23-02-2003, 13:34
Selam Abu Naim,
Buber und seine - gespaltene - Beziehung zur Mystik wäre zweifellos ein interessanter, ja ein wichtiger thread hier - kaum jemand hat sich so intensiv und so kritisch fast sein ganzes Leben damit auseinandergesetzt.
" - Aber die Mystik? Sie berichtet, wie Einheit ohne Zweiheit erlebt wird. Darf die Treue ihres Berichts angezweifelt werden?
- Ich weiß nicht von einem allein, sondern von zweierlei Geschehnis, darin man keiner Zweiheit mehr gewahr wird. Die Mystik vermengt sie zuweilen in ihrer Rede, und auch ich habe es einst getan..." [In seinen Frühwerken, den 'Ekstatischen Konfessionen', in seiner Tschuang-tse-Übersetzung etwa.]
Aber er relativiert, ja leugnet stellenweise diese 'Einung' in seinem späteren Werk - schweren Herzens IMHO, und für mich nicht ganz nachvollziehbar, scheint er doch 'Mystik' und 'Gnosis' in irgendeiner Weise zu gleichzusetzen (wie in dem Dialog mit seinem langjährigen Freund Hugo Bergmann), behält aber andererseits ganz zentrale Aussagen dieser 'Einheit' bei:
"Ich weiß nichts von einer 'Welt' und von einem 'Weltleben', die einen von Gott trennten; was so genannt wird, ist das Leben in einer entfremdeten Eswelt, das erfahrende und gebrauchende. Wer wahrhaft zur Welt ausgeht, geht zu Gott aus. Sammlung und Ausgehn, beide wahrhaft, das Ein-und-andre, welches das Eine ist, tut not."
() qilin
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Das Wesen der Mystik ist Religion, nicht religiöser Glaube. Der Mystiker weiß, dann ist er ein erfolgreicher Mystiker; oder er weiß noch nicht, dann ist er ein Mystiker unterwegs. Ob er das eine oder das andere ist, ob es das eine oder das andere gibt oder nicht gibt, ob und was er glaubt oder nicht glaubt, seine Mystik wird dadurch nicht wesentlich beeinflußt.
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Nachtrag:
Gerade habe ich gesehen, dass Shia in 'Islamische Mystik' ebenfalls Mystik in enge Verbindung mit 'Gnosis', Irfan, bringt. Ich vermute aus dem Zusammenhang, dass dem eine andere Definition zugrundeliegt, und möchte den von mir (ähnlich wie bei Buber) verwendeten Begriff von Gnosis genauer definieren - ich zitiere (gekürzt) aus Kirchner's 'Lexikon der philosophischen Begriffe':
"Im Gegensatz zum Autoritätsglauben ... wird als Gnosis jede Erlösungsreligion betrachtet, nach der die Erlösung von der Erkenntnis Gottes und seines ... Heilsplans abhängig gemacht wird. Seit dem 18. Jh. werden die in den ersten Jahrhunderten n. Chr. auftretenden Sektengründer Gnostiker genannt; sie verbanden das Christentum mit Elementen einer griechisch-orientalischen Mysterienreligion, in der eine in Allegorien und Symbolen dargestellte mystische Metaphysik gelehrt wurde..."
Der Unterschied zwischen Mystik und Gnosis liegt für mich im Unterschied zwischen einer existentiellen 'Erkenntnis der absoluten Wirklichkeit', die ohne Hingabe (und das ist ja m.W. die Bedeutung von 'Islam') nicht denkbar ist, auf der einen; und einer existentialen Kenntnis, die nicht in Liebe, sondern in Metaphysik mündet, auf der anderen Seite.
Buber und seine - gespaltene - Beziehung zur Mystik wäre zweifellos ein interessanter, ja ein wichtiger thread hier - kaum jemand hat sich so intensiv und so kritisch fast sein ganzes Leben damit auseinandergesetzt.
" - Aber die Mystik? Sie berichtet, wie Einheit ohne Zweiheit erlebt wird. Darf die Treue ihres Berichts angezweifelt werden?
- Ich weiß nicht von einem allein, sondern von zweierlei Geschehnis, darin man keiner Zweiheit mehr gewahr wird. Die Mystik vermengt sie zuweilen in ihrer Rede, und auch ich habe es einst getan..." [In seinen Frühwerken, den 'Ekstatischen Konfessionen', in seiner Tschuang-tse-Übersetzung etwa.]
Aber er relativiert, ja leugnet stellenweise diese 'Einung' in seinem späteren Werk - schweren Herzens IMHO, und für mich nicht ganz nachvollziehbar, scheint er doch 'Mystik' und 'Gnosis' in irgendeiner Weise zu gleichzusetzen (wie in dem Dialog mit seinem langjährigen Freund Hugo Bergmann), behält aber andererseits ganz zentrale Aussagen dieser 'Einheit' bei:
"Ich weiß nichts von einer 'Welt' und von einem 'Weltleben', die einen von Gott trennten; was so genannt wird, ist das Leben in einer entfremdeten Eswelt, das erfahrende und gebrauchende. Wer wahrhaft zur Welt ausgeht, geht zu Gott aus. Sammlung und Ausgehn, beide wahrhaft, das Ein-und-andre, welches das Eine ist, tut not."
() qilin
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Das Wesen der Mystik ist Religion, nicht religiöser Glaube. Der Mystiker weiß, dann ist er ein erfolgreicher Mystiker; oder er weiß noch nicht, dann ist er ein Mystiker unterwegs. Ob er das eine oder das andere ist, ob es das eine oder das andere gibt oder nicht gibt, ob und was er glaubt oder nicht glaubt, seine Mystik wird dadurch nicht wesentlich beeinflußt.
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Nachtrag:
Gerade habe ich gesehen, dass Shia in 'Islamische Mystik' ebenfalls Mystik in enge Verbindung mit 'Gnosis', Irfan, bringt. Ich vermute aus dem Zusammenhang, dass dem eine andere Definition zugrundeliegt, und möchte den von mir (ähnlich wie bei Buber) verwendeten Begriff von Gnosis genauer definieren - ich zitiere (gekürzt) aus Kirchner's 'Lexikon der philosophischen Begriffe':
"Im Gegensatz zum Autoritätsglauben ... wird als Gnosis jede Erlösungsreligion betrachtet, nach der die Erlösung von der Erkenntnis Gottes und seines ... Heilsplans abhängig gemacht wird. Seit dem 18. Jh. werden die in den ersten Jahrhunderten n. Chr. auftretenden Sektengründer Gnostiker genannt; sie verbanden das Christentum mit Elementen einer griechisch-orientalischen Mysterienreligion, in der eine in Allegorien und Symbolen dargestellte mystische Metaphysik gelehrt wurde..."
Der Unterschied zwischen Mystik und Gnosis liegt für mich im Unterschied zwischen einer existentiellen 'Erkenntnis der absoluten Wirklichkeit', die ohne Hingabe (und das ist ja m.W. die Bedeutung von 'Islam') nicht denkbar ist, auf der einen; und einer existentialen Kenntnis, die nicht in Liebe, sondern in Metaphysik mündet, auf der anderen Seite.