antwort auf die aufgeworfene Frage nach der Realität Gottes lautet hiernach: Die Vorstellung von Gott bindet die Gläubigen an die Tradition bzw. deren Sittenregeln.
Was der Grund ist, warum Gläubige ihren Gott nur so denken können wie sie ihre Sittenregeln gedacht haben. Das bindet Gott.

