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Das beste Argument gegen den Materialismus und für Gott?
#25
(19-07-2025, 10:23)Ulan schrieb:
(18-07-2025, 23:46)Noumenon schrieb: Während der Materialismus traditionell davon ausging, dass die Welt aus festen, ausgedehnten Stoffen besteht, hat sich dieses Bild mit dem Fortschritt der Physik hin zur modernen Teilchenphysik grundlegend gewandelt. In der Quantenmechanik zeigt sich, dass sogenannte "Teilchen" wie Elektronen oder Quarks keine kleinen, harten Kügelchen mehr sind, sondern als Anregungen zugrunde liegender Felder verstanden werden, deren Verhalten sich nur noch durch mathematische Strukturen wie Wellenfunktionen oder Zustände in einem abstrakten Raum beschreiben lässt.[...]

Dieses veränderte Verständnis stellt den klassischen Materialismus vor ein grundlegendes Problem: Wenn Materie nicht mehr als "harte Substanz" existiert, sondern nur noch über Felder, Wechselwirkungen und abstrakte Strukturen beschrieben werden kann, verliert die Vorstellung einer stofflich fundierten Welt an Plausibilität. Was früher als anschaulicher Stoff erschien, entpuppt sich heute als ein Netz von Relationen, Zuständen und Wechselwirkungen - begrifflich gefasst in mathematischen Modellen. Damit stellt sich die Frage, worauf ein materialistisches Weltbild überhaupt noch gründen soll, wenn der Begriff der Materie selbst zunehmend durch formale und feldtheoretische Konzepte ersetzt wird.
Hier wuerde ich vorschlagen, doch einmal einzuhalten.
Klar, gerne.

(19-07-2025, 10:23)Ulan schrieb: Unser Materiebegriff hat sich schlicht gewandelt. Hier wird nicht ersetzt, sondern ergaenzt. Wenn ich hier im Thread von "Materialismus" rede, beziehe ich diese neuen Sichtweisen natuerlich mit ein.
Der Materialismus ist zunächst keine physikalische Theorie im engeren Sinne, sondern ein ontologisches Deutungsmodell, welches die Realität auf Basis bestimmter und bevorzugter Konzepte interpretiert - genauer gesagt: verabsolutiert. Und natürlich kann man versuchen, den Begriff des Materialismus mit Biegen und Brechen über die Jahrhunderte "mitzuschleifen" und all die neuen Konzepte der modernen Teilchenphysik einfach als Erweiterung des Materiebegriffs zu deuten. Doch dabei wird übersehen, dass der Begriff der Materie ursprünglich genau das meinte, was die moderne Physik längst hinter sich gelassen hat: Wer heute Felder, Zustände, Wechselwirkungen oder mathematische Relationen als "materiell" bezeichnet, betreibt eine bloße Etikettierung, ohne dass noch ein konsistenter Substanzbegriff dahinter stünde. In Wahrheit hat sich der ontologische Gehalt des Materialismus aufgelöst, auch wenn sein Name weiter im Umlauf ist.

Wenn die Grundlage eines Weltbildes durch andere Begriffe ersetzt wird, handelt es sich eben nicht mehr einfach nur um eine "Ergänzung", sondern um eine Revision, um eine grundlegende inhaltliche Veränderung eines Begriffs oder Weltbilds, bei der zentrale Annahmen oder Kerndefinitionen aufgegeben und durch neue ersetzt werden. Wer heute noch am Begriff "Materialismus" festhält, obwohl damit längst keine feste Materie mehr gemeint ist, betreibt letztendlich dasselbe Spiel wie ein Pantheist, der zwar "Gott" sagt, aber "Natur" meint und damit im Prinzip nichts, was ein Gläubiger je anzubeten bereit wäre. Der Begriff bleibt, der Inhalt ist ein völlig anderer, was also bleibt, ist lediglich Etikettenschwindel.

(19-07-2025, 10:23)Ulan schrieb: Dass auch bei stochastischen Prozessen die statistischen Vorhersagen immer noch zuverlaessig funktionieren, zeigt uns doch, dass das grundsaetzliche, "materialistische" Verstaendnis solcher Vorgaenge durch die neuen Erkenntnisse nicht angekratzt wird.
Absolut richtig, ist aber ein epistemisches Argument, kein ontologisches. Der Erfolg statistischer Vorhersagen sagt nichts über die Natur des Seins aus. Es funktioniert, ja. Aber was genau funktioniert hier eigentlich? Ein formales, abstraktes Modell, nicht ein mechanisches Uhrwerk aus Substanzbausteinen.

(19-07-2025, 10:23)Ulan schrieb: Dinge funktionieren halt mechanistisch etwas anders als urspruenglich gedacht, aber es kommt immer noch auf dasselbe hinaus.
Hier wird auch der Begriff des Mechanismus etwas überdehnt, um implizit den Anschein eines weiterhin funktionierenden Weltbilds aufrechterhalten zu können. Doch der klassische Mechanismus ist lokal, deterministisch, substanzgebunden. Und das widerspricht eben offen den zentralen Einsichten der modernen Quantenphysik (Nichtlokalität, Heisenberg'sche Unbestimmtheit, Feldontologie).

(19-07-2025, 10:23)Ulan schrieb: Dass sich Beziehungen mathematisch beschreiben lassen, heisst ja nicht, dass sie Mathematik sind.
Natürlich folgt aus der Beschreibung der Wirklichkeit mit Hilfe von Mathematik nicht notwendigerweise, dass sie mathematischer Natur ist. Das wurde ja auch nicht behauptet und ist - zumindest mir - relativ klar. Die moderne Physik zeigt natürlich nicht, dass die Welt aus Mathematik besteht, aber sie zeigt zumindest sehr deutlich, woraus sie nicht besteht: Klassischer Materie im Sinne räumlich ausgedehnter, fester, nicht weiter teilbarer Substanzen. Und damit hat der Materialismus seine ursprüngliche Grundlage verloren.
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RE: Das beste Argument gegen den Materialismus und für Gott? - von Noumenon - 20-07-2025, 13:59

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