06-08-2024, 09:36
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06-08-2024, 10:37 von Ulan.
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(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Nun, diese Welt ist eben so, wie sie ist, weil wir hier getrennt sind von Gott. Das ist der entscheidende leap of faith, den man einfach machen muss, wenn man im metaphysischen Bereich irgendwie vorankommen will. Ja, das ist ein Glaubenssatz und ja, ohne den geht es nicht.
Eben. Nur sehe ich nicht, wie irgendjemand "im metaphysischen Bereich vorankomm(t)". Es gibt Gedanken, ja, aber die Hauptaussage meines letzten Beitrags ist, dass diese metaphysischen Konzepte aus reinem Wunschdenken geboren sind, so wie Du es sehr schoen in Deinem vorletzten Beitrag an mich illustriert hattest.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Mir hilft es dabei immer, mir in Erinnerung zu rufen, dass ja in vielen Traditionen davon ausgegangen wird, dass diese Trennung früher nicht bestanden hat, sondern irgendwann herbeigeführt wurde, meistens durch einen Fehltritt des Menschen, zum Beispiel durch den sogenannten Sündenfall im Christentum oder den Abstieg in die Materie im Hinduismus und in der Anthroposophie, oder dem Verlust des "Samadhi" in fernöstlichen Lehren und ich glaube auch im Buddhismus.
Das ist ein typisches menschliches Erzaehlmuster, die Geschichte vom "Goldenen Zeitalter", oder, wie man es von alten Leuten oefter mal prosaisch zu hoeren bekommt, "frueher war alles besser". Newsflash: Nein, war es nicht!
Dieses Erzaehlmuster dient nur dazu, die Fehler menschlichen Handelns und die Probleme der jeweiligen Jetztzeit des Erzaehlers an einem Utopia zu kontrastieren, also den Ideen, wie dieser Erzaehler sich eine ideale Gesellschaft vorstellt. Anspruch auf irgendeine Historizitaet hatten solche Utopien noch nie.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Gott greift hier offenkundig nicht ein oder wenn, dann nur sehr begrenzt oder nur auf der seelischen Ebene, nicht aber im äußeren Geschehen. Im Übrigen muss man sich diesen Gott nicht als Person vorstellen, man kann sich auch eine Wesenheit vorstellen, welche sich über das ganze Universum erstreckt, nur eben hier in der physischen Welt nicht mehr im großen Stil eingreifen kann oder will. Nicht wollen könnte er es zum Beispiel, weil wir jetzt einfach mal "selber groß sein müssen", so wird es in der Anthroposophie gelehrt. Die Trennung von der geistigen Welt war nötig, damit der Mensch ein freies, eigenständiges ICH entwickeln kann, mit dem er dann in die geistige Welt zurück kehren kann.
Ueber die Theodizee-Frage haben wir jetzt schon oft genug geredet. Hier wird schlicht willkuerlich eine Zusatzbedingung eingefuehrt, um zu kaschieren, dass die Realitaet mit der postulierten "Wahrheit" nicht uebereinstimmt.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Das alles führt jetzt aber sehr weit und wir sollten aufpassen, dass wir nicht wieder alles durcheinander werfen, sonst wird der Thread wieder zu gemacht.
Guter Hinweis. Schon wieder die Theodizee aufzurollen, ist auch nicht meine Absicht.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Der entscheidende Punkt im Kontext dieses Themas bleibt der, dass ihr hier alles wissenschaftlich erklären wollt, auch die Dinge, die wissenschaftlich grundsätzlich nicht erklärbar sind und sich vielleicht sogar außerhalb der menschlichen Logik befinden.
