Mandingo schrieb:Es gibt einen Trend aggressiver amerikanischer Kriegspolitik
seit Bush an der Regierung ist. Er kann wohl gar nichts anderes.
Die Kritik daran "Antiamerikanismus" zu nennen, ist ziemlich witzlos, weil solche Schlagwörter keine Informationen enthalten, sondern billige Etikette von Leuten sind, die die berechtigten Kritik-Gründe der anderen entweder nicht verstehen oder argumentationslos platt machen wollen, so wie Ignorant Malzahn.
Die Außenpolitik eines Staates zu kritisieren, ist in einer demokratischen Gesellschaft legitim. Eine solche Kritik an der Außenpolitik der USA als "Antiamerikanismus" zu bezeichnen, geht völlig am Ziel vorbei. Von daher kann ich deine Aussage nur unterstützen. Kein Mensch redet bei einer Kritik der - sagen wir mal - russischen Außenpolitik von einem "Anti-Russismus".
Der Begriff "Antiamerikanismus" beschreibt etwas ganz anderes, nur sind viele, die diesen Begriff verwenden, sich dieses Unterschiedes nicht bewusst - leider.
Der Ursprung des "Antiamerikanismus" liegt fast 250 Jahre zurück. Es beginnt im Jahre 1776, als die USA unabhängig wurden (nur zur Ergänzung: der "Antiamerikanismus" zielt auf die USA, nicht auf andere amerikanische Staaten). Mit den USA entstand zum ersten Male in der Neuzeit ein Staat auf demokratisch-republikanischer Basis. Für das 18.Jahrhundert war das eine Neuerung, die den aktuelle Staatstheorien völlig zuwider lief.
Aus der Antike kannte die Staatsphilosophen zwei Versuche, demokratisch-republikanische Systeme aufzubauen. Das eine waren die Stadtdemokratien der Griechen, das andere die Römische Republik, die von 509 v.Chr bis 27 v.Chr. währte. Beide "Republiken" sind letztlich zugunsten imperialer Herrschaftssysteme untergegangen.
Nur 13 Jahre nach der Gründung der amerikanischen Republik begann der Versuch, in Europa eine Republik zu installieren. In Frankreich revoltierte 1789 die Bevölkerung, das Königshaus wurde gestürzt, das Herrscherehepaar getötet und die bürgerliche Republik ausgerufen.
Aber so, wie es die Staatsphilosophen aufgrund der antiken Beispiele vorausgesagt hatten, ging die französische Republik blutig unter und es folgte - wie die Erfahrung lehrte - ein imperiales System: Napoleon.
Einzig die US-amerikanische Republik hatte Bestand. Auch ein zweiter Versuch der Briten, die USA wieder unter ihre Gewalt zu bekommen (1812 bis 1814) scheiterte. Die Republik hatte sich bewährt. Da aber nicht sein konnte, was nicht sein durfte, wurde nach Begründungen gesucht, wie man die amerikanische Staatsform diffamieren konnte.
Während also im Europa nach Napoleon die Restauration vorherrschte und Könige und Fürsten wie bisher auf ihren Thronen kleben ließ (bei gleichzeitig zunehmender Radikalisierung der Massen, was sich in den Unruhen von 1830 und 1848 ausdrückte), wuchsen und gediehen die USA. Für die europäischen Staatstheoretiker war das unerhört. Als im 19.Jahrhundert Begriffe wie Staat, Nation und Volk immer mehr in Mode kamen, hatte man endlich etwas gefunden, was man den US-Amerikanern vorhalten konnte:
Die USA, das war eine Zivilisation ohne Kultur. Reich und fortschrittlich, aber ohne eigene Geschichte, seelenlos, künstlich, zusammengewürfelt. Die USA, das war ein Staat, aber keine Nation, kein Volk.
