(21-07-2023, 18:21)Ekkard schrieb: Ist der "freie Wille" nicht etwas Soziologisches und damit typisch für unsere Einbindung in eine Gesellschaft?
Das ist normalerweise nicht, was in der Philosophie darunter verstanden wird. Es geht darum, dass wir unsere Entscheidungen frei abwaegen koennen, ohne dass wir unbewusst zu Entscheidungen gezwungen werden. Sachzwaenge, wie gesellschaftliche Grenzen, gehoeren nicht in die unbewussten Entscheidungsbeinflussungen, sondern wuerden in diesem Szenario bewusst beruecksichtigt.
Ein Beispiel waere z.B. das "Du sollst nicht stehlen", das ja ein gesellschaftliches Gebot darstellt, das wohl schon in Zeiten galt, als es eine "Gesellschaft" im eigentlichen Sinn noch nicht gab. Bei freiem Willen wuerden wir Kosten und Nutzen gegeneinander abwaegen, nicht nur in materieller, sondern auch in sozialer Hinsicht, und dann die Entscheidung faellen. Wir gehen normalerweise davon aus, dass jeder Mensch eine solche Entscheidung frei zu treffen in der Lage ist, aber gibt es auch Kleptomanen. Diebstahl ist natuerlich ein so krasses Beispiel, dass da wohl in den meisten Faellen keine Zwangshandlung vorliegt.
Interessanter ist es schon mit Geboten wie "Du sollst nicht begehren Deines naechsten Weib". Da ist die gesellschaftliche Aechtung nicht so stark, und das zeigt sich. Der Prozentsatz von Verheirateten, die gegen dieses Gebot verstossen, liegt irgendwo zwischen 30% und 60%, und trotzdem denken nur 5% aller Verheirateten, ihr Partner koennte sie betruegen. Hier herrscht also ein Bewusstsein, dass das irgendwie falsch ist und "nicht passiert", aber es wird trotzdem gemacht.