Hmm, ja, vielleicht droesel ich das noch einmal auf. Am besten von hinten nach vorne, denn der hintere Teil ist ja wohl eher allgemein bekannt.
1. Was die Anwesenheit Jesu bei der Schoepfung gemaess christlicher Schriften angeht, ist der Fall ja klar. Man mag zwar Urmilschs genaue Wortwahl und die verquaste Logik verwerfen, aber die Zitate, die er bringt (Kolosser und Johannesevangelium), existieren ja. Den Anfang des Johannesevangeliums kennt, nehme ich mal an, jeder (EU):
"1 Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. 2 Dieses war im Anfang bei Gott. 3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. 4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. [...] 14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit."
Hier haben wir also Jesus als das Wort (den Logos), und Jesus als Gott, der bei Gott am Anfang dabei war und durch den alles geworden ist. Also der Part ist wohl jedem gelaeufig.
2. Der Logos ist Teil der Weisheitsliteratur, einer eigensstaendigen juedischen Literaturgattung, von denen einige Vertreter es auch in die Bibel geschafft haben. Logos (das Wort) und Sophia (die Weisheit) sind dabei anthropomorphisierte, eigenstaendig handelnde Charaktere. Ein Beispiel ist die Rede der Sophia in Sprueche 8 (EU):
"22 Der HERR hat mich geschaffen als Anfang seines Weges, vor seinen Werken in der Urzeit; [1] 23 in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. 24 Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen." Sie redet dann lang und breit, wie sie bei der Schoepfung dabei war.
Logos und Sophia werden in den verschiedenen Schriften dabei in austauschbaren Positionen verwendet. Was uns das sagen soll, wird hoffentlich spaeter klar. Hier geht's hauptsaechlich darum, dass wir hier vorchristliches juedisches Gedankengut vor uns haben.
3. Paulus war von der Weisheitsliteratur beeinflusst. Selbst wenn man Kolosser als unechten paulinischen Brief abtut, haben wir 1 Kor, wo Jesus der Fels war, der die Israeliten mit Moses durch die Wueste gefuehrt hat, und natuerlich im Kapitel 15 diese Passage, die uns der Verknuepfung von Jesus und Adam etwas naeher bringt (LUT):
"45 Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1. Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht. 46 Aber nicht der geistliche Leib ist der erste, sondern der natürliche; danach der geistliche."
Hier wird uebrigens schon auf den Text Bezug genommen, um den es in diesem Thread geht. Die Verknuepfung von erstem und letztem Adam kommt hier etwas unvermittelt, und Paulus kehrt hier die Reihenfolge um (in der christlichen Theologie geht es ja gerade um die Umkehrung dessen, was angeblich nach der Schoepfung schiefgelaufen ist). Sein "lebenspendender Geist", der zweite Adam, ist Jesus Christus. "22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden."
Fuer mehr, siehe das ganze Kapitel 15, das sozusagen das "Evangelium" des Paulus darstellt. Nur, wie kommt er auf das alles?
4. Die letzte Klammer, die ich hier erwaehnen will, ist Philon von Alexandrien. Er ist ein Zeitgenosse Jesu, und bei Paulus finden sich aehnliche Gedanken. Auch er beschreibt Logos und Sophia als den Felsen und das Wasser, die bei Moses und den Israeliten zugegen waren (das Bild von Gott als Felsen steht uebrigens schon im Deuteronomium). Was uns hier jetzt aber vor allem interessieren soll, sind die von ihm niedergeschriebenen Gedanken zum Anfang von Buch Genesis. Adam Qadmon habe ich oben schon erwaehnt, den "urspruenglichen Menschen" von Kabbalah und Haggada. Die Kabbalah ist spaet und soll hier nicht weiter interessieren, aber die Idee von Adam Qadmon, dem urspruenglichen Menschen, taucht in der uns vorliegenden Literatur zuerst bei Philon auf (Zitate nach der englischen Version des Wikipedia-Artikels). Der urpsruengliche Mensch "as being born in the image of God, has no participation in any corruptible or earthlike essence; whereas the earthly man is made of loose material, called a lump of clay" (Philo, De Allegoriis Legum, I. xii.). Der himmlische Mensch, als das perfekte Ebenbild des Logos, ist weder Mann noch Frau, sondern eine nichtkoerperliche Intelligenz, eine reine Idee. Der irdische Mensch, der von Gott spaeter geschaffen wurde, ist dagegen mit den Sinnen wahrnehmbar und hat "erdige" Eigenschaften (De Mundi Opificio, i. 46).