Während sich in Europa neue Staaten bildeten, deren Existenzanspruch auf der gemeinsamen Nation gründeten (etwa Deutschland oder Italien) und in bestehenden Staaten das Nationalbewusstsein von Minderheiten immer stärker wurde (etwa die Polen im zaristischen Russland, oder die Tschechen und Ungarn im Kaiserreich Österreich-Ungarn), übertrug sich das Feindbild der amerikanischen Republik sowohl auf die politische Linke, auf die politische Rechte als auch auf das nationalbewusste Bürgertum. Ein Staat hatte einen von Gott bestimmten Herrscher zu haben - das war allgemeiner Konsens. Die einzige europäische Ausnahme, die französische Republik von 1870, sah man als Irrtum der Geschichte an, der sich früher oder später korrigieren würde.
Die politische Linke (Anarchisten, Kommunisten, Sozialdemokraten) sah in den USA ein Feindbild, weil sie dort keine Chance hatte, Fuß zu fassen. Es gab zwar genau so viel Elend wie in Europa, doch fehlte die "Obrigkeit durch Geburt", wie sie in Europa vorhanden war.
Die politische Rechte (Volksnationale) stand in Opposition zu den USA, weil den Amerikanern alles fehlte, was sie unter "Volk" verstanden. Die USA waren ein Gemisch aus Iren, Briten, Deutschen, Italienern, Asiaten, Afroamerikaner - aber kein einheitliches Volk, Und außerdem waren de Amerikaner von ihrem demokratisch-republikanischem System überzeugt.
Der bürgerlichen Mitte in Europa waren die USA ein Dorn im Auge, weil dieser Staat selbst 100 oder 150 Jahre nach seiner Gründung noch immer den Voraussagen der europäischen Staatstheoretikern trotzte und nicht unterging. Schlimmer noch - die USA wurden immer mehr zur bestimmenden Großmacht in der Welt.
Besonders in Deutschland fiel dieser "Anti-Amerikanismus" auf fruchtbaren Boden. Nach dem Ersten Weltkrieg bekam man die ungeliebte Republik übergestülpt. Unterschiedliche Denker wie Rainer Maria Rilke,Ernst Jünger oder Martin Heidegger fanden sich vereint in ihrer Ablehnung des US-amerikanischen Staates - nicht weil die USA eine offensive Außenpolitik betrieben, sondern weil die USA trotz ihrer angeblich fehlenden "Volkskultur" politisch erfolgreich waren. Diese Abneigung deutscher Denker fand sich in vielen Schriften wieder, unabhängig von der politischen Ausrichtung des Verfassers.
Die Gründe für den Anti-Amerikanismus sind also nicht die Fehler der Regierung in Washington, sondern die Ablehnung der USA als "nicht-völkischer" Staat. Solche Vorwürfe existieren heute noch. Wie oft hört man im Alltag, dass Amerikaner keine Ess-Kultur haben, sich nicht anzuziehen wüssten oder dass ihr Schulsystem grottenschlecht sei (da fragt man sich doch, woher die amerikanischen Elite-Universitäten ihre Studenten holen, warum die meisten Nobelpreise in Naturwissenschaften in die USA gehen und weshalb die Entwicklung von Hi-Tech größtenteils in den USA in Think-Tanks wie das MIT in Boston oder im Silicon Valley stattfindet). Der Kulturkampf "Anti-Amerikanismus" läuft in Deutschland noch immer - dank der deutschen Kulturdenker von gestern und heute.
Noch nie hat ein Staat, der seine Bevölkerung nahezu ausnahmslos aus Einwanderern aufgebaut hat, so viel Macht und Einfluss besessen. Die europäischen Völker, die zum Teil seit 1000 Jahren oder mehr existieren, sind gegen einen Einwandererstaat ins Hintertreffen geraten. Neid und Eifersucht sind die Ziehväter des Anti-Amerikanismus.
Von daher sollte man hier mit dem Begriff "Antiamerikanismus" vielleicht eine Spur vorsichtiger umgehen.
Grüße
Moski
Ich bin gegen Religion weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen (Richard Dawkins)

