11-04-2007, 22:26
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-04-2007, 23:19 von Alanus ab Insulis.)
Wombat schrieb:Ich bin der Ansicht, dass man den Verlust von Kirchgängern nicht auf die demographische Entwicklung oder andere sozialpolitische Faktoren schieben kann. Allgemein betrachtet gewinnt die Kirche, wenn der Staat schwach ist.
Das ist mir viel zu pauschal und ungenau. Denn ersten kann man andere soziokulturelle und soziopolitische Faktoren niemals ausschließen, oder so gut wie nie, weil die soziale, dh. die gemeinschaftliche Entwicklung immer ausschlaggebend für das Handeln und Nicht-Handeln der Menschen ist.
Desweiteren ist die Aussage die Kirche gewinne immer, wenn der Staat schwach ist völlig unbrauchbar, denn erstens ist unklar was sie gewinnt und zweitens fragt sie nicht danach was sie gewinnen will.
Das Kirche und überhaupt religiöse Gemeinschaften in Kontakt und Verhältnissen zu Staaten und über- und innerstaatlichen Organisationen stehen, wird sich wohl kaum verhindern lassen, denn dann würde man von ihnen verlangen sich aus der Nationalgemeinschaft auszuschließen, sowohl als Institution, als auch als Konsequenz für die Mitgleider. Das ist wohl kaum möglich und kann auch in niemandes Interesse liegen.
Die Frage ist natürlich welche Rolle spielt Kirche in Verbindung mit dem Staat. Einem rein säkular geprägten Menschen muss zwangsläufig eine staatsreligöse Beziehung widerstreben, wie wir sie z.B. in Rußland kennen. Einem Gläubigen mag es zu gesellschaftlichen Vorteil und einfach nur Anerkennung gereichen. Letzlich geht es auf die Frage der Trennung von Kirche und Staat hinaus. Und da können wir uns in Europa ohne Gefahr sehen, denn die Trennung beider Gewalten, der geistlichen und der weltlichen ist sogar eine der Hauptforderungen der gregorianischen Kirchenreform im Mittelalter gewesen (wenn gleich man damals von der Superiorität der geistlichen ausging).
Eine andere Frage ist die der "Volksfrömmigkeit". Das Verhältnis von Kirche zur Volksgemeinschaft wird oft, und zwar fälschlich, mit dem Verhältnis Kirche Staat oder staatlicher Gemeinschaft gleichgesetzt. In der Tat haben wir einen abnehmenden christlichen Volksglauben, besonders durch das Zusammenbrechen katholischer und christlicher Millieus. Und gerade letzters ist der eigentliche Grund für den Schwund der sich wirklich kirchlich Engagierenden. Und nicht etwas das Verhältnis Kirche Staat, dass in Deutschland staatskirchenrechtlich durch verschiedene Konkordate reglementiert ist.
Wombat schrieb:Auch junge Menschen, die sich für Religion interessieren, werden von kirchlicher Dogmatik und Liturgien abgeschreckt.
Auch da stimme ich nur bedingt zu. Natürlich schrecken sie zurück! Aber die Frage ist doch warum? Liturgie ist doch wirklich keine Geisterbahn!
Ich glaube die Ursache dafür liegt in dem, was ich oben schon angedeutet habe. Nämlich dass es keine wirklich christliche Sozialisation der Menschen mehr gibt. Und damit werden Riten und Glaubensverständnisse, die sich natürlich unweigerlich auch in doktrinären Formen ausdrücken, unverständlich und grotesk.
Es wäre utopisch anzunehmen, dass jemand die Zeichenvielfalt, die keineswegs an unserer Zeit vorbeigeht, der Messe versteht, wenn er mit 14 Jahren zum erstenmal eine besucht. Das wäre als würde ich jemanden ohne mathematische Vorkenntnisse eine analytische Kurvendiskussion erklären wollen.
Daher ist das A und O für eine sinnvolle Verkündigung des Evangeliums und eine aktive Integrierung der Menschen in das Gemeindeleben die katechetische Bildung der Gläubigen und der Katechumenen.
Ekkard schrieb:Die Sprengsätze sind längst in Form der kirchlichen Verlautbarungen da – nur im Gottesdienst feiern wir, als gäbe es das alles nicht.
Was stellst du dir denn vor. Im Gottedienst eine Podiumsdiskussion zum Thema Gott und die ökologische Krise? Das ist doch absurd.
Nach meinem Verständnis ist Liturgie ein kultischer Akt der Gottesverehrung! In diesen kann und muss natürlich die einzelne Person und auch die kultische Gemeinde hineingenommen sein. Das II. Vaticanum nennt dies die participatio actuosa, die tätige, nicht aktivistische, Teilnahme des Gottesvolkes. Ein Ausdruck, von vielen, dafür sind die Fürbitten der Gemeinde.
Ekkard schrieb:Solange die gesellschaftlichen Utopien aus Altertum, Mittelalter und beginnender Neuzeit stammen, sind sie keine "Zugpferde", sondern werden als Fußfessel oder Ballast empfunden.
Was wäre denn eines dieser utopischen Gesellschaftsbilder?
Die christliche Moral im Bezug auf gesellschaftliche Probleme? Die Überzeugung das Glaube notwendig gesellschaftliche Konsequenzen und Tätigkeiten nach sich ziehen muss und nicht nur Privatvergnügen ist?
Die Ablehnung falscher Toleranz, die vom Geist des Relativismus genährt wird?
Es gibt zugegebener Maßen viele Punkte in denen die Kirchen wieder einen Fuß in die öffentliche Wirklichkeit finden müssen, und Bischof Mixa ist da kein gute Beispiel, aber nicht unter den Opfer moralischer und christlicher Glaubwürdigkeit.
Wirklich geschehen kann dies nur, wenn christliche Überzeugungen und ureigene Glaubensinhalte und -wahrheiten gewahrt und angemessen verkündet werden. Aber gerade bei letzterem mangelt es, weniger an der Angemessenheit vieleicht, als an der Verkündigung selbst.
Aber wie will das eine Gesellschaft verstehen, die Glauben für eine subjektive Empfindung hält?
Der "verwässerte Buddhismus-Trend" und "der Esoterik-Run" ist dafür, in der Tat, ein gutes Beispiel. Es zeigt auch die Unreflektiertheit dieses Relativismus. Der Zölibat buddhistischer Mönche, die Frauen nicht einmal anfassen dürfen oder sonst mit ihnen sonst in Kontakt treten dürfen, wird hochgejubelt, der Zölibat benediktinischer Mönche wird als weltfremd verworfen....etc. pp.
P.S. Die letzten Zeilen wollen keine Buddhismuskritik sein, sondern ein Kritik des religiösen Relativismus der westlichen Kultur, die sich eines verwässerten Buddhismus bedient bzw. den Vorstellung die sie von ihm hat.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)

