09-09-2020, 14:56
(08-09-2020, 04:27)Ulan schrieb: Das mit den Jenseitsbriefen ist interessant.
Im Mittelalter war die Herstellung von Jenseitsbriefen jedenfalls eine gebräuchliche Methode gewesen, eigene Wünsche mit dem nötigen Rückhalt auszustatten. Da kam es auch schon vor, dass ehemals einflussreiche und angesehene Kardinäle, wenn ein Konzil anstand, aus dem Himmel brieflich ihre Vorstellungen zu Fragen, die der Kirchenversammlung zur Entscheidung anstanden, unterbreiteten.
Auch missliebige Mitbewerber um ein Amt oder lästige Amtsträger wurden durch Schreiben aus dem Jenseits gerne beschädigt.
Horst Fuhrmann meint dazu:
Es gab Teufelsbriefe, wie jenes Belobigungsschreiben Satans an den Kardinal Johannes Dominici, Erzbischof von Ragusa (gest. 1419), aus dem Jahre 1408, der dankenswerterweise die Kirchenunion verhindert habe und dem in der Hölle ein warmes Plätzchen zwischen Arius und Mohammed eingerichtet sei. Und es gab Himmelsbriefe – angeblich vom Himmel gefallene Briefe -, wie etwa das Bittgesuch des Apostels Petrus an die Franken vom Jahre 756, seiner, das heißt der römischen Kirche zu helfen. Himmelsbriefe haben die Gläubigen zum Gottesfrieden angehalten und zu den ersten beiden Kreuzzügen aufgerufen. Freilich bedurfte ein solcher Himmelsbrief, um Erfolg zu haben, des Rückhalts in der Gesellschaft: er bedurfte des festen Glaubens, dass der darin ausgesprochene Befehl befolgt werden müsse. Was auch die Verfasser der Jenseitsbriefe gedacht oder beabsichtigt haben, ob sie als Schreibhelfer fremder Geister, als irdische Sachwalter himmlischer Machte, als Literaten mit einem Einfall oder wie immer gehandelt haben: viele Menschen des Mittelalters haben solche Schriftstücke in festem Glauben an ihre Echtheit aufgenommen.
Horst Fuhrmann: Einladung ins Mittelalter. 4. Aufl. 2009 München, Verl. C. H. Beck, S. 203.
MfG B.

