(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: @Ulan
Es ist schwierig, zu erkennen, worin Du in den Schriften noch Religion vorfindest. Du interpretierst sie auf eigenartige Weise, sodass eine göttliche Botschaft nicht mehr zu erkennen ist. Sollte Religion doch dem Menschen Heilslehre sein und ihm den Grund und das Ziel des Dasein erklären?
Wie kommst Du darauf? Was an Glaube an einen Gott, der Dich gesund macht, ist nicht Religion Deiner Ansicht nach? Du bist es doch, der meine Erklaerungen als "zu mystisch" ansieht und nach naturwissenschaftlichen Erklaerungen in Wundern sucht.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: So sagt Jesus, dass der Glaube heilt und empfielt, nicht mehr zu sündigen. Du jedoch schliesst einen Zusammenhang der Sünde mit der Krankheit aus. Die elterlichen Gene sind jha nur für den materiellen Körper verantwortlich. Gott liefert die Seele und so diese in einen behinderten Körper kommt, leidet sie. Somit wäre Gott ungerecht! Wieso soll es unmenschlich sein, für die eigenen Sünden zu leiden? Ist die Annahme der Ungerechtigkeit Gottes die bessere Alternative?
Ich sehe, dass der Jesus der Evangelien einen ungerechten Gott predigt, ja, hoechstwahrscheinlich aus Unwissen. Die Menschen seiner Zeit wussten es nicht anders. Sicher, einige Krankheiten (Diabetes Typ II, Folgen von Uebergewicht, und aehnliches) sind zum Teil selbstverschuldet, auch wenn selbst dort oft eine genetische Komponente hineinspielt, aber die meisten Krankheiten sind es nicht. Wer an einer Infektionskrankheit stirbt, hat nur bedingt Einfluss darauf, sondern ist vollkommen seinen Genen und dem Ergebnis des Zufallsprozesses (mit einer Selektionskomponente), der bei der Bildung des Immunsystems zum Einsatz kommt, ausgeliefert. Dafuer kann niemand etwas, da das ausserhalb jeglicher Einflussmoeglichkeit liegt. Schon das Buch Kohelet im AT hat erkannt (Koh9, LUT):
"2 Es begegnet dasselbe Geschick dem einen wie dem andern: dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem Unreinen; dem, der opfert, wie dem, der nicht opfert. Wie es dem Guten geht, so geht’s auch dem Sünder. Wie es dem geht, der schwört, so geht’s auch dem, der den Eid scheut."
Wenn Gott Dich nicht mag, dann mag er Dich halt nicht, egal was Du tust. Und umgekehrt.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: Du siehst die Wiedergeburt in der Taufe? Da gibt es in den Schriften nicht den geringsten Hinweis.Den Tod (Roemer 6, EU):"3 Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? 4 Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln."
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: Im Gegenteil, jeder weiss, dass Johannes der Täufer der wiedergeborene Elias war.
Das Markus-Evangelium legt das nahe, aber Johannes der Taeufer selbst widerspricht dem in Joh 1 (EU):
"21 Sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elija? Und er sagte: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein."
Aber klar, die verschiedenen Evangelien sehen in Christus ja vollkommen andere Figuren und widersprechen sich auch in solchen Details. Zur Bedeutung des Elias, siehe Bion. Juden warten uebrigens heute noch auf die Rueckkehr des Elias.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: Es ist sehr mystisch, wie Du annimmst, der geheilte Lahme bewege sich nur aufgrund seines Glaubens fort, die Schriften seien an der Bildung der dazu erforderlichen Muskeln nicht interessiert. Könnte es sein, Dass Du daran nicht interessiert bist, um deren Entstehung nicht erklären zu müssen?
Nun, diese mystische Annahme ist halt die Aussage des Evangeliums, von der ich sprach. Es gilt nur das "richtige Denken", der Glaube, alles andere ist unwichtig. Die Heilung des Bartimaeus z.B. ist eine vernichtende Kritik an Philosophie (und mittelbar hier Wissenschaft, weil die Frage, die Platons Timaeus bezueglich des Sehprozesses betrachtete, heute als wissenschaftlich bezeichnet wuerde), haelt also weltliche Erkenntnis fuer vollkommen unwichtig (aehnlich wie Reklov immer wieder in allen moeglichen Threads). Die Botschaft ist gegen so etwas gerichtet, wie Du es hier vertrittst: materielle Erkenntnisse fuehren nur in die Irre.
Und es bin nicht ich, der Wunder fuer sich selbst in ihrem "Mechanismus" erklaeren muesste, das bist nur Du, weil Du an den Text glaubst. Wie gesagt, der Text ist an Erklaerungen ueber den Glauben hinaus nicht interessiert, und ich habe keinen Grund, so etwas kuenstlich in den Text zu injizieren. Eine Erklaerung fuer den Text habe ich aber trotzdem geliefert; Du kannst sie nur fuer Dich nicht akzeptieren, weil das Resultat an Deiner persoenlichen Glaubensvorstellung kratzt.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: Wenn die Wunder für Dich nur Bilder sind und somit gar nicht stattgefunden haben, dann hat Jesus in Wahrheit die Bevölkerung leiden und hungern lassen - und war somit ohne jede Bedeutung für die Menschheit??
