04-09-2020, 12:14
(03-09-2020, 21:17)Ulan schrieb: Rein geschichtlich sind ja auch Hunderttausende auf die Art gestorben, nicht nur Jesus. So einzigartig ist die Position also sowieso nicht.
Genau, ein Alleinstellungsmerkmal hat die Kreuzigung Jesu nicht; ein gutes Argument - auch wenn es keine "Hunderttausende" waren. Eher unwahrscheinlich ist er auch ans Kreuz genagelt worden. Bis auf ein einziges durch die Fersen genageltes Knochenfragment hat die Archäologie nichts gefunden. Die übliche Hinrichtungsart war eher unblutig - ein langsames, qualvolles Ersticken "am Holze" erwünscht. Bei den 6000 Spartacus-Aufständischen, die an der Via Appia gekreuzigt wurden, wird man sich die vorherige blutige Geißelung auch wohl aus Zeitgründen erspart haben.
Würde jener Jesus von Nazareth heute in den USA zum Tode verurteilt und hingerichtet werden, müssten seine Nachfolger ja künftig einen elektrischen Stuhl im Modell um den Hals tragen, statt eines der jetzt üblichen Kettchen mit dem Kreuz daran. Alles um den elektrischen Stuhl oder die Liege mit der tödlichen Giftspritze würde damit auch zum Kultobjekt.
Der christliche Glaube hat das Kreuz zur Ikone hochstilisiert. Erst sind seine Jünger alle unter dem Kreuz davon gelaufen, dann haben sie es nach den mehrfachen Visionen, unterstüzt durch die Theologie des Paulus, ins Zentrum ihrer Lehre gerückt. Aus dem Abschreckungsinstrument wurde es das christliche Anbetungsobjekt ersten Ranges.
Nicht lachen oder den Kopf schütteln, bitte: Mit dem allgegenwärtigen Kreuz in der Mitte des Altarraumes einer jeden Kirche geschieht ja nichts anderes als einen ansehnlichen Leichnam mit friedlichen Gesichtszügen darzustellen. Oder hat jemand mal auf einem Kirchenkreuz einen geschundenen, von oben bis unten blutenden gegeißelten Delinquenten mit schmerzverzerrten Gesichtszügen gesehen? Die Kirchenkreuze sind "schön" und erbaulich. Die historische Realität dagegen war weniger fotogen.
Nochmal, was den Fragesteller betrifft: Er soll sich keine Gedanken machen.
MfG
