(19-12-2018, 16:37)Ulan schrieb: "Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht
Da hat Rabbi Hillel wohl aus dem Buch Tobit zitiert:
Tobit 4:15 (Einheitsübersetzung) Was dir selbst verhasst ist, das mute auch einem anderen nicht zu!
Buch Tobit - Wikipedia
"Das Buch Tobit ist ein ( . . . ) apokryphes Buch des Alten Testaments, das wahrscheinlich um 200 v. Chr. auf Aramäisch in Palästina oder der ägyptischen Diaspora verfasst wurde. Von seiner Form her kann man es als lehrhafte Novelle oder als antiken Roman einordnen. Das Buch wurde nicht in den jüdischen Kanon aufgenommen"
Mit seinem berühmten Spruch hat Rabbi Hillel Sympathie zu diesem apokryphen Buch angedeutet, das nicht in den jüdischen Kanon aufgenommen wurde
Spannendes Thema!
Lesen wir weiter in: Buch Tobit - Wikipedia
"Das Buch wurde nicht in den jüdischen Kanon aufgenommen, ist aber Teil der Septuaginta und wird von der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen als Teil des Schriftenkanons des Alten Testaments angesehen."
Sicher hat Rabbi Hillel das Buch Tobit gekannt, wenn es Teil der Septuaginta war !
Jeder Rabbiner wußte von der Existenz der griechischsprachigen Septuaginta, gleichwohl wie er zu ihr stand.
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Allerdings war Tobit 4:15 keine hochrangige Norm, dies erkennt man, wenn man den zweiten Satz mitliest:
"Was dir selbst verhasst ist, das mute auch einem anderen nicht zu!
Betrink dich nicht; der Rausch soll nicht dein Begleiter sein."
Es dürfte sich um eine allgemeine Lebensweisheit handeln
weil sie in einem Atemzug mit der Warnung vor Wein ausgesprochen wurde
Im Wikipedia ist der Ratschlag "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu" als "Goldene Regel" bekannt:
Goldene Regel - Wikipedia
"Als Goldene Regel (lateinisch regula aurea; englisch golden rule) bezeichnet man einen alten und verbreiteten Grundsatz der praktischen Ethik, der auf der Reziprozität menschlichen Handelns beruht:
„Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“
Die negative Fassung ist als gereimtes Sprichwort bekannt:
„Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“"
Ein Grundsatz der praktischen Ethik
Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu ist möglicherweise die Quintessenz der Thora - in dem Sinne gemeint, daß die Thora neben den vielen Regeln der Ehrung des Schöpfers viele Anweisungen zum Erhalt des Gemeinwohls gibt.
Ein Nichtjude stellte Rabbi Hillel eine sehr schwer lösbare Frage: die Lehre des Judentums in kurzen Worten zusammenzufassen
Hillel - Wikipedia
"Seinen Aussagen nach lässt sich die Tora in einer „Goldenen Regel“ zusammenfassen. Die Frage nach dem „Klal“, nach dem einen Gebot, in dem die ganze Tora enthalten ist, ist eine beliebte Frage unter rabbinischen Gelehrten. Jahrzehnte vor Jesus stellte ein Nichtjude eine solche Frage an Rabbi Hillel: Wenn du mir die Lehre des Judentums vermitteln kannst, solange ich auf einem Bein stehe, werde ich konvertieren. Die Szene ist auf der großen Menora vor der Knesset in Jerusalem im Relief dargestellt. Rabbi Hillel antwortete:
„Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora und alles andere ist nur die Erläuterung; geh und lerne sie.“"
Meinst Du diese Episode ?
Das war eine elegante Antwort auf eine schwierige Fragestellung. Aber darauf eine Reduzierung der ganzen Thora mit ihren 613 Normen (von denen manche rein kultischer Art sind) auf diesen einen Satz zu erkennen, scheint lächerlich. Das hat Rabbi Hillel sicher nicht so gemeint
Ein aus dem Zusammenhang gegriffener Satz
Da hätte er alle Rabbiner und sich selbst brotlos gemacht.
Der Satz "Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht" konnte von allen Heiden (Griechen, Römern usw) problemlos angewendet werden - dies wäre eine Selbstaufgabe der jüdischen Religion gewesen.
Rabbi Hillel wollte sicher nicht die Thora abschaffen und durch diesen einen Satz ersetzen
Wie gesagt, vermute ich, daß Rabbi Hillel durch eine elegante Antwort auf eine schwierige Fragestellung konterte
Das ist so, wie wenn einer fragt, was das Fundament der Mathematik ist - und der Professor antwortet: 1 +1 = 2
Darauf kann man aber nicht das dicke Lehrbuch wegwerfen und fröhlich nach dem Motto "Hurra die Schule brennt" aus der Universität hinauslaufen und nach Hause gehen
(19-12-2018, 16:37)Ulan schrieb: Dieser Thread hat als Thema die Gegensaetze, die Jesus unter anderem in der Bergpredigt aufzeigt. Oswaldo sieht das als Gegensatz zwischen dem Legalismus der Tora und dem Prinzip der Naechstenliebe, das Jesus seiner Meinung nach eingefuehrt hat.
Um hier ernsthaft diskutieren zu können, sollten wir vorher definieren, wer "der Nächste" im Sinne Jesus war.
War das der jüdische Nachbar, auch der Jude im fernen Tarsus oder Alexandria - oder war damit auch ein Kanaanäer gemeint ?
Wenn man Matthäus 15:21-26 liest, dann sieht man, was Jesus dachte.
Jesus verglich junge Kanaanäer mit Tieren