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Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe
#19
Danke, Ekkart, für die Hilfe beim zitieren. Ich denke, ich muss noch etwas sicherer werden, bis ich das ganz fehlerfrei bedienen kann. Aber ich werde üben!

Das ist ein wichtiger Hinweis sowohl von Ekkart als auch Ulan, das mit der Begriff Liebe auch Lebenserhalt, Respekt vor sich und anderen, Nachsicht, umfasst.
Und Selbstliebe die Verhaltensweisen (und Gefühle, Gedanken?), die das eigene Leben bewahrt. 

Ich würde im Folgenden von diesem Liebesbegriff ausgehen.

Danke auch Ulan, für den Link. Ich habe die entsprechenden Stellen durchgelesen. Ich zitiere mal einen längeren Abschnitt daraus, der meine Problemstelle ganz gut trifft:

1. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Diese Übersetzung ist die uns geläufige. Sie entspricht der griechischen Fassung von Lev 19,18 in der Septuaginta und in den neutestamentlichen Zitaten des Nächstenliebegebotes in Mt 22,39Lk 10,27Röm 13,9Gal 5,14 und Jak 2,8. Der Vergleich „wie“ bezieht sich (adverbial) auf das Lieben. Die genauere Verhältnisbestimmung kann dabei unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie wir die elliptische Formulierung ergänzen (Schüle, 2001, 519):
1.1.: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie du dich (auch) selbst lieben sollst.“
In diesem Fall haben wir es mit zwei Aufforderungen zu tun: Einer Aufforderung zur Nächstenliebe und einer Aufforderung zur Selbstliebe. Psychologisch gewendet hieße das:
Zitat:„Nächstenliebe setzt voraus, dass sie von Individuen ausgeht, deren Selbstverhältnisse mit genügend Sicherheit, Vertrauen und im Blick auf die eigenen Unzulänglichkeiten mit ausreichender Geduld und Nachsicht ausgestattet sind. Erst dann ist Nächstenliebe möglich, die nicht mit Selbstverlust oder verzehrender Selbstaufopferung zusammenfällt, die also eine genuine und authentische Form der Zuwendung zum Nächsten erlaubt“ (Schüle, 2001, 519).
1.2.: „Du sollst deinen Nächsten lieben, (so) wie du dich selbst liebst.“
Bei dieser Übersetzung gilt die Selbstliebe als anthropologische Konstante, aus der die Aufforderung zur Nächstenliebe abgeleitet wird.
Beide Übersetzungen sehen in der (geforderten oder gegebenen) Selbstliebe des Menschen die Bedingung, unter Umständen auch das Maß der Nächstenliebe (Härle, 2011, 185).

Der springende Punkt ist wohl dieser Satz:

"Die genauere Verhältnisbestimmung kann dabei unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie wir die elliptische Formulierung ergänzen (Schüle, 2001, 519)"

Jesus benutzt eine elliptische Formulierung, also er lässt etwas weg.
1) Du sollst deinen Nächsten lieben, (so) wie (Du) dich selbst (lieben sollst)
2) Du sollst deinen Nächsten lieben, (so) wie (Du) dich selbst (liebst)
"lieben sollst" oder "liebst" wie Jesus das nun gemeint hat, ist die spannende Frage. Denn die Ergänzung der elliptischen Formulierung wird durch uns Menschen gemacht.

Bei meiner Recherche stoße ich sehr häufig auf Interpretationen, die sich an 2) orientieren, z.B. hier:
https://chrismon.evangelisch.de/artikel/...eben-19617
"Dort steht: die Bibel fordert nicht zur Selbstliebe auf, sie setzt sie voraus"
Es wird hier auf Rosseau und Kierkengaard verwiesen, und darauf, dass (resiliente) Kinder auch Selbstliebe entwickeln, auch wenn die Eltern sie ablehnen. Und das Theologen davon sprechen, das es eine Gottesliebe gebe, die unabhängig sei von Elternliebe.
Ich selbst bin von dieser Argumentation überhaupt nicht überzeugt, im Gegenteil.

Ich persönlich glaube nicht daran, das Jesus oder die Bibel die Selbstliebe voraussetzt. Denn es ist offensichtlich, dass Menschen sich selbst nicht in allen Belangen lieben, respektieren, nachsichtig behandeln. Und bei einigen Menschen ist das stärker ausgeprägt, wenn man an seelische Erkrankungen denkt. Im Gegenteil, es ist ein unerreichbares Ideal, sich selbst wahrhaft ganz zu lieben. Und weiter gedacht, wenn jemand sich selbst ganz und gar akzeptiert und liebt, verhält er sich nicht automatisch so, dass er seine Nächsten liebt?

D.h., die Aufforderung, den Nächsten zu lieben, wäre bei jemandem nicht nötig, der sich selbst vollständig akzeptiert, annimmt, liebt. Wenn die Bibel also die Selbstliebe (die nicht zu verwechseln ist mit dem Selbsterhaltungstrieb) voraussetzt, wenn Jesus selbst die Selbstliebe bei allen Menschen voraussetzt, dann bräuchte er die Nächstenliebe als Gebot nicht einfordern. 

Also ergibt sich fast zwingend, dass Jesus NICHT davon ausgeht, dass die Selbstliebe bei jedem sowieso gegeben ist, also müsste die korrekte elliptische Formulierung lauten:
1) Du sollst deinen Nächsten lieben, (so) wie (Du) dich selbst (lieben sollst)
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Nachrichten in diesem Thema
ergänzung - von petronius - 21-04-2022, 17:47
RE: Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe - von pagus - 22-04-2022, 12:16
) - von pagus - 06-05-2022, 10:04
RE: ) - von Sinai - 06-05-2022, 10:25
RE: ) - von Geobacter - 06-05-2022, 13:00
RE: ) - von Sinai - 06-05-2022, 21:23

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