20-02-2022, 13:31
Hier ist noch eine abschließende Klarstellung nötig. Ein mit der antiken Welt nicht vertrauter Leser, der diesen Thread und einige andere mit ähnlicher Thematik liest, könnte den Eindruck erhalten, das antike Christentum sei schlecht bezeugt und man sei auf ein paar umstrittene Münzen, Ausgrabungsbefunde und Bibelhandschriften angewiesen, um zu beweisen, dass ein antikes Christentum überhaupt existierte. Wenn ein solcher Eindruck entsteht, ist das eine groteske Verfälschung der Wirklichkeit. Die Wahrheit ist: Es gibt aus der Antike eine außerordentlich reichhaltige christliche Literatur. Quantitativ sind die aus der Antike überlieferten christlichen Texte sogar umfangreicher als die nichtchristlichen. In der Wissenschaft besteht nicht der geringste Zweifel darüber, dass diese Schriften großenteils von den antiken Autoren stammen, denen sie nach der handschriftlichen Überlieferung zugeschrieben werden, und auch bei den unechten oder zweifelhaften steht in der Regel zumindest fest, dass sie in der Antike entstanden sind und nur die Zuschreibung an einen bestimmten Autor nicht stimmt bzw. unsicher ist. Die antike christliche Literatur füllt eine ganze Bibliothek. Manches lässt sich aufs Jahr genau datieren und fast alles aufs Jahrzehnt oder zumindest Jahrhundert genau. Über all das besteht unter seriösen Wissenschaftlern Konsens, und zwar völlig unabhängig davon, ob sie privat irgendeiner Religion/Konfession anhängen oder nicht. Eine Übersicht über die riesige Masse antiker christlicher Literatur findet man in der Clavis patrum Graecorum, der Clavis patrum Latinorum und im von Bonifatius Fischer verfassten Verzeichnis der Sigel für Kirchenschriftsteller, Freiburg 1963.

