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die welt der taoisten
#5
Hier eine Geschichte (Tschuang-tse XIV,5)

K'ung-tse [Konfuzius] war einundfünfzig Jahre lang auf Erden gewandelt und hatte noch nicht das Tao vernommen. Da ging er südwärts nach P'e und besuchte den Lao-tse.
Lao-tse sprach: "So? Seid ihr da? Ich höre, dass ihr ein weiser Mann im Norden seid. Habt ihr auch das Tao erlangt?"
K'ung-tse antwortete: "Noch nicht."
Lao-tse sprach: "Wie habt ihr es gesucht?"
K'ung-tse antwortete: "Ich suchte es in Maß und Zahl fünf Jahre lang und habe es nicht erlangt. Dann suchte ich es in den Urkräften des Weltalls zwölf Jahre lang und habe es nicht erlangt."
Lao-tse sprach: "Selbstverständlich! Wenn das Tao etwas wäre, das sich darbieten ließe, so würde jedermann es seinem Herrscher darbieten. Wenn es etwas wäre, das sich überreichen ließe, so würde jedermann es seinen Eltern überreichen. Wenn es etwas wäre, das sich anderen mitteilen ließe, würde jedermann es seinen Brüdern mitteilen. Wenn es etwas wäre, das sich anderen schenken ließe, würde jedermann es seinen Söhnen und Enkeln schenken. Begriffe sind allgemeine Werkzeuge; man darf nicht zuviel darauf geben.
Liebe und Pflicht sind die Nothütten der alten Könige; man kann eine Nacht darin verweilen, aber nicht dauernd darin wohnen, sonst stellen, die uns zusehen, zu große Anforderungen an uns. Die höchsten Menschen der alten Zeit benützten die Liebe als Pfad und die Pflicht als Herberge, um zu wandern im Raum freier Muße. Sie nährten sich vom Feld der Wunschlosigkeit und verweilten im Garten der Bedürfnislosigkeit. Wandern in Muße ist Nicht-Handeln [wu-wei]. Wunschlosigkeit zu ernähren ist leicht, und Bedürfnislosigkeit braucht keinen Aufwand. Sie nannten das: Wanderschaft, bei der man die Wahrheit pflückt. Die aber Reichtum für ihr Leben halten, sind nicht imstande anderen ihr Einkommen zu gönnen. Die Berühmtheit für ihr Leben halten, sind nicht imstande anderen ihren Namen zu gönnen. Die der Macht zugetan sind, sind nicht imstande anderen ihren Einfluss zu gönnen. Haben sie diese Güter in Händen, so zittern sie darum; wenn sie sie hergeben müssen, so kommen sie in Trauer; und das Eine findet keinen Raum wo es sich spiegeln könnte. Wenn man ihre ewige Rastlosigkeit betrachtet, so muss man sagen, das sind die Leute, die der Himmel zur Sklaverei verdammt hat.
Liebe und Hass, Nehmen und Geben, Lernen und Lehren, Zeugen und Töten: diese acht Dinge sind Werkzeuge des Vollkommenen. Aber nur wer dem großen Wechsel zu folgen imstande ist und nirgends haftet, vermag sie sich zunutze zu machen. Darum heißt es: Wer andere recht macht, muss selber recht sein. Wer das im Herzen nicht erfahren hat, dem öffnen sich nicht die Tore des Himmels."

() qilin
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die welt der taoisten - von schwarze-moewe - 19-02-2003, 13:22
[Kein Betreff] - von Steffen - 19-02-2003, 13:49
[Kein Betreff] - von schwarze-moewe - 20-02-2003, 14:38
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So ist es mit dem Tao - von qilin - 23-03-2003, 08:33
[Kein Betreff] - von schwarze-moewe - 27-03-2003, 10:39

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