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Wissen wir jetzt eigentlich schon, wie das passieren konnte?
#37
(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Das finde ich gar nicht, es wäre im Gegenteil die Verantwortung, das Böse zu erkennen (v.a. wenn man doch so furchtbar "verführt" wurde). Zuerst einmal muss man zugestehen, dass es so etwas gibt, auch jetzt, das gibt es immer. Gerade wenn es nicht benannt wird, erhält das Böse seine Macht. Die Mehrheit der Menschen wird sich im Mittelfeld zwischen Gut und Böse bewegen, aber einige wenige böse Menschen sind immer da (Du hast ja auch von "ein paar Psychopathen" gesprochen). I.d.R. wirkt das Böse eher versteckt, nur manchmal gewinnt es gesellschaftliche Macht. Extrem krass ist es, wenn es auch dann nicht gesehen wird, und die Menschen ihm bis zum "Endsieg" folgen (d.h. einer von beiden wird in jedem Fall vernichtet).

Es geht bei diesem Punkt schlichtweg um Wissen. Banale Fakten wie Hitlers Machtergreifung, und warum wir ein Grundgesetz haben, werden vehement vermittelt, aber sobald es ans Eingemachte geht, kneift man.

Weil das Problem nicht so simpel ist. Soziopathen werden irgendwie gebraucht; die meisten Leitungsfiguren haben soziopathische Aspekte. Das kennen wir aus der Spieltheorie: eine Gemeinschaft funktioniert dann am besten, wenn die meisten sich an die Regeln halten und einige wenige halt eben nicht. Erstere stehen fuer Kontinuitaet, letztere fuer Veraenderung. Veraenderung kann beides sein, Fortschritt oder Untergang. Allerdings kann auch Kontinuitaet fuer Untergang stehen, wenn sich die Umgebung veraendert, aber das Handeln nicht. Beide Extreme fuehren letztlich zum Versagen des Systems. Die Mischung macht's. Leider kann man nicht hundertprozentig sagen, wo die richtige Mischung liegt (fuer die Modellsysteme der Spieltheorie natuerlich schon, aber das Leben ist halt etwas komplexer, und man hat die Aussenbedingungen zum Gutteil nicht unter Kontrolle).

(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Wenn man aber, damit es einem "wieder besser geht", zum Mittel der Vernichtung eines anderen greift, muss ein hoher innerer Druck zugrundeliegen. Hass eigentlich.

Es ist, rein emotionslos betrachtet, eine Loesung, die ein Problem ein fuer alle mal loest; daher ja auch der Ausdruck "Endloesung". Es ist letztlich effektiv und effizient. Darin liegt aber auch das Problem. Mit einem einfachen "das ist verrueckt" oder "das ist Ausdruck eines nicht positiv besetzten Gefuehls" kommt man dem nicht bei, da es sich ja auch um eine historisch bewaehrte Handlungsweise handelt (wir vergessen oft, wie jung dieses Zoegern, andere Leute umzubringen, die nicht zum engsten eigenen Umfeld gehoeren, eigentlich ist). Der eigentliche Ansatzpunkt hier ist ja auch eher das Argument, dass das "Problem", das damals geloest werden sollte, gar nicht erst existierte, d.h., die scheinbare Logik an der Praemisse schon scheitert. Das ethisch-moralische Element ist dann ein zweiter Aspekt, aber Ethik und Moral sind letztlich an Ideologien gebunden. Dort, wo es einen grundsaetzlichen Kampf zweier Ideologien gibt, greift die Ethik der einen nicht bei den Anhaengern der anderen. Da hilft auch kein Absolutheitsanspruch, da ja auch beide Ideologien diesen besitzen. "Gut" und "Boese" definieren sie komplett anders.

(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Eine ganz entscheidende Frage ist dann, wie kann man ein Externalisieren des Hasses verhindern (was dann von bösen Kräften instrumentalisiert werden kann). Man kommt ja doch wieder aufs Psychologische...

Ja sicher. Meist handelt es sich um ein Gemenge aus handfesten Problemen und weniger handfesten, die solche Gesinnungen fuettern. Der langsame wirtschaftliche Niedergang Europas im Vergleich zu den Hauptmitbewerbern ist ein Problem, der mit der Globalisierung verbundene Verlust von Arbeitsplaetzen im produzierenden Gewerbe, die Zunahme von prekaeren Job-Verhaeltnissen, das Gefuehl, dass unser Rechtsstaat sich nur noch darum kuemmert, dass einige Wenige sich auf Kosten der "kleinen Leute" ganz legal bereichern koennen, aber auch Identitaetsfragen, wo "Heimat" verloren geht, da der naechste Job auch zwei Laender weiter sein kann - oder halt auch die Erkenntnis, dass man selbst dieses Spiel gar nicht mitspielen kann. Da kommen viele Dinge zusammen, einige reell, andere eher gefuehlsmaessig. Da wird dann wieder das alte Spiel vom Goldenen Zeitalter gespielt, in dem alles besser war; und einiges mag ja tatsaechlich besser gewesen sein (igendetwas findet man fuer fast jede Situation). Die Vergangenheit wird dann zu einer Nostalgie-Suppe zusammengeruehrt, und laengst tot geglaubte Ideen aus der Mottenkiste werden wiederbelebt. Man muss gar nicht lange suchen: auch auf diesem Forum wurden in den letzten Tagen einige dieser Wiedergaenger bedient. Das Internet ist voll davon.

(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Wenn Du von "Erstarken" sprichst, denke ich an Stärke. Und das ist definitiv in Bezug auf D. vorhanden, wie ich schon sagte, etwas Aufstrebendes, die Verkehrung "Weltmeisterphantasien" in der Grafik.
Ein ind. Mystiker sagte über D. im 3.Reich: Es hat seine Seele gesucht, aber nur ihre Stärke gefunden.
(Dieses Thema beschäftigt mich, weil ich all diese Tendenzen auch in mir selber wahrnehme, teilweise sehr deutlich.)

Hmm, ja. Das "Dritte Reich" war ja eher untypisch fuer Deutschland mit seiner foederalen Struktur, wie sie ueber mehr als ein Jahrtausend in wechselnden Formen praegend war. Ein kurzer, aber sehr heftiger Flirt mit einer anderen Idee von "Nation".
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RE: Wissen wir jetzt eigentlich schon, wie das passieren konnte? - von Ulan - 24-02-2021, 16:33

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