(09-09-2020, 10:25)Davut schrieb: Der päpstliche Primatanspruch (Bevorzugung des Bischofs von Rom) kann uns heute ja auch egal sein. Wen interessiert`s?
Die Haelfte der Christenheit ist katholisch, und zumindest deren hierarchische Fuehrer bestehen auf dem Anspruch. Insofern hat er auch heute noch religioese und religionspolitische Auswirkungen, die letztlich die Christenheit nachhaltig spalten. Dass die Kirche von Rom zwar symbolisch geehrt wurde, aber zur Zeit der Weichenstellungen, was das Christentum und die Bibel anging, so gut wie keinen Einfluss hatte, ist aber auch klar. Alle wichtigen christlichen Weichenstellungen wurden in Konstantinopel und Umgebung durchgefuehrt, unter den Augen des Kaisers, der in der Kirche grossen Einfluss ausueben konnte, wenn er wollte.
(09-09-2020, 10:25)Davut schrieb: Was heute noch am Donatio-Teil des gefälschten Schenkungstextes interessiert, ist der Vatikan-Staat. Eigentlich müsste die katholische Kirche, die inzwischen selbst die konstantinische Fälschung einräumt, das Gebiet an den Rechtsnachfolger des konstantinischen Ostreiches zurückgeben. Es ist rechtsunwirksam erworben worden.
Die rechtliche Stellung des Vatikans ist durch die Lateranvertraege von 1929 eindeutig geregelt und damit rechtswirksam. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass Konstantin der Kirche wohl tatsaechlich einige Gebaeude auf dem Lateranhuegel ueberliess und dort die roemische Hauptbasilika bauen liess. Das hatte zum Teil damit zu tun, dass er das Gedaechtnis an seinen urspruenglichen Mitkaiser ausloeschen wollte; zum anderen wurden aber auch viele Gebaeude in Rom frei, nachdem Konstantin Rom den Titel der Hauptstadt offiziell entzogen hatte und die Haelfte des roemischen Adels nach Konstantinopel uebergesiedelt war.
Wirkliche weltliche Macht erreichten die Paepste aber erst, als die Stadt Rom waehrend der Voelkerwanderung erheblich geschrumpft war und die meisten anitken Gebaeude recyclet wurden. Allerdings waren die Patriarchen von Rom immer sehr einflussreich in dem ihnen unzweifelhaft unterstellten Gebiet, also dem westlichen Roemischen Reich (Italien, Gallien, Spanien, westliches Nordafrika). Das war umso eindeutiger, als, im Gegensatz zum Ostteil des Reiches, wo recht viele Gemeinden ihre Gruendung auf Apostel beriefen, im Westteil Rom in der Hinsicht eher eine Alleinstellung hatte.
(09-09-2020, 10:25)Davut schrieb: Beeindruckend in dem Video übrigens die römischen Wandmalerein über die "märchenhaften" Legenden um Konstantins nie stattgefundene Schenkung. Das Fälschen war zu jener Zeit in kirchlichen Kreisen ja immer schon hoch in Mode. Die Bibel beweist es auch.
Bilder sind wirkmaechtig, egal ob sie nun in Wort- oder in Kunstform daherkommen. Man muss sich nur vor Augen halten, wie Bilder von Kunstwerken, die oft Jahrhunderte spaeter entstanden, unsere Vorstellungen von Geschichte praegen. Auch religioese Vorstellungen selbst sind durch spaete Werke gepraegt; siehe den Einfluss der Legenda Aurea auf die Kunst bis in die Neuzeit, was wiederum direkt die religioese Praxis praegt.