Das eben bestreite ich. Wir wollen nicht alles wissenschaftlich erklaeren, sondern wir weisen nur darauf hin, dass, nur weil wir jetzt etwas wissenschaftlich nicht erklaeren koennen, das nicht unbedingt heisst, dass wir es nie wissenschaftlich erklaeren werden koennen. Und ja, es wird wohl Dinge geben, die wir nie erklaeren werden koennen. Was wir fuer unredlich halten, ist, einfach Erklaerungen zu erfinden, sobald wir keine wissenschaftliche Erklaerung haben, weil wir unbedingt eine Antwort haben wollen auf etwas, auf das es, zumindest momentan, keine gibt. Religion und Metaphysik sind in dieser Hinsicht haeufig eine Art Ersatzbefriedigung, und so kommen wir dann zum allseits bekannten "Lueckengott", also dem, der unsere Wissensluecken fuellt und staendig schrumpft.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Am ehesten zu verstehen ist diese irdische Existenz vielleicht als ein "Test". Und zwar ein Test auf der höchsten Schwierigkeitsstufe, weil wir hier vom allerwichtigsten, was es gibt, getrennt sind.
Das ist doch der Knackpunkt: Du willst unbedingt, dass Dein Leben einen ueber das Offensichtliche hinausgehenden Sinn hat, und hier hast Du Dir selbst einen gegeben. Ich brauche fuer meine Sinnsuche halt nichts zu erfinden, wofuer es keinerlei Anhaltspunkt gibt. Das ist der Unterschied zwischen uns.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Diese Trennung wird aber durch den Materialismus und die Wissenschaftsdominanz weiter voran getrieben, und es gibt eben Menschen, die darunter leiden und da nicht mehr mitmachen wollen.
Fuer mich sieht das so aus, dass Du hier einen Buhmann aufbaust, um Dich nicht der Realitaet stellen zu muessen. Es wird Dir niemand Deine spirituellen Gedanken nehmen wollen, aber dieses Leiden, von dem Du sprichst, kommt doch gar nicht von dort: es kommt daher, dass Du fuer Deine spirituellen Gedanken Anerkennung suchst, also Selbstbestaetigung. Ich weiss, Selbstbestaetigung ist fuer jeden Menschen ein wichtiger Teil des seelischen Wohlbefindens, aber es hat niemand die Pflicht, Dir in dieser Hinsicht eine solche zu liefern. Wenn Dir "Wissenschaftsdominanz" Unwohlsein bereitet, dann ist das nicht in der Verantwortung der Wissenschaft, sondern Deine eigene. Frage Dich lieber selbst, warum Dir dabei unwohl ist.
Wenn Du fest an deinen Mythos dieser Trennung von Gott glaubst, ist das eine Sache, aber dieser Mythos verleitet Dich dazu, Schuldige zu finden, die aus meiner Sicht vollkommen unschuldig sind an einem Problem, das Du Dir selbst bereitest.
(05-08-2024, 17:38)subdil schrieb: Wie ich zuvor schon sagte - und darauf ist bisher keiner von euch eingegangen - ist der Kapitalismus, der diese blühende Erde in eine ruinierte Staubwüste verwandeln wird, wenn er nicht endlich gezügelt wird, eine direkte Folge des dominierenden materialistischen Weltbildes in der westlichen Welt, genau so wie auch die grassierenden psychischen Krankheiten in unserer Gesellschaft eine Folge davon sind. Bei so viel Destruktivität - im materiellen, wie im seelischen - sollte doch dem einen oder anderen an dieser Stelle vielleicht einmal ein Licht aufgehen.
Darauf ist "niemand eingegangen" - was ich uebrigens bezweifele, da gerade Ekkard das haeufig tut - weil hier ein komplexes Problem ideologisch aufgeladen wird. Hier werden auch wieder reale Probleme mit Mythen verknuepft - und ja, die typische Verklaerung der angeblich so viel besseren Vergangenheit erhebt hier auch wieder ihr Haupt. Deine Beurteilung geht auch wieder davon aus, dass Dein erster Mythos, der von der Trennung von Gott, wahr ist. Vielleicht solltest Du einfach mal in Betracht ziehen, dass der auch falsch sein koennte, und wir Menschen halt, wie schon zu allen Zeiten, schlicht Menschen sind, und sowohl mit dem Guten wie dem Schlechten umzugehen lernen muessen.

