13-05-2018, 09:15
@Ekkard: So rein allgemein und theoretisch, wie Du Deinen Einwand formulierst, habe ich auch gar kein Problem damit. Falls Du im konkreten Fall damit andeuten willst, dass das Toetungstabu in der deutschen Gesellschaft sehr weitreichend ist, so ist das natuerlich richtig, und wir alle profitieren ja auch davon (auch wenn es in einigen Faellen zu einem unehrlichen Umgang mit existierenden Realitaeten fuehrt). Allerdings haette ich auch drei Einwaende:
1. Die "liebgewonnene Vorstellung", die ich hier ansprach, geht weit ueber den gesellschaftlichen Konsens hinaus. Der Thread ist ein Beispiel dafuer, wie wir oft als Mensch versuchen, auch relativ extreme Ansichten zu rationalisieren; wobei die Ansicht, ueber die wir hier sprechen, erst einmal scheinbar niemandem schadet. Mein Haupteinwand war, dass die Konfliktscheu hier so weit geht, dass reale Probleme schlicht ignoriert werden. Ich erkenne an, dass es Logonat hauptsaechlich um die Form der Auseinandersetzung geht, aber wie lange soll eine Gesellschaft "die andere Wange hinhalten", wenn die andere Seite den Hinweis ignoriert; wir haben doch nur zwei Wangen. Natuerlich kann auch das "Probleme unter den Teppich Kehren", das hier zum Vorschein kam, einem gesellschaftlichen Konsens entsprechen. Die deutsche Kanzlerin wird ja oft als Personifizierung dieses Prinzips bezeichnet, also mag auch das eine Rolle spielen.
2. Dein letzter Satz spricht aber auch ein grundsaetzliches Problem an. Das biblische "Du sollst nicht morden" richtete sich ja gegen einen gesellschaftlichen Konsens, und hier spezifisch den, dass Auseinandersetzungen zwischen Familiien mittels Blutrache geloest werden. Als gesellschaftliches Prinzip ist dies so stark, dass es das auch heute noch gibt, wenn auch, nach mehreren Tausend Jahren des Kampfes dagegen, eher selten (bei uns nicht zuletzt deshalb, weil der Staat sein Gewaltmonopol recht rigoros durchgesetzt hat). Dies ist sicherlich ein Beispiel fuer das Beharrungsvermoegen eines gesellschaftlichen Konsenses, der erst langsam durch einen anderen abgeloest wurde. Es ist aber auch ein Beispiel eines Konsenses, den man hinterfragt und zu ueberwinden versucht hat. Nur weil man im allgemeinen ueber einen gesellschaftlichen Konsens nicht nachdenken muss, heisst das nicht, dass man es nicht wenigstens mal versuchen sollte, wenn es dafuer einen Grund gibt.
3. Mein dritter Einwand waere der, dass, neben Appellen an den "gesunden Menschenverstand" und die Logik von Kindern ja auch versucht wurde, eine Begruendung zu geben, wobei die Begruendung sich, einerseits, auf ein Dokument stuetzte, um sie zu legitimieren, dasselbe Dokument dann aber, andererseits, als Begruendung fuer andere Meinungen, die darin auch zum Ausdruck kommen, demontiert wurde. Dagegen gibt es zwar keinen prinzipiellen Einwand (Interpolationen sind ein gaengiges Prinzip in der wissenschaftlichen Behandlung des Bibeltextes), aber die spezifische Begruendung war hier ziemlich schwach. Die sah mir hier weniger nach gesellschaftlichem Konsens als nach einer sehr persoenlichen Sichtweise aus, die ueber den Hinweis auf den "gesunden Menschenverstand" zu legitimieren versucht wurde. Man ist Mensch, man hat Verstand und ist gesund, also muss das Produkt des eigenen Verstandes richtig sein, und mit jedem, der eine andere Ansicht hat, ist etwas nicht in Ordnung.
1. Die "liebgewonnene Vorstellung", die ich hier ansprach, geht weit ueber den gesellschaftlichen Konsens hinaus. Der Thread ist ein Beispiel dafuer, wie wir oft als Mensch versuchen, auch relativ extreme Ansichten zu rationalisieren; wobei die Ansicht, ueber die wir hier sprechen, erst einmal scheinbar niemandem schadet. Mein Haupteinwand war, dass die Konfliktscheu hier so weit geht, dass reale Probleme schlicht ignoriert werden. Ich erkenne an, dass es Logonat hauptsaechlich um die Form der Auseinandersetzung geht, aber wie lange soll eine Gesellschaft "die andere Wange hinhalten", wenn die andere Seite den Hinweis ignoriert; wir haben doch nur zwei Wangen. Natuerlich kann auch das "Probleme unter den Teppich Kehren", das hier zum Vorschein kam, einem gesellschaftlichen Konsens entsprechen. Die deutsche Kanzlerin wird ja oft als Personifizierung dieses Prinzips bezeichnet, also mag auch das eine Rolle spielen.
2. Dein letzter Satz spricht aber auch ein grundsaetzliches Problem an. Das biblische "Du sollst nicht morden" richtete sich ja gegen einen gesellschaftlichen Konsens, und hier spezifisch den, dass Auseinandersetzungen zwischen Familiien mittels Blutrache geloest werden. Als gesellschaftliches Prinzip ist dies so stark, dass es das auch heute noch gibt, wenn auch, nach mehreren Tausend Jahren des Kampfes dagegen, eher selten (bei uns nicht zuletzt deshalb, weil der Staat sein Gewaltmonopol recht rigoros durchgesetzt hat). Dies ist sicherlich ein Beispiel fuer das Beharrungsvermoegen eines gesellschaftlichen Konsenses, der erst langsam durch einen anderen abgeloest wurde. Es ist aber auch ein Beispiel eines Konsenses, den man hinterfragt und zu ueberwinden versucht hat. Nur weil man im allgemeinen ueber einen gesellschaftlichen Konsens nicht nachdenken muss, heisst das nicht, dass man es nicht wenigstens mal versuchen sollte, wenn es dafuer einen Grund gibt.
3. Mein dritter Einwand waere der, dass, neben Appellen an den "gesunden Menschenverstand" und die Logik von Kindern ja auch versucht wurde, eine Begruendung zu geben, wobei die Begruendung sich, einerseits, auf ein Dokument stuetzte, um sie zu legitimieren, dasselbe Dokument dann aber, andererseits, als Begruendung fuer andere Meinungen, die darin auch zum Ausdruck kommen, demontiert wurde. Dagegen gibt es zwar keinen prinzipiellen Einwand (Interpolationen sind ein gaengiges Prinzip in der wissenschaftlichen Behandlung des Bibeltextes), aber die spezifische Begruendung war hier ziemlich schwach. Die sah mir hier weniger nach gesellschaftlichem Konsens als nach einer sehr persoenlichen Sichtweise aus, die ueber den Hinweis auf den "gesunden Menschenverstand" zu legitimieren versucht wurde. Man ist Mensch, man hat Verstand und ist gesund, also muss das Produkt des eigenen Verstandes richtig sein, und mit jedem, der eine andere Ansicht hat, ist etwas nicht in Ordnung.