Was fuer eine bizarre Schlussfolgerung ist das? In welcher Form auch immer haette Jesus "die Bevoelkerung leiden und hungern lassen"? Fakt ist, dass die Bevoelkerung auch nach seinem Tod litt und hungerte. Wenn Du Jesus daran die Schuld geben willst, nur zu. Das Markus-Evangelium beschreibt Jesus nur als Vehikel fuer Gottes Geist, der zu seinem Tempel geht, um die Strafe einzulaeuten. Die Bevoelkerung Judas, die "Paechter des Weinbergs", sind dem Untergang geweiht. Nur die, die bereits in ihrem Herzen glauben, werden dem entkommen.
Und wie kann Jesus ohne Bedeutung fuer die Menschheit gewesen sein? Egal, was er nun tatsaechlich war, er hat zumindest indirekt zur Entstehung einer Religion gefuehrt, die auch heute noch einen Grossteil des Globus dominiert. Das sind also ganz reale Bedeutungen fuer die Menschheit.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: An anderer Stelle sagst Du dass Gott Jesus bei der Taufe im Jordan zum Christus gemacht habe, für mich eine unhaltbare Ansicht.
Das ist das, was das Markus-Evangelium uns erzaehlt. Bei der Taufe am Jordan passiert dies (Mk 1, EU):
"10 Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam (woertlich: in ihn). 11 Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden. 12 Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste."
Der Geist Gottes fuhr also in Jesus, Gott sprach zu Jesus, dass er nun sein Sohn sei (eine Adoption aehnlich wie bei der Salbung Davids zum Koenig, als David zu Gottes Sohn wurde, indem der Geist Gottes auf ihn niederging), und der Geist uebernahm jetzt die Kontrolle. Irenaeus von Lyon hat schon in der Antike (um 180) darauf hingewiesen, dass der Markus-Text so interpretiert wurde und man andere Evangelien nehmen muesste, um das zu "widerlegen".
Ansonsten ist "Christus" ein Titel mit derselben Bedeutung wie "Messias", auf Deutsch "der Gesalbte". David war auch ein Messias in der Bibel. Sogar der Perserkoenig Kyros wird als Gesalbter Gottes beschrieben.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: So wie Du die Schriften zepflückst, bleibt meines bescheidenen Erachtens nichts Religiöses übrig. Du sagst lediglich: "Wer gurund- und bedingungslos glaubt ..." aber da bleibt eigentlich gar nicht zu glauben übrig - oder wie siehst Du das?
Du verwechselst mal wieder Glaube mit Religion. Ich rede nur ueber Religioeses; wovon eventuell nichts uebrig bleibt, ist bestenfalls Glaube. Wenn das aufmerksame Lesen der Bibel Dich zum Verlust des Glaubens fuehrt, dann ist das nicht meine Schuld. Es kommt ja noch dicker: Das Markus-Evangelium kennt keine Geburtslegenden (bei seiner adoptionistischen Christologie sind die unwichtig) oder Auferstehungserscheinungen (da muessen erst die spaeteren Evangelien ihre Geschichten erfinden), und natuerlich erzaehlt es uns auch, warum noch nie jemand von der Geschichte, die Markus uns erzaehlt, gehoert hat. Tja, da sieht's dann mau aus mit "korrekter" Ueberlieferung.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: Du vermutest eher, Jesus hätte gar nicht gewollt, dass wir seine Botschaft verstehen, als an der Richtigkeit des Textes zu zweifeln. War nicht auch irgendwo von Lügengriffeln die Rede?
Von Luege sprachst nur Du, nicht ich. Aber, wie ich sehe, verwechselst Du immer noch Jesus mit dem Evangelisten und die Zuhoerer Jesu mit uns, den Lesern. Der Jesus des Markusevangeliums wollte nicht, dass seine Zuhoerer seine Botschaft verstehen; das sagt er uns explizit, muss ich also nicht reininterpretieren. Anders als seine Zuhoerer, bekommen seine Juenger alles erklaert. Sie verstehen auch nichts und verlassen Jesus vor seinem Tod (im Markus-Evangelium werden sie nicht rehabilitiert). Aber wir, die Leser, koennen ja die Erklaerungen Jesu an seine Juenger lesen, weil der Evangelist uns diese Erklaerungen liefert. Wir sollen natuerlich verstehen. Wir sollen uns auch besser fuehlen als diese dummen Juenger, und die bestraften Zuhoerer draussen dienen als abschreckendes Beispiel, dass Gott beim Bestrafen nicht lange rumfackelt.
(17-01-2023, 09:37)Farius schrieb: Vermutlich siehst Du im Pfingstereignis als der Geist Gottes durch die Apostel sprach auch keine wirkliche Begebenheit, die sich durchaus wiederholen könnte und ziehst die Möglichkeit mit einem Hallelujah ins Lächerliche.
Sehe ich das Pfingstereignis als real? Nein, zumindest die Geisterfrage. Dass da irgendein gemeinschaftliches "Erweckungserlebnis" stattgefunden hatte, ist aber durchaus wahrscheinlich; irgendwo muss das Christentum ja schliesslich herkommen. Ins Laecherliche ziehe ich das trotzdem nicht. Das "Halleluja" soll nur darauf hinweisen, dass das reine Glaubensfrage ist, und ich hatte das auch explizit auf ein reines Glaubensbekenntnis von Dir geantwortet.