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Wissen wir jetzt eigentlich schon, wie das passieren konnte?
#34
(21-02-2021, 17:27)eddyman schrieb: Sehr eng damit verbunden sehe ich das Verlangen nach Sicherheit, Recht und Ordnung, Moralität, und ein damit leicht verletzbares Gerechtigkeitsgefühl. Aber im Grunde meine ich die Unfähigkeit zur Unterscheidung zw. prinzipiell und integer, was ich noch genauer ausformulieren will.

Dazu noch, weil es mir wirklich als typisch deutsch erscheint. Mir scheint, dass wir ein ganz grundsätzliches Problem damit haben, zwischen (nennen wir es mal) prinzipiell und integer zu unterscheiden. Dabei steht "prinzipiell" für etwas Fixes, starre (moralische) Grundsätze, der leicht verletzliche Gerechtigkeitssinn, und natürlich die hohen Erwartungen, die daraus resultieren. "Integer" dagegen meint etwas, das im Sinne des Lebens funktioniert, es ist also flexibler als "prinzipiell", aber dennoch an etwas gebunden.

Ich denke, jemand, dem dieser Unterschied recht gut bewusst war, war wiederum Helmut Schmidt. Daran sieht man, dass es auch gelassener macht. Auf eine Frage von Maischberger antwortet er, er sei skeptisch. In der Nachfrage will sie seine Sichtweise festmachen, doch die Antwort ist erneut, er wäre skeptisch. Es ist nunmal nicht immer so oder so, verabsolutieren kann man Dinge nur im Kleinen. Geht es zB um Politik eines Staates oder gar Staatenverbundes, dann geht das so nicht, eine kategorische Sichtweise ist nicht realistisch. - Ja, es ist wahr, dass bei uns die Reichen immer reicher werden, und das verletzt den Gerechtigkeitssinn. Aber es ist gleichzeitig so, dass die Masse historisch gesehen noch nie einen solchen Lebensstandard gehabt hat. Beides ist wahr. Natürlich sollte man etwas gegen soziale Ungleichheit unternehmen, aber nicht basierend auf einer kategorischen und damit schiefen Grundanschauung, die, wie mir scheint, in Deutschland überwiegt.

Das sehe ich definitiv als weiteren Baustein in dieser furchtbar unbefriedigend beantworteten Frage. Es hat mich beeindruckt in dem Film "Sophie Scholl", wie sie inhaftiert wurde, ihr wurde der Schmuck abgenommen, aber aufgrund ungenügender Beweislage kam sie wieder frei (mitsamt ihres Eigentums!). In Südamerika wäre sie vergewaltigt, die Zunge rausgeschnitten und auf einer Mülldeponie abgeladen worden. Aber in D. ist es prinzipiell, sogar unter einem mörderischen Staat. Ausgeliefert hat sie dann der Hausmeister der LMU... all das sind Anzeichen einer prinzipiellen Gesinnung, keiner integeren. Die Nazi-Herrschaft war nichts Integeres, sie stimmte nicht mit dem Leben überein, sonst gäbe es sie ja heute noch.

Diese Unterscheidung also, scheint mir, trifft einen Nerv. Und es ist doch durchaus möglich, dass ein Großteil des Erstaunens über die Gräueltaten eines angeblich so zivilisierten Volkes aus der Verwechslung dieser beiden Aspekte herrührt, dass man also "prinzipiell" stets als "integer" interpretiert hat. Das war aber nicht so.

Noch eine nette Grafik (v.a. die "Verkehrungen" der obere Hälfte): *https://www.identity-foundation.de/images/stories/downloads/Grafik_IF_Koordinaten.tif


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RE: Wissen wir jetzt eigentlich schon, wie das passieren konnte? - von eddyman - 23-02-2021, 23:56

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