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Fernhandel in der Bronzezeit
#2
Na ja, ein Buch, dessen Inhalt niemand kennt, hilft erst einmal niemandem.

Dass das Thema "Kollaps am Ende der Bronzezeit" derzeit hochkommt, hat mit gewissen Parallelen zu unserer heutigen Situation zu tun. Fuer einige Jahrhunderte am Ende der Bronzezeit im oestlichen Mittelmeerraum schauen wir auf eine Art "globalisierte" Wirtschaft (natuerlich nicht wahre "Globalisierung", aber einen Wirtschaftsraum von der Ostsee bis Aethiopien und vom Antlantik bis nach Zentralasien), der von Fernhandelsguetern abhaengig war. Die Rolle des Oels, also eines Guts, das zwar jeder brauchte, aber nur weit weg zu haben war, spielte damals das Zinn. Dass wir damals auch auf eine Katastrophe, in der Klimawandel eine Rolle spielte, schauen (in Form einer Duerre, die im Mittelmeerraum, je nach Ort, 150 bis 350 Jahre anhielt), gibt eine weitere Parallele. Die Folge war ein "Dark Age", in dem Schrift fast verschwand, Produkte wie Keramik etc. stark vereinfacht wurden, Luxusgueter verschwanden und die Bevoelkerung wohl stark zurueckgegangen war. In diesem "Dark Age" sind wohl die Israeliten entstanden.

Aber schauen wir mal auf die Bronze. Kupfer gab es im Mittelmeerraum genug. Ueber aegyptische Kupferminen auf der Sinaihalbinsel haben wir ja schon in anderen Zusammenhaengen geredet, aber der Hauptlieferant fuer Kupfer in der vernetzten Wirtschaft der damaligen Zeit war die Insel, die vom Kupfer ihren Namen hat, Zypern. Von dort wurde ueber Jahrtausende Kupfer in alle Richtungen verschifft. Zinn ist dagegen im Mittelmeerraum fast gar nicht vorhanden. Es gab wohl ein paar kleinere Vorkommen in Anatolien, die urspruenglich wohl auch zur technischen Entwicklung von Bronze den Anstoss gaben, aber diese Vorkommen muessen schon frueh im Altertum versiegt sein. Das einzige andere nennenswerte Vorkommen befand sich in der Toscana, aber das reichte nicht mal fuer den Eigenbedarf der Etrusker und musste durch Importe ergaenzt werden, kam also nie in den Export. Grosse Vorkommen, die in der Antike eine Rolle spielten, gab es im nordwestlichen Spanien, in der Bretagne, in Cornwall und im Erzgebirge. Cornwall ist ja schon bei der Himmelsscheibe von Nebra als Quelle bestimmt worden, was nicht ganz klar werden laesst, wann die erzgebirglichen Vorkommen nun genau in den Fernhandel gingen. Die Bretagne spielte wahrscheinlich erst in roemischer Zeit eine groessere Rolle, aber auch fuer frueher werden schon Lieferungen aus Cornwall ueber Massilia (Marseille) vermutet. Die zentralasiatischen Vorkommen in Afghanistan, Uzbekistan etc. wurden definitiv frueh ausgebeutet, aber ihre Bedeutung fuer den Fernhandel ist umstritten. In letzter Zeit verschiebt sich wohl die Ansicht in die Richtung, dass es sich dabei wohl tatsaechlich um eine ernstzunehmende Zinn-Quelle handelte mit dem Hinweis darauf, dass der Handelsweg ja schon seit Jahrtausenden existent war, da aus exakt derselben Gegend der in den alten Kulturen extrem beliebte blaue Schmuckstein Lapislazuli stammte.

Bronze musste laufend ersetzt werden. Gegen Ende der Bronzezeit wurden die Gussverfahren so weit optimiert, dass Schmieden nicht mehr notwendig war, und es zur Massenproduktion kam. Gueter, die in allen Kaempfen verloren gingen, waren zum Beispiel Pfeilspitzen und Wurfspeere. Die Massenproduktion machte auch die Infanterie wesentlich schlagkraeftiger und erlaubte die Ausruestung grosser Heere, was mit einem enormen Bedarf an Bronze einherging. Dies fuehrte nebenei auch zu sozialen Umwaelzungen, da die Bedeutung der Streitwagenelite litt, was von dieser nicht gut aufgenommen wurde. Recycling wurde natuerlich gemacht und wird ja auch in dem Artikel ueber die Stadt Dan erwaehnt, den ich neulich verlinkt hatte. Im Prinzip ist die Umstellung auf Eisen aber nicht nur wegen technologischer Vorteile erfolgt, die zu Beginn nur gering waren; Eisen findet sich einfach etwa 20.000mal haeufiger als Zinn. Aegypten blieb uebrigens noch lange in der "Bronzezeit" stecken und stellte erst im Zuge der Eroberung durch Assyrien um.

