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Kreationismus, Esoterik, Irrationalismus, Verschwörungstheorien
#32
(03-03-2020, 13:03)Thomas der Ungläubige schrieb: Die Aussage: "Die Evolutionstheorie ist eine falsche Fährte des Teufels" immunisiert gegen alle empirischen Einwände. Sie ist nicht falsifizierbar und deshalb nach dem vorherrschenden Wissenschaftsparadigma unwissenschaftlich. Das heißt, dass die Wissenschaft keine Aussage darüber treffen kann. Die Wissenschaft kann uns aber nie sagen, dass sie falsch ist. Man muss als Wissenschaftler mit Kreationismus entspannt umgehen, weil das einfach nicht die Baustelle der Wissenschaftler ist (Das ist übrigens auch wissenschaftlicher Stand, wenn man Geistewissenschaften einmal dazu nimmt).

Die Aussage, dass die Begruendung mit dem Teufel gegen Einwaende immunisiert und dass Kreationismus demnach unwissenschaftlich ist, ist zwar prinzipiell richtig, aber da Kreationismus trotzdem versucht, wissenschaftliche Aussagen zu machen (die Intelligent-Design-Bewegung war da die letzte Speerspitze), also die Grenzen dort laufend ueberschreitet, kann man aus wissenschaftlicher Sicht natuerlich trotzdem feststellen, dass er falsch liegt, solange es sich auf diese Einzelaussagen bezieht. Die Aufhaenger solcher Diskussionen sind ja im Normalfall recht konkret. Im allgemeinen faengt das immer wieder mit einem Kategorienfehler an, und zwar von Seiten der Kreationisten, nicht von wissenschaftlicher Seite.

Privatdiskussionen oder irgendwelche anderen Internetforen sind natuerlich ein anderes Blatt. Da sieht man laufend Kategorienfehler von beiden Seiten.

(03-03-2020, 13:03)Thomas der Ungläubige schrieb: Die negativen Begleiterscheinungen des Kreationismus wie Wissenschaftsfeindlichkeit und Verschwörungstheorien sind Abwehrreaktionen gegen eine Überzahl naturwissenschaftlich Denkender, die anderen ihre Meinung aufzwingen wollen.

Da machst Du es Dir zu einfach, bzw., ich denke hier wird's komplett falsch. Der Ursprung des verschwoerungstheoretischen Denkens scheint eher in einer Ueberforderung in einer sich staendig aendernden Welt zu liegen. Von wissenschaftlicher Seite wurde Kreationismus ja eigentlich immer ignoriert, und das hat sich als Fehler herausgestellt, da die wissenschaftlichen Einrichtungen und unser Bildungssystem staendigen Angriffen seitens Kreationisten ausgesetzt wurden. An dem Punkt bleibt der Wissenschaft gar nichts anderes mehr uebrig, als klare Kante zu zeigen, damit sie nicht ueberrollt wird. Denn so eine kleine Minderheit, wie Du das hier darstellst, sind Kreationisten nicht. Sie sind ein deutlicher politischer Machtfaktor. Hier ist nicht weniger als die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr! Moderne "Buecherverbrennungen" (in Form von Buchverboten) sind ja prinzipiell nicht auszuschliessen (siehe Indien als neueres Beispiel fuer ein Land im Regress).

Was Menschen glauben, ist Wissenschaftlern im Prinzip egal. Auch viele Wissenschaftler sind schliesslich glaeubige Christen. Der Konflikt entsteht erst im Handeln, z.B., wenn das Kultusministerium in Hessen Kreationismus in den Biologie-Lehrplan einbauen will; denn dort hat er nichts zu suchen. Es gibt auch in Deutschland ein gut organisiertes kreationistisches Netzwerk, das sich zur Aufgabe gemacht hat, politische Entscheidungstraeger und wissenschaftliche Einrichtungen wie Universitaeten und Bibliotheken von innen heraus aufzurollen und zu beeinflussen, und sie sind damit immer wieder erfolgreich.

(03-03-2020, 13:03)Thomas der Ungläubige schrieb: Die Gefährlichkeit des Kreationismus als Idee kann ich auch noch nicht sehen, jedenfalls nicht im Vergleich zur Evolutionstheorie. Was hat uns die Evolutionstheorie gebracht außer einem biologistischen Denken, das im 20. Jhdt. zu den größten Menschheitsverbrechen geführt hat?

Nun, der Kreationismus an sich ist erst einmal nicht "gefaehrlich", ausser dass er wissenschaftliches Denken und damit die Wettbewerbsfaehigkeit einer Gesellschaft untergraebt. Die wissenschaftlichen Leistungen in den islamischen Laendern sind dafuer ein Beispiel, da dort Grundlagenforschung mehr oder weniger komplett durch Abwesenheit glaenzt. Wie gesagt, solange Kreationisten sich aus der Wissenschaft heraushalten, werden sie auch heutzutage im Normalfall komplett ignoriert. Wir sehen ja schon heute, dass der Biologie-Unterricht auch an deutschen Schulen angehende Biologie-Lehrer mit mangelhaftem wissenschaftlichen Denken produziert, weil um das Thema Evolutionstheorie solch ein Eiertanz gemacht wird. Dein Vorschlag, vemehrt Wissenschaftstheorie zu unterrichten, geht aber sicher in die richtige Richtung.

Dass die Evolutionstheorie durchaus einen Einfluss auf sozialdarwinistische Denkmodelle mit ihren unschoenen gesellschaftlichen Auswirkungen hatte, ist natuerlich klar. Aber diese Diskussion wurde gefuehrt und ist eigentlich abgeschlossen. Die zugrundeliegenden Probleme, wie verbreiteter Judenhass, sind aelter als die Evolutionstheorie, und hier hat sich lediglich die Begruendung fuer Pogrome geaendert. Der gewaltsame Umgang mit Juden als wuenschenswert steht so schon in den Diskursen der Kirchenvaeter, und dafuer brauchten die keine Evolutionstheorie. Ganz allgemein gesehen, hat Rassismus viele Gesichter.

Ansonsten hat die Evolutionstheorie die letzte Runde technologischer Entwicklungen stark beeinflusst, da die heutigen selbstlernenden Algorithmen, die viele Aufgaben schneller und effektiver erledigen, eine Anwendung des evolutionaeren Modells ausserhalb der Biologie darstellen. Das Modell Evolutionstheorie ist als Denkmodell auf viele andere Bereiche anwendbar (die Sprachforschung waere ein weiteres).

Zu guter Letzt bleibt festzustellen, dass die Evolutionstheorie ja nur eines der vielen Themen ist, an dem sich heutige Verschwoerungstheoretiker abarbeiten. Die grossen physikalischen Theorien sind auch dauernd unter Beschuss, und andere Konfliktbereiche wie Homoeopathie habe ich schon genannt. Die Unterschiede hier sind aber auffaellig, da niemand versucht, den Physikunterricht aufzurollen. Insofern kann man ueber Flat Earther die Schultern zucken oder sich amuesiert zuruecklehnen.
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