(27-04-2022, 16:20)Reklov schrieb: ... eine "ehrliche " Selbsterkenntnis findet stets im Inneren statt und keinesfalls hier im Forum, im Geschäftsleben, im Verein oder sonstwo!Ja, Selbsterkenntnis findet natürlich primär im Inneren statt. Jemand, der seine Schwächen erkennt und liebevoll akzeptiert, wird viel "selbst-bewusster" im wahrsten Sinn des Wortes. Diese Person wird aber auch viel weniger angreifbar bezüglich seiner Schwächen, denn derjenige hat diese bereits selbst erkannt und als Wirklichkeit über sich selbst akzeptiert.
Jemand, der seine Schwächen erkennt, braucht diese natürlich nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen, er braucht aber gerade auch diese Schwächen nicht verstecken und eine Maske tragen, um ja nicht demaskiert zu werden. Das ist ja das schöne an der liebevollen Selbstakzeptanz.
Eigene Schwächen liebevoll zu erkennen heisst ja gerade nicht, diese nicht ändern zu wollen! Im Gegenteil, die liebevolle Akzeptanz meiner Schwächen, nachdem ich sie erkannt habe, ist gerade die Voraussetzung, diese ändern zu können. Schwächen, die ich nicht erkenne und auch nicht als einen Teil von mir akzeptiere, sondern verdränge (wie der Narzisst), kann ich gar nicht ändern.
Ich selbst habe versucht, Selbsterkenntnis als so etwas wie ein Hobby zu betrachten. Ich suche immer nach Baustellen in mir, die ich habe und nicht wahrhaben möchte. Wenn ich zum Beispiel mich mit jemandem streite, oder mir jemand etwas an den Kopf wirft, z.B. "Pagus, du arroganter Hund", dann bringe ich diesen Streit erhitzt zu Ende. Wenn ich dann aber wieder ruhig bin, z.B. am Abend vor dem einschlafen, dann denke ich über diesen Streit nach. Denn eines ist sicher: die Beschimpfung ist ganz sicher keine Schmeichelei, sondern eine subjektiv wahre Botschaft, die zwar 90% die Probleme meines Streitpartners beinhalten kann, aber es gibt da vielleicht 10%, die mich betreffen. Und die ich vielleicht noch nicht erkannt habe. Und die sind dann quasi ein "Geschenk" um mich noch besser selbst zu erkennen.
Und es ist jammerschade, das das Christentum dieses wirklich große und fruchtbare Feld ganz ausklammert, im Gegensatz zum Buddhismus. Gerade eben weil die liebevolle Selbstakzeptanz so untrennbar mit der Nächstenliebe verbunden ist, verwundert mich das wirklich sehr. Das empfinde ich jetzt, nach dieser Diskussion, als blinden Fleck der christlichen Lehre.