Hier haben wir jetzt also das Element des urspruenglichen Adams als dem Logos. Philons Texte zu Genesis und Exodus sind da recht aufschlussreich.
5. Ergaenzend kann man dann in den Talmud schauen, wo es tatsaechlich auch die Idee der zwei Adams gibt. Gut, es ist immer schwierig, herauszufinden, von wann die einzelnen Ideen im Talmud stammen, und die Fassungen, die wir kennen, sind aus dem ersten Jahrhundert n. Chr.; insofern muss das zwangslaeufig eine "weiche" Quelle bleiben. Trotzdem haben wir in Genesis Rabbah 8 einen Text, der sich mit den Widerspruechlichkeiten zwischen den beiden Schoepfungsgeschichten beschaeftigt. Ihre Loesung? In Genesis 1 haben wir die urspruengliche Schoepfung des Menschen als androgyn oder Zwitter im Ebenbild Gottes, und in Genesis 2 wird dieser dann in Mann und Frau gespalten, was den irdischen Menschen hervorbringt. Die Idee eines urpsruenglichen Adam war also nicht rein philonisch. Zum Threadthema ist das nur ein Seitenaspekt. Dass der Geist Adams bei der Schoepfung dabei war, steht auch in einem Midrasch.
Man ruehre das alles zusammen, was hier wohl auch kein Problem darstellt, da das alles aufeinander irgendwo aufbaut. Ich hoffe, der Gedankengang wird so etwas verstaendlicher.
1. Was die Anwesenheit Jesu bei der Schoepfung gemaess christlicher Schriften angeht, ist der Fall ja klar. Man mag zwar Urmilschs genaue Wortwahl und die verquaste Logik verwerfen, aber die Zitate, die er bringt (Kolosser und Johannesevangelium), existieren ja. Den Anfang des Johannesevangeliums kennt, nehme ich mal an, jeder (EU):
"1 Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. 2 Dieses war im Anfang bei Gott. 3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. 4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. [...] 14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit."
Hier haben wir also Jesus als das Wort (den Logos), und Jesus als Gott, der bei Gott am Anfang dabei war und durch den alles geworden ist. Also der Part ist wohl jedem gelaeufig.
2. Der Logos ist Teil der Weisheitsliteratur, einer eigensstaendigen juedischen Literaturgattung, von denen einige Vertreter es auch in die Bibel geschafft haben. Logos (das Wort) und Sophia (die Weisheit) sind dabei anthropomorphisierte, eigenstaendig handelnde Charaktere. Ein Beispiel ist die Rede der Sophia in Sprueche 8 (EU):
"22 Der HERR hat mich geschaffen als Anfang seines Weges, vor seinen Werken in der Urzeit; [1] 23 in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. 24 Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen." Sie redet dann lang und breit, wie sie bei der Schoepfung dabei war.
Logos und Sophia werden in den verschiedenen Schriften dabei in austauschbaren Positionen verwendet. Was uns das sagen soll, wird hoffentlich spaeter klar. Hier geht's hauptsaechlich darum, dass wir hier vorchristliches juedisches Gedankengut vor uns haben.
3. Paulus war von der Weisheitsliteratur beeinflusst. Selbst wenn man Kolosser als unechten paulinischen Brief abtut, haben wir 1 Kor, wo Jesus der Fels war, der die Israeliten mit Moses durch die Wueste gefuehrt hat, und natuerlich im Kapitel 15 diese Passage, die uns der Verknuepfung von Jesus und Adam etwas naeher bringt (LUT):
"45 Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1. Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht. 46 Aber nicht der geistliche Leib ist der erste, sondern der natürliche; danach der geistliche."
Hier wird uebrigens schon auf den Text Bezug genommen, um den es in diesem Thread geht. Die Verknuepfung von erstem und letztem Adam kommt hier etwas unvermittelt, und Paulus kehrt hier die Reihenfolge um (in der christlichen Theologie geht es ja gerade um die Umkehrung dessen, was angeblich nach der Schoepfung schiefgelaufen ist). Sein "lebenspendender Geist", der zweite Adam, ist Jesus Christus. "22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden."
Fuer mehr, siehe das ganze Kapitel 15, das sozusagen das "Evangelium" des Paulus darstellt. Nur, wie kommt er auf das alles?
4. Die letzte Klammer, die ich hier erwaehnen will, ist Philon von Alexandrien. Er ist ein Zeitgenosse Jesu, und bei Paulus finden sich aehnliche Gedanken. Auch er beschreibt Logos und Sophia als den Felsen und das Wasser, die bei Moses und den Israeliten zugegen waren (das Bild von Gott als Felsen steht uebrigens schon im Deuteronomium). Was uns hier jetzt aber vor allem interessieren soll, sind die von ihm niedergeschriebenen Gedanken zum Anfang von Buch Genesis. Adam Qadmon habe ich oben schon erwaehnt, den "urspruenglichen Menschen" von Kabbalah und Haggada. Die Kabbalah ist spaet und soll hier nicht weiter interessieren, aber die Idee von Adam Qadmon, dem urspruenglichen Menschen, taucht in der uns vorliegenden Literatur zuerst bei Philon auf (Zitate nach der englischen Version des Wikipedia-Artikels). Der urpsruengliche Mensch "as being born in the image of God, has no participation in any corruptible or earthlike essence; whereas the earthly man is made of loose material, called a lump of clay" (Philo, De Allegoriis Legum, I. xii.). Der himmlische Mensch, als das perfekte Ebenbild des Logos, ist weder Mann noch Frau, sondern eine nichtkoerperliche Intelligenz, eine reine Idee. Der irdische Mensch, der von Gott spaeter geschaffen wurde, ist dagegen mit den Sinnen wahrnehmbar und hat "erdige" Eigenschaften (De Mundi Opificio, i. 46).
Hier haben wir jetzt also das Element des urspruenglichen Adams als dem Logos. Philons Texte zu Genesis und Exodus sind da recht aufschlussreich.
5. Ergaenzend kann man dann in den Talmud schauen, wo es tatsaechlich auch die Idee der zwei Adams gibt. Gut, es ist immer schwierig, herauszufinden, von wann die einzelnen Ideen im Talmud stammen, und die Fassungen, die wir kennen, sind aus dem ersten Jahrhundert n. Chr.; insofern muss das zwangslaeufig eine "weiche" Quelle bleiben. Trotzdem haben wir in Genesis Rabbah 8 einen Text, der sich mit den Widerspruechlichkeiten zwischen den beiden Schoepfungsgeschichten beschaeftigt. Ihre Loesung? In Genesis 1 haben wir die urspruengliche Schoepfung des Menschen als androgyn oder Zwitter im Ebenbild Gottes, und in Genesis 2 wird dieser dann in Mann und Frau gespalten, was den irdischen Menschen hervorbringt. Die Idee eines urpsruenglichen Adam war also nicht rein philonisch. Zum Threadthema ist das nur ein Seitenaspekt. Dass der Geist Adams bei der Schoepfung dabei war, steht auch in einem Midrasch.
Man ruehre das alles zusammen, was hier wohl auch kein Problem darstellt, da das alles aufeinander irgendwo aufbaut. Ich hoffe, der Gedankengang wird so etwas verstaendlicher.