Zur Bronze ist dazu noch anzumerken, dass die ersten Bronzen nicht Zinn, sondern Arsen verwendeten. Dies geschah zum Teil unbeabsichtigt, da viele Kupfervorkommen des Nahen Ostens mit Arsenmineralien "verunreinigt" sind. Die erste absichtliche Herstellung von Arsen-Bronze geschah im iranischen Hochland. Arsen-Bronze ist in vielen Faellen der Zinn-Bronze ueberlegen. Sie ist haerter als normale Bronze, und der fuer hochwertige Bronze notwendige Arsenanteil liegt deutlich unter dem fuer Bedarf an Zinn. Es gibt im Prinzip vier veschiedene mit damaligen Mitteln moegliche Verfahren zur Herstellung von Arsen-Bronze, aber niemand weiss genau, welche davon verwendet wurden. Der Grad der Gefaehrlichkeit ist dabei sehr verschieden. Waehrend einige Verfahren fast ungefaehrlich sind, enden andere in einer hohen Wahrscheinlichkeit extremer Gesundheitsschaeden fuer den Schmied. Dabei ist die Methode, die wohl am ehesten zufaellig gefunden wurde, weil sie von vorhandenen Mischerzen ausgeht, eine der gefaehrlichsten. Vielleicht hat dort die oft zu findende Figur des "lahmen" Schmieds (siehe Hephaistos) ihren Ursprung. Arsen-Bronze ist trotzdem potentiell besser als Zinn-Bronze, erfordert aber definitiv nachtraegliches Schmieden, um Klingen mit guten Eigenschaften zu erzeugen. Der Zinnmangel im Mittelmeerraum liess uebliche Bronzen der Gegend auf einen Zinnanteil von 10% konvergieren, was bei weitem nicht so haltbar ist wie spaetere chinesische Bronzen, die wegen des dort reichlich vorhandenen Zinns 20% verwendeten und wohl auch deshalb kaum korrodiert sind.

Um zum Handelsnetz zurueckzugehen, gibt uns das Schiff von Uluburun einen guten Einblick in die damaligen Verhaeltnisse. Das Schiff ist irgendwann in der zweiten Haelfte des 14. Jhdts. v.Chr. untergegangen, wie 14C-Methode, Dendrochronologie, mykenische Keramik und ein Skarabäus der Nofretete auf dem Schiff eindeutig aufzeigen. Das Schiff hatte 10 Tonnen Kupfer und 1 Tonne Zinn in der Form von Barren an Bord, was dem fuer Bronze notwendigen Verhaeltnis entspricht und die Herstellung einer kompletten Ausruestung fuer etwa 300 Krieger erlaubt haette. Das Schiff hatte ansonsten Gueter aus sehr vielen Laendern an Bord, was erstaunlich ist. Ob es ein normales Handelsschiff oder das Schiff einer Gesandtschaft ist, ist umstritten. Jedenfalls hatte wohl vorher niemand damit gerechnet, Gueter aus aller Herren Laender in der damaligen Zeit auf einem einzigen Schiff zu finden. Das reicht von der Ostsee bis Aethiopien, Assyrien bis Sizilien, etc.

Von einem anderen Schiff wissen wir, dass Kaufleute auch Zollbefreiungen erwirken konnten, die schon vor geplanten Handelsreisen ausgestellt wurden.

Die enge Vernetzung zwischen den Laendern laesst sich auch in den Briefen der Maechtigen sehen. Der aelteste noch vorhandene Friedensvertrag stammt aus der Zeit, und die Herrscher tauschten damals auch viele Privatbriefe aus. Die Archaeologie gibt weitere Einblicke. Bei dem von mir neulich verlinkten Artikel zur Stadt Dan findet man ja Alltagsgegenstaende aus Aegypten, der Argolis, der Aegaeis, Zypern, Syrien und Kanaan alle in derselben kleinen Stadt zur selben Zeit.


Ein weit fruheres Zeugnis findet sich uebrigens in den Briefen aus dem syrischen Mari am Euphrat aus dem 18. Jhdt. v.Chr. Diese bestaetigen nicht nur die Handelsrouten von Zentralasien bis Zypern, es findet sich auch der Hinweis, dass Hammurabi irgendwelche Schuhe nach Zypern zurueckschickte, die von dort kamen. Ob wir da auf antiken "Versandhandel" schauen oder auf ein ungewolltes Geschenk, weiss niemand, da der Brief keine Details dazu nennt.

Nach dem Zusammenbruch am Ende der Bronzezeit war jedenfalls das Handelsnetzwerk verschwunden. Einen Einblick wie schwierig es wurde selbst einfache Dinge wie Bauholz zu beschaffen, gab uns ja der neulich schon von mir verlinkte Reisebericht des Wenamun, der mehrere Jahre dafuer brauchte.
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Fernhandel in der Bronzezeit - von Sinai - 09-04-2019, 00:45
RE: Fernhandel in der Bronzezeit - von Ulan - 09-04-2019, 13:18
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