05-08-2024, 14:31
(05-08-2024, 09:03)Ulan schrieb:(04-08-2024, 14:59)subdil schrieb: Aber würde denn gerade ein solcher simpler Mechanismus, wie der aus Reiz und Reaktion, nicht viel effizienter funktionieren ohne Bewusstsein? Wenn er einfach automatisch ablaufen würde? Hier stört doch das Bewusstsein und insbesondere das hoch entwickelte Selbst-Bewusstsein des Menschen eher als es etwas nützt. Hat also die Evolution hier einen Fehler begangen, insbesondere indem sie dem Menschen die Möglichkeit gab, sich höhere Fragen stellen, anstatt einfach für sein Überleben zu sorgen? Oder ist vielleicht deine Annahme, dass Bewusstsein lediglich durch eine evolutionäre Vorteilsnahme entstanden ist, falsch?
Wie heisst's so schoen: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Ich denke, viele der Fragen, fuer die wir unser Bewusstsein einsetzen, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens, sind einfach Abfallprodukte eines Mechanismus, der einen ganz anderen Zweck erfuellt, naemlich den, uns einen Ueberlebensvorteil zu verschaffen. Die beiden Systeme, die wir haben, die bewusste und die unbewusste Problemloesung, arbeiten zusammen. Die meisten Prozesse laufen im unbewussten System ab, weil es halt effizienter ist, viel schneller und vor allem auch multi-threading-faehig. Wenn wir etwas lernen, dann benutzen wir das bewusste System, das langsam ist und im Prinzip nur ein Problem auf einmal bearbeiten kann, dafuer aber flexibel ist. Nachdem unser bewusstes System mit der Bearbeitung eines Lernprozesses fertig ist, wird das Ergebnis dann von dem Teil des Gehirns, in dem das Bewusstsein sitzt, in den Teil fuer unbewusste Vorgaenge verschoben, und wir muessen beim Einsatz dieser Faehigkeiten nicht mehr Mitdenken, was das bewusste System fuer andere Aufgaben befreit. Laufen, Sprechen oder Autofahren koennen wir irgendwann "von selbst", weil dort ein Systemwechsel vonstatten geht.
Ob das ein "evolutionaerer Fehler" war, ist wieder mal so eine Frage, hinter der eine unsinnige "Sinn"-Ueberlegung steckt. Die Welt aendert sich dauernd, und das Erfolgsrezept von heute ist der Fehler von morgen. Wir muessen uns bei so etwas von Sinnfragen trennen. Unser bewusstes Denken war offensichtlich ein beispielloses Erfolgsrezept, da wir, zumindest unter den groesseren Tieren, eine geradezu ueberwaeltigende Dominanz erreicht haben. Ob das so bleibt, liegt teilweise an uns, aber halt auch an Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben. Jedenfalls hat unser Bewusstsein, wenn es nicht gerade unter akutem Handlungsstress steht, genuegend "Leerkapazitaet", die wir halt auch fuer Ueberlegungen nutzen, die keinen Sinn haben. Fragen zum Sinn des Lebens gehoeren im Prinzip auch in die eher "sinnfreie" Kategorie. Sie haben nur dann einen Sinn, wenn wir, entweder, dies erkennen und uns damit zufrieden geben, oder aber uns einfach eine Scheinantwort geben, die uns gut fuehlen laesst. Auch letzteres ist eine evolutionaere Erfolgsstrategie, weshalb es Religionen gibt.
@ Ulan,
aus deinen Zeilen kann man ersehen: nur der Mangel an Klarheit erlaubt solche textlichen Umsetzungen, welche psychologisch durchaus verstehbar sind. Dieser Mangel ermöglicht jene Irrtümer, die Kant aus dem "unbemerkten Einfluss der Sinnlichkeit auf den Verstand" begreift.
Unwahrheit durch Unklarheit heißt Verhüllung, Verschleierung, Verdeckung, Verdunkelung.
Auch hier gilt: das WAHRE ist nicht das von uns gewusste Allgemeine im Unterschied vom Besonderen, und auch nicht das gewusste GANZE im Unterschied zum TEIL. Alles hat auch ein Verhältnis zum Gegenstandslosen, dem von uns nie Gewussten und nie zum Besitz gewordenen WAHREN.
UNWAHRHEIT entsteht daher, wenn sich der Mensch auf Gewusstes, Festes, Unbezweifeltes stützt - wo wir im Wissenschaftsaberglauben wissenschaftliche Ergebnisse als dogmatisches Wissen behandeln.
Der Mensch hält sich gerne an selbstverständlichen Endlichkeiten fest, beherrscht von Vorurteilen. Diese bezeichnete Bacon als Idole. Das Halten am Bestimmten führt also zur Verabsolutierung.
Dem Menschen bleibt also weiterhin nur der Weg des Suchens und einer damit verbundenen methodisch-systematischen Kategorien-Lehre.
Alles von uns Erkannte ist ein in materiellen Formen Gedachtes, in der Bestimmtheit von Kategorien Erfasstes. Und obwohl wir es er- und begreifen können, birgt es doch noch ein Undurchdringliches in sich! - Alles menschliche Erkennen ist ein Formen der Anschauung, ein aktives Tun, welches durch Fragen, Versuchen, Bestimmen formt und dadurch ein Material der Anschauungen strukturiert.
Gruß von Reklov

