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Nicht religiös bestimmter Glaube
#44
Hallo Reklov,
es ist erstaunlich, was du alles findest.
So zitierst du angeblich den Philosophen Wittgenstein mit folgenden Worten:
"Wenn sich eine Frage überhaupt stellen lässt, so kann sie auch beantwortet werden..."

Diese Aussage ist ersichtlich falsch und Wittgenstein sollte dies gewusst haben. Denn es gibt Fragen ohne Antwortmengen. Also beispielsweise die Frage nach der Menge der Erfindungen, die im Jahr 2023 gemacht werden. Oder in der Vergangenheit: Wie lautet der Wetterbericht am Tag der Kreuzigung Jesu? Oder außerhalb der Raumzeitgrenzen: Was war vor dem Urknall? Oder im transzendenten Bereich: Wie viel Engel können sich auf einer Nadelspitze versammeln. Zu allen diesen Fragen gibt es keine (nachprüfbare) Menge von Antworten.

Nochmals nach deinem Wittgenstein-Zitat:
"Wir fühlen, dass, selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr, und eben dies ist die Antwort."

Diese Zitat krankt daran, dass "alle wissenschaftlichen Fragen" natürlich auch Fragen der Kommunikation zu beantworten hätten - ferner, dass ethische Fragen Emanationen des sozialen Zusammenlebens sind und natürlich keine Wissenschaft. Also liegt hier gar keine Antwort vor, im Gegensatz zur Behauptung. (Selbstverständlich kann man Fragen nach "Lebensproblemen" beantworten, wenn auch nicht alle.)

(14-02-2023, 17:33)Reklov schrieb: Gewissheit ist ein Wort, das sich näher zu betrachten lohnt, denn die Weisen der Gewissheit sind mehrere und sie fordern sich gegenseitig.
Die Menschen benennen sie als Klarheit, zwingende Gewissheit und Überzeugung.

Was du hier zur "Klarheit" zu sagen hast, ist keineswegs klar. Klarheit beruht weniger auf Logik als auf klaren Definitionen, eindeutigen Voraussetzungen und einem Rezept wie Behauptungen widerlegt werden können.

Mit deiner "Gewissheit" habe ich auch so meine Probleme. Denn ein "Ursprung" der "Einsichtigkeit" ist ein Kommunikationsproblem. Soweit es sich um faktische (vermutlich empirische) Tatsachen handelt, kann deren Beschreibung (Sachverhalt, Behauptungen dazu) "nachvollzogen" werden - jedenfalls im Prinzip. 

(14-02-2023, 17:33)Reklov schrieb: oder er liegt in der Ableitung von Behauptungen durch einsichtige Schlüsse aus Voraussetzungen.
Du hast die vorangehende Axiomatik vergessen. Ohne die wissen wir nicht, wie Voraussetzung und Lemma (Lehrsatz) zu verbinden sind, für welche Auswahl von (mathematischen) Gegenstände der Beweis gilt und für welche nicht.
Durch Gödels Unvollständigkeitssatz wissen wir, dass Beweise nicht immer möglich sind.
M. a. W. Es gibt nicht für jede mögliche Auswahl von Axiomen, Voraussetzungen und Randbedingungen Gewissheit - so wenig wie in der Empirik.

(14-02-2023, 17:33)Reklov schrieb: Empirisch vorfindbare Gegebenheiten werden in Urteilen artikuliert, welche damit enden, an das Sehen zu appellieren. Der zwingende Charakter solcher "letzten" Einsichten bleibt aber an das empirische Wahrnehmen gebunden.

Dass die Gerade der kürzeste Weg zwischen 2 Punkten ist, dass das Ganze größer ist als der Teil und ähnliche Sätze haben eine solche nicht ableitbare Deutlichkeit. Zwingende Gewissheit zeigt ihre Stärke in der Mathematik, in der Feststellung von Tatsachen, in den Naturwissenschaften. Die Überzeugung von einer Wahrheit, aus der ich lebe, besitzt jedoch eine andere Geltung, denn, allein mit Mathematik ist im tranzendenten Denken nichts zu "berechnen".
Ich glaube nicht, dass ich diese Gedankengänge nachvollziehen kann. Denn du vermischst Axiome mit Lemmata (speziell das Geraden-Axiom mit Ergebnissen von Mengenverhältnissen). Auf keinen Fall kann die Mathematik "Tatsachen" feststellen. Dieser Unsinn ist Schulweisheit - und dort sollt man nicht stehen geblieben sein. Das Einzige, was Mathematik hier leistet, ist die Reproduktion von Messdaten. Damit kann man sich umfangreiche Tabellen mit ein paar wenigen Parametern und Formeln vereinfachen. Es sollte kein Geheimnis sein, dass zum selben Datensatz mehrere Modelle passen. Deswegen verraten einem die Formeln keine Einsicht in die Wirklichkeit. Ausserdem muss man im Geiste immer: "unter den gegebenen Randbedingungen und im Rahmen der Messunsicherheit" hinzu fügen!

(14-02-2023, 17:33)Reklov schrieb: Eine zwingende Einsicht macht dem Menschen zunächst seine Situation deutlich, auf die er nun reagieren kann. Entweder philosophisch oder religiös. Die zwingende Wissenschaft ist aber noch nicht Philosophie, wenngleich eine unumgängliche Voraussetzung dazu.
Während der Nerv in den zwingenden Wissenschaften der Beweis ist - ist eine Wissenschaft, in der Überzeugungen geschaffen und ausgesprochen werden, nur durch die Klarheit und Bestimmtheit der Erklärung, die Deutlichkeit des "Wortes" charakterisiert.
Da kann ich nur fragen: Ja wo sind sie denn?

(14-02-2023, 17:33)Reklov schrieb: (Damit ist längst noch nicht alles gesagt, - aber das würde weit mehr von meiner Zeit einfordern!)
Das liegt aber an dir! Man kann in deinem voran gehenden Text hinlangen, wo man will: Man findet dort Trivialitäten, Vermischungen, schwammige (oder keine) Definitionen, Gedankenfehler, nicht näher ausgeführte Postulate oder sachfremde Begriffsbildungen (z. B. "zwingende Wissenschaften", "Bestimmtheit der Erklärung").

Mir ist auch nicht klar, wie Überzeugungen "geschaffen" werden sollen. Ich glaube, des Pudels Kern ist der Wunsch, eigene Überzeugungen zu propagieren insbesondere Gedanken zu transzendenten und/oder mythologischen Entitäten (z. B. ein Höheres, Heiliges), von denen du durchdrungen zu sein scheinst. Mehr als Glaube kann das doch gar nicht sein. Deine Versuche zur "Klarheit" und "Gewissheit" nehmen sich leider recht hilflos aus zumal sie den Begriffsinhalt eher verfehlen und sich bestenfalls wie Postulate anhören.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard


Nachrichten in diesem Thema
Nicht religiös bestimmter Glaube - von Reklov - 07-02-2023, 20:52
RE: Nicht religiös bestimmter Glaube - von Ekkard - 14-02-2023, 22:10